Bochum. Die Corona-Krise zwingt die Bochumer Stahlindustrie in die Kurzarbeit. Bei Thyssenkrupp hofft man trotzdem auf die angekündigten Investitionen.
Für das Thyssenkrupp-Werk an der Essener Straße wurde jetzt die Kurzarbeit für rund drei Viertel der rund 1900 Mitarbeiter zunächst bis zum Jahresende verlängert. Wie die Betriebsratsvorsitzende Engin Karakurt erläutert, stockt der Stahlkonzern jedoch das Kurzarbeitergeld auf, so dass den Beschäftigten immer mindestens 80 Prozent ihres Nettogehaltes bleibt.
Nicht alle Firmen stocken Kurzarbeitergeld auf
Während die rund 500 Beschäftigten beim Bochumer Verein Verkehrstechnik bislang noch nicht in Kurzarbeit sind, gibt es bei der Spezialgießerei Doncasters und den Stahlwerken Bochum ebenfalls Kurzarbeit. Hier, so IG Metall-Sekretär Tim Wißen, gebe es jedoch keine Aufstockung seitens der Arbeitgeber. Die Gewerkschaft weiß, dass aufgrund der anhaltenden Corona-Krise fast alle derzeit in Kurzarbeit befindlichen Unternehmen diese bis zum Jahresende verlängert haben.
Die Beschäftigten von Thyssenkrupp-Stahl in Bochum blicken außerdem mit Sorge auf die durch die Corona-Pandemie weiter zugespitzte Krise der Branche. Zur Erinnerung: Nach der geplatzten Stahl-Ehe mit Tata-Steel, drohten Ende vergangenen Jahres empfindliche Einschnitte bei dem schlingernden deutschen Traditionsunternehmen. Gewerkschaft und Konzern hatten sich schließlich auf das „Zukunftspaket Stahl 20-30“ geeinigt. Es verhindert betriebsbedingte Kündigungen bis 2026. Doch gleichzeitig wurde für diesen Zeitraum ein Abbau von bis zu 3000 Stellen beschlossen, einige Standorte sollen geschlossen oder deutlich ausgedünnt werden.
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Planung für Elektromobilität läuft weiter
Konkret für Bochum ist mittelfristig die Schließung des Standortes an der Castroper Straße geplant. Die Produktion von Elektroblechen soll jedoch in Bochum weitergeführt und künftig an der Essener Straße gebündelt werden. Dort sind Millionen-Investitionen zum Aufbau eines Kompetenzzentrums E-Mobilität, inklusiver Hochfest- und Dualphasenstähle, geplant. „Meines Wissens werden diese Pläne trotz der Krise derzeit weiter geführt“, so Engin Karakurt. Ein Konzernsprecher bestätigte am Mittwoch, dass an dem Konzept festgehalten werde. „Es macht nur Sinn, wenn es als Gesamtpaket umgesetzt wird.“
Langfristig nicht mehr benötigt wird allerdings die Bochumer Warmbreitbandstraße. Der Konzern will eine andere Anlage in Duisburg umbauen. Diese soll dann ähnliche Qualitäten walzen können, wie bisher das bisher in Bochum der Fall sei. Dies führt dann allerdings später zur Schließung dieses bisherigen Kernstücks des Werks an der Essener Straße.
Ohnehin schlägt die Krise der Automobilindustrie jetzt mehr und mehr auf die Zulieferer durch. Im Bochumer Warmbandwerk werden derzeit nur bis zu 90.000 Tonnen Stahl im Monat gewalzt. Geplant waren vor der Krise bis 170.000 Tonnen. Auch die Weiterverarbeitung im Kaltwalzwerk und der Feuerverzinkung hat deutlich weniger zu tun. Derzeit laufen unabhängig davon Sozial-Gespräche mit Mitarbeitern aus der Verwaltung am Standort Bochum. Nach WAZ-Informationen haben bereits mehrere Beschäftigte unterzeichnet und scheiden aus dem Betrieb aus.
Von der Landesregierung enttäuscht
Enttäuscht von der NRW-Landesregierung sind der SPD-Landtagsabgeordnete Karsten Rudolph und auch Betriebsratschef Engin Karakurt. Beide hatten sich direkt an Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) gewandt. Dieser bezeichnete bekanntlich Mitte Mai die NRW-Stahlindustrie als „systemrelevant“. Auf eine Antwort aus Düsseldorf warten beide nach eigenen Angaben bislang vergeblich.
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Gemeinsam mit anderen Abgeordneten hatte der Bochumer Landtagsabgeordnete in einer Anfrage wissen wollen, was die Landesregierung genau mit ihrer „Agenda Stahl“ plane. „Die Beschäftigten der Bochumer Stahlindustrie brauchen Klarheit für ihre Zukunft. Angesichts der schwersten Krise der Stahlindustrie muss der Ministerpräsident endlich politische Verantwortung übernehmen.“
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