Bochum. Für die Schausteller in Bochum bedeutet die Corona-Krise den Totalausfall. Einige Familien nehmen den Kampf auf – mit Brötchen und Reibekuchen.

Die Schausteller in Bochum sehen sich durch die Corona-Krise in ihrer Existenz bedroht. "Es geht ums Überleben", sagt Nik Schultze (51), der mit seinem Imbissbetrieb und Kinderkarussell den Ausfall des kompletten Jahresgeschäftes befürchten muss. Wie auch andere Kollegen hat er deshalb "etwas getan, das wir noch nie getan haben": Am Firmensitz in Riemke verkaufen die Schultzes ihre Pizzabrötchen jetzt an der Straße.

Am 23. Dezember 2019 endete der Weihnachtsmarkt in der Bochumer Innenstadt. Es war der letzte Tag, an dem bei Nik Schultze, seinem Sohn Maximilian (27) und Senior-Chefin Rosemarie Kohlwes (79) die Kasse klingelte. So wie bei Andreas Petter (54), der in sechster Generation einen Imbiss- und Ausschankbetrieb führt. So wie bei Bernhard Prinz, mit 79 Jahren Urgestein der Bochumer Schausteller.

Seit Weihnachten herrscht Ebbe bei den Schaustellern

Seit nunmehr vier Monaten herrscht Ebbe. Corona zwingt das fahrende Gewerbe zum Stillstand. Vollbremsung. Vollkatastrophe.

"Unsere Saison hätte jetzt begonnen. Das Wetter wäre traumhaft", sagt Nik Schultze. Hätte. Wäre. Die Wahrheit ist: Sämtliche Jahrmärkte sind abgesagt. Osterkirmes, Maiabendfest, Palmkirmes Recklinghausen, kleinere Stadtfeste ebenso wie die fetten Umsatzbringer Rheinkirmes und Crange. Schluss mit lustig. Mindestens bis 31. August. Und das bereits jetzt verkündete Aus für das Münchner Oktoberfest lässt die Schausteller bangen, dass auch der Herbst ins Wasser fällt - und damit der angepeilte Nachholtermin für Crange im Oktober.

Pizzabrötchen am Straßenrand

Durchhalten ist angesagt. Die Branche hofft auf Staatshilfen, wie sie Schausteller-Präsident Albert Ritter dringend einfordert. Von "Berufsverbot" spricht Ritter, vom nahenden Ende eines Kulturgutes mit bundesweit 5000 Betrieben und 55.000 Mitarbeitern. Bernhard Prinz bestätigt: "Wer keine Rücklagen hat und laufende Verpflichtungen bedienen muss, ist schwer gefährdet. Das kann schnell in den Konkurs führen."

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Dagegen stemmen sich Bochumer Schaustellerfamilien. Zwar sei es "eher eine Verzweiflungstat", sagen Nik und Maximilian Schultze. Dennoch haben sie letzte Woche einen ihrer schmucken Verkaufswagen aus der Lagerhalle Am Gartenkamp an den Straßenrand gerollt. Täglich von 14 bis 20 Uhr backen sie hier ihre vom Weihnachtsmarkt bekannten Pizzabrötchen für den Außer-Haus-Verkauf; fünf pro Portion, gefüllt u.a. mit Thunfisch oder Schinken.

Reibekuchen zum Mitnehmen

Andreas Peter, Vorsitzender des Bochumer Schaustellervereins, folgt dem Beispiel. Neuerdings verkauft er Reibekuchen auf seinem Betriebshof an der Cruismannstraße; drei pro Portion, freitags und samstags, als heiße Ware gleichfalls zum Mitnehmen.

Glitzernd-bunte Kirmeswagen in trister Gewerbekulisse: Sinnbild für die zunehmende Verzweiflung eines Gewerbes, das sich in normalen Zeiten dem Spaß seiner Kunden verpflichtet fühlt.

Weihnachtsmarkt als Hoffnungsträger

Die Hoffnungen richten sich auf November und Dezember, auf den Bochumer Weihnachtsmarkt. Ein Ausfall der fünf Festwochen, so heißt es, wäre "der absolute Tiefschlag", womöglich der letzte. Die Bochum Marketing GmbH als Veranstalter lässt die Zuversicht leben. "Die Vorbereitungen laufen trotz Corona zunächst ganz normal weiter. Wir müssen ja planen", sagt BO-Marketing-Sprecher Christian Gerlig auf WAZ-Anfrage. Um Sicherheit für beide Seiten zu schaffen, gebe es in den Verträgen allerdings eine Exit-Option - für den Fall, dass die Krise andauert und der Weihnachtsmarkt abgesagt werden muss.

Spätestens dann wäre für manche Schausteller trotz Pizzabrötchen und Reibekuchen der Ofen aus.

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