Essen. 46 Prozent der 4400 Bahnbrücken in NRW müssen dringend instandgesetzt werden. Ein anderes Bundesland sahnt bei der Mittelvergabe aber besser ab.
Die Eisenbahnbrücken in NRW sind in einem immer schlechteren Zustand. Fast 46 % aller knapp 4400 Bahnbrücken an Rhein und Ruhr müssen dringend instandgesetzt werden. 248 Brücken gelten sogar als abrissreif. Vor fünf Jahren wurden dagegen noch rund 44 Prozent der NRW-Bahnbrücken als Sanierungsfälle eingestuft. Die Zahlen stammen aus einem Fragenkatalog zum Thema Bahninvestitionen der Grünen-Bundestagfraktion an die Bundesregierung. Die Papiere liegen dieser Redaktion vor.
Älteste Brücke stammt aus dem Jahr 1839
Eisenbahnbrücken in NRW sind demnach besonders alt. Die Mehrzahl wurde teils weit vor Gründung des Bundeslandes gebaut. Die Hälfte der Brücken sind älter als 80 Jahre. Das Durchschnittsalter liegt bei 86 Jahren. Die älteste noch betriebene Eisenbahnbrücke liegt in Wuppertal-Vohwinkel. Sie ist 181 Jahre alt und stammt damit aus dem Uraufführungsjahr von Giuseppe Verdis erste Oper.
Und noch etwas anderes zeigen die Antworten auf den grünen Fragenkatalog: Der Zustand der NRW-Bahnbrücken ist vor allem im Vergleich mit Bayern bedenklich. Denn laut den Angaben sind nur rund ein Drittel der bayrischen Bahnbrücken marode – bei zudem stark rückläufiger Tendenz. In Bayern wurden zudem in den letzten fünf Jahren 243 Brücken saniert, in NRW dagegen nur rund 100.
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Die Grünen-Bundestagsfraktion sieht das als klaren Beleg für eine Bevorzugung Bayerns bei Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur durch das seit Jahren von der CSU geführte Bundesverkehrsministerium. Der Vorwurf ist nicht neu. Schon unter der rot-grünen NRW-Regierung wurde diverse Male spekuliert, ob es den CSU-geführten Bayern besser gelingt, an Bundesverkehrsmittel zu gelangen. Damals ging es vor allem um Mittel für den Straßenbau. Die Kritik fällt angesichts der Bahn-Investitionen diesmal allerdings besonders drastisch aus. „Die CSU-Verkehrsminister betrachten es als ihre Hauptaufgabe, den Abfluss von Bundesmitteln nach Bayern zu organisieren. Das Ausmaß grenzt inzwischen an organisierte Plünderung“, sagte Oliver Krischer, Vize-Fraktionschef der Grünen im Bundestag, der WAZ.
Grüne werfen Bundesverkehrsministerium „organisierte Plünderung“ vor
Der NRW-Abgeordnete aus Düren spricht von einer „Vorteilsbehandlung“ Bayerns im Verkehrswesen, die „insgesamt ein strategisches Vorgehen“ vermuten lasse und nach den Fernstraßen jetzt auch die vom Verkehrsministerium beaufsichtigte Bahn erreicht habe. Krischer appelliert sogar an Angela Merkel (CDU). Die Bundeskanzlerin müsse der CSU bei einer möglichen Kabinettsumbildung das Ministerium wegnehmen. „Die CSU darf man nicht länger an die größten Fleischtöpfe im Bund lassen“, sagte der Grüne.
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Die Bayern im Vorteil sehen die Grünen nicht nur bei den Brücken. Das von CSU-Ministerpräsident Markus Söder regierte Bundesland schneidet im Eisenbahnbereich generell besser ab. Beispiel Investitionen in die Schienenwege: Den Angaben er Bundesregierung zufolge flossen in den Jahren 2009 bis 2018 rund 2,9 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt allein für die Gleis-Erneuerung nach Bayern – mehr als fünfmal so viel, wie im selben Zeitraum in die Schieneninfrastruktur in NRW investiert wurde.
Beispiel Bahnhöfe: Auch bei der Sanierung von Bahnhöfen räumten die Bayern den Löwenanteil ab. In den vergangenen fünf Jahren modernisierte die Bahn 131 bayrische Bahnhöfe, in NRW hingegen nur 67. Mit 419 Millionen Euro ging auch der höchste Mittelabfluss nach Bayern, es wurden also nicht nur Dorfbahnhöfe modernisiert.
Beispiel Weichen: Deutlich mehr investiert wurde auch in bayrische Weichen. Seit 2014 erneuerte die Bahn in Bayern 1703 Weichen, in NRW 1069. Vorteile für Bayern sehen die Grünen auch bei der Auftragsvergabe der Bahn. 2009 wurden demnach 435 Millionen Euro an bayrische Firmen überwiesen, 2019 waren es etwas mehr als zwei Milliarden.
Land weist Kritik zurück
Das NRW-Verkehrsministerium will der Kritik der Bundestags-Grünen nicht folgen. Die Bahn habe bereits angekündigt, dass NRW neben Bayern Investitionsschwerpunkt sein werde, teilte eine Sprecherin von Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) auf Anfrage mit. Der Mittelzufluss nach NRW solle nochmals deutlich ansteigen – von 1,5 Milliarden Euro in diesem Jahr auf rund zwei Milliarden Euro bis 2024.