Wie übersteht der Fachhandel in Bochum die Corona-Krise? Die WAZ hat sich in vier Innenstadt-Geschäften umgeschaut, die wieder öffnen durften.

Seit ein paar Tagen dürfen kleinere Geschäfte wieder öffnen, neben den großen „Tankern“ wie Baltz, Saturn & Co. machen gerade sie den Reiz der Einkaufs- und Erlebnisstadt Bochum aus. Wie übersteht der Fachhandel die Corona-Krise? Die WAZ hat sich in vier Geschäften aus vier unterschiedlichen Sparten in der Innenstadt umgeschaut.

Bücherverkauf durchs Kläppchen

Ah, Kundschaft! Carola Mirhoff kommt sich in ihrer Buchhandlung in der Pieperstraße zurzeit ein bisschen so vor wie „anne Bude“: Vieles an Lesestoff reicht sie durch einen „Bücherausschank“ nach Draußen. Möglich macht’s ein Erdgeschoss-Fenster, vor dem die Kunden bisweilen Schlange stehen.

Zwar ist der Laden auch geöffnet, immer zwei Kunden dürfen gleichzeitig rein, aber viele wählen eben auch den anderen Weg. „Das ist ein bisschen so wie in den Ruhrgebietslokalen früher“, schmunzelt Mirhoff. „Da konnte man sein Bier ja durch ein Kläppchen bekommen.“

Gewissenhafter Umgang mit der Situation

Von der Corona-Krise hat die Buchhändlerin bislang nichts gespürt: „Bei uns brummt das Geschäft“, sagt Mirhoff. Die neue Situation bedeute trotzdem einen „Lernprozess“, für sie und ihr Team ebenso wie für die Kunden. „Wir haben einen gewissenhafter Umgang mit der Situation gefunden“, sagt die Händlerin.

Immer nur zwei Personen lässt sie zum Stöbern ‘rein, die Tür zum Buchladen wird vom Personal geöffnet, Mundschutz und Desinfektionsmittel stehen bereit. „Und wer nur abholen und bezahlen möchte, tut das gern weiter am Fenster“, sagt Mirhoff. Zudem entzerre dieses Procedere das Warten an der Tür ungemein.

Nicht nur Bücher sind gefragt

Nicht nur Bücher würden nachgefragt, sondern vor allem auch Puzzles, Gesellschaftsspiele und Rätselhefte. „Manche Kunden fotografieren unser Schaufenster und rufen dann am nächsten Tag an, sie hätten gern das Buch ganz oben links oder das in der Mitte“, weiß Mirhoff.

Dass offenbar verstärkt gelesen wird, wundert die erfahrene Buchhändlerin nicht: „Die Leute haben jetzt sehr viel Zeit, das wird gern zum Buch gegriffen.“ Tatsächlich gehört Albert Camus‘ Seuchen-Roman „Die Pest“ auch in der Buchhandlung Mirhoff & Fischer zu den aktuell gefragtesten Artikeln.

Kaffee gibt's nur "to go"

Ein paar hunderte Meter weiter, auf dem Boulevard, ist gerade nicht so viel los. Silvia Basha hält ihr Caffèlito-Café im alten Stadtwerkehaus täglich von 10 bis 15 Uhr offen, erlaubt ist aber nur außer Haus-Verkauf, Sitzplätze sind tabu. „Die Menschen sind eingestimmt auf Corona“, sagt die Inhaberin, die wegen Abstandsregeln und Kontaktgebot nicht viel erklären muss: „Die Leute wissen, wie sie sich verantwortungsvoll verhalten.“

Viel weniger Laufkundschaft

Was das Geschäftliche angeht, sei die momentane Situation nicht mit dem üblichen Betrieb zu vergleichen. „Die Innenstadt ist merklich leerer, Stammkunden kommen nur sporadisch, und die Laufkundschaft fehlt völlig“, sagt Basha. Warten auf bessere Zeiten… Dabei ist der Kaffee im Caffèlito nach wie vor ein Genuss.

Beratung nach Voranmeldung

Auf 70 Quadratmetern führt Oliver Stang das eingesessene Schmuckgeschäft Stang an der unteren Kortumstraße. Hier ist man auf Trauringe spezialisiert, und nachdem wieder geöffnet werden darf, führt Stang auch wieder viele Beratungsgespräche.

„Wir haben generell wenig Laufkundschaft und können mit unseren Kunden Termine telefonisch absprechen“, sagt er. Beim Verkaufs-/Beratungsgespräch im Laden trennt eine Plexiglasscheibe den Juwelier von seinen Kunden, auch trägt Oliver Stang Handschuhe und Maske, was er seinen Kunden ebenfalls anbietet: „Den Mundschutz habe ich privat beim Fachhandel bestellt, und zwar schon vor längerer Zeit.“

Gut vorbereitet auf die Krise

Er habe sich gut auf die Corona-Krise vorbereitet, entsprechend reibungslos laufe der Betrieb weiter. Eines ist aber doch anders: der Umsatz ist eingebrochen, die zwangsweise Schließung vom 18. März bis 20. April habe eine „große Lücke“ geschlagen, die wohl nicht mehr gefüllt werden kann.

"Mehr Belebung in der Stadt wäre schön"

Fast fünf Wochen „außer Dienst“ waren gezwungenermaßen auch Claudia und Markus Müller vom Fachgeschäft „La Tavola“ in der Schützenbahn. Auch hier geht seit Montag der Betrieb wieder normal weiter, na ja: fast normal. „Es kommen viel weniger Kunden als sonst, die Stadt ist ja auch viel leerer“, sagt Markus Müller. Er hofft darauf, dass bald große Geschäfte wie Baltz Moden wieder öffnen: „Das ist ein Frequenzbringer, und das wird zu mehr Belebung führen, die auch wir spüren werden.“

Online-Nachfrage ist gestiegen

Bis es soweit ist, machen die Müllers das Beste aus der Situation. Auch hier liegen Masken und Desinfektionsmittel aus, auch hier gibt es Abstandhalter auf dem Boden und eine Plexiglas-Spuckschutz im Kassenbereich. Und doch hat „La Tavola“ von Corona auch profitiert: „Unsere Internet-Umsätze sind hochgeschossen“, sagt Müller, „eben habe ich 18 Versandpakete per Lieferdienst auf den Weg gebracht.“

Der Online-Bereich ist in dem auf Maßtischdecken und hochwertige Wohnaccessoires spezialisiertem Fachgeschäft schon länger eine feste Größe, aber der Shutdown hat nochmal für einen Nachfrage-Schub gesorgt.

>>> Info: Verhaltener Andrang

Erstmals nach mehr als vier Wochen haben viele Geschäften in Bochum seit dem 20. April wieder geöffnet. Das Interesse der Kunden am Einkauf ist da – aber verhalten.

Auf der Kortumstraße und in der Innenstadt sind zwar so viele Passanten wie schon lange nicht mehr unterwegs. Von einem Ansturm auf die Läden nach dem mehr als vierwöchigen Shutdown kann aber keine Rede sein.

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