Bochum. Kompliment an die Fans des VfL Bochum: Bis auf wenige Ausnahmen folgten sie dem Aufruf und blieben dem Stadion beim Geisterspiel am Samstag fern.
Das erste Geisterspiel in der Vereinsgeschichte des VfL Bochum hatte am Samstag zwei Gewinner: das Team des Fußball-Zweitligisten, das gegen den FC Heidenheim einen souveränen 3:0-Sieg verbuchte, sowie die VfL-Fans, die Verantwortung in der Corona-Krise zeigten. Rund ums Vonovia-Ruhrstadion blieb es am Mittag fast schon gespenstig ruhig. Bis auf wenige Ausnahmen folgten die blau-weißen Anhänger dem Aufruf der Behörden und des Klubs und blieben dem "Schmuckkästchen" fern.
"Kommen Sie nicht zum Stadion, es gibt nichts zu sehen", hatten Polizei, Stadt und der VfL noch am Freitag appelliert. Spürbar war die Sorge, dass die strengen Corona-Auflagen missachtet werden und es zu einem Fan-Auflauf vor den geschlossenen Toren kommen könnte.
Bauzäune und "Bochum" ohne Doppelpass
Nichts dergleichen passierte. Die Castroper Straße kurz vor dem Anpfiff: beinahe menschenleer. Die Vereinsgaststätte Haus Frein: dicht. "Bitte 1,50 Meter Abstand halten", mahnt ein Schild am Stadion-Grill am Kirmesplatz. Nicht nötig. Kein hungriger Kunde in Sicht. Ein alter Sponti-Spruch findet einen neuen Dreh: Stell dir vor der VfL spielt und keiner geht hin...
Unwirklich wirkt die Szenerie vor dem Stadion. Zwei Meter hohe Bauzäune versperren weiträumig den Zugang und Blick. Immerhin: Die Plane ist Bochum-blau. Gelbbejackte Ordner starren gelangweilt Löcher in die Luft. Drinnen ertönt wie gewohnt "Bochum". Tief im Weeeesten. Doch niemand singt mit. Irgendjemand hat ein Einsehen und würgt den Klassiker rechtzeitig vor dem "Doppelpass"-Einsatz ab.
Nur wenige Fans sind gekommen
Der Anpfiff Punkt 13 Uhr dürfte bis zur Krümmede zu hören sein. Dumpf, aber vernehmbar dringen die ersten Kommandos der Trainer nach draußen. Vor der Westtribüne steigt Iris Kullmann von ihrem Fahrrad ab. Mit VfL-Jacke, Mundschutz und dem Eiskirch-Shirt "Bochum - Mit Abstand am besten" hat sich die Bochumerin aufgemacht, um zu schauen, "was am Stadion los ist".
Nichts ist los. Weniger als ein Dutzend Fans sind gekommen. Einige haben ein Radio dabei, "Günther Pohl hören, wenn man schon nichts sehen kann", sagt Fred und schaut traurig drein: "Echt trostlos hier. Ich hau' gleich wieder ab."
Platzbegrenzung in der "Ritterburg"
Eine Spielfeldlänge entfernt ist die Stimmung zunächst kaum besser. In der "Ritterburg", VfL-Hoch- und Trutzburg gefühlt seit Vereinsgründung, wird das komplette Spiel live auf Sky gezeigt. Frei empfangbar ist beim Bezahlsender nur die Zweitliga-Konferenz. 50 Sitzplätze durfte Wirt Martin Hartmann vergeben. "Mindestabstand, Sie wissen ja."
Stammgäste wurden bevorzugt berücksichtigt. So wie Uwe Lingener. Der 61-Jährige ist ehrenamtlicher Behindertenbetreuer, begleitet Menschen mit Handicap im Stadion. Die Auswärtsspiele guckt er in der "Ritterburg". Nur heute nicht. Da sitzt er erstmals auch bei einem Heimspiel in der Kneipe. Seine Augen verraten: ein Scheißgefühl. Viel lieber wäre er drüben, gerade jetzt, wo das 1:0 von Toto Losilla umjubelt und begossen wird. "Für die behinderten Fans tut's mir besonders leid."
Mäßiger Besuch im Dreieck
Für "Quatsch" hält Uwe Lingener die Geisterspiele. "Aber sonst gibt's ja keine Kohle." Einige Blau-Weiße sehen es offenbar ähnlich. "Bochum-Fans gegen Geisterspiele!!!", prangt in weißen Großbuchstaben auf dem blauen Absperrzaun entlang der Castroper Straße.
Verfolgt haben dürften viele Fans den Neustart ihres Lieblingsvereins nach der Zwangspause dennoch. Allerdings kaum im Bermudadreieck. Wo Fußball gezeigt wird, ist das Gästeaufkommen übersichtlich. Und das nicht nur wegen Corona. Auch mancher Tisch, der besetzt werden dürfte, bleibt leer.
Wer mitfiebert, freut sich gleichwohl über den Sieg. "Das war wichtig", sagt Achim Petermann (28) nach Abpfiff im "Three Sixty" und nimmt einen kräftigen Schluck Bier. "Prost auf den Sieg! Auf dass dieser ganze Wahnsinn bald vorbei ist."