Bochum. Am 10. April 1945 rückte die US-Army in Bochum ein. Panzer rollten über die Herner Straße. Der Krieg war aus, aber das Leiden noch nicht zu.Ende.
Offiziell endete der Zweite Weltkrieg mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945. Für die Menschen in Bochum war das Grauen schon einen Monat früher vorbei. Am 10. April 1945 rückte die US-Army ein und befreite die Stadt vom Joch des Nationalsozialismus.
Nur noch wenige Zeitzeugen
Dieser Tage vor 75 Jahren also. Es leben nur noch Wenige, die sich an dieses besondere Datum erinnern. Erwin Steden, Bochumer Urgestein und Ex-Stadionsprecher beim VfL, war damals elf Jahre; er hat den Apriltag von damals nicht vergessen: „Die Amis kamen mit Panzern und Lastwagen die Herner Straße herunter. Wir standen in Höhe der Bergschule und sahen dem Spektakel zu.“
Zeitenwende war angebrochen
Mit dem Auftauchen der Sherman-Tanks und fremden Soldaten war dem Letzten klar geworden, dass eine Zeitenwende angebrochen war. Für die meisten Bochumer war es eine Erlösung, als „die Amis kamen“, wie Steden es formuliert, und Bürgermeister Dr. Geyer ihnen die Stadt übergab. Die hohen Parteifunktionäre der NSDAP, die gestern noch die Kommandogewalt hatten, waren geflohen; auch der NS-Oberbürgermeister Friedrich Hesseldieck hatte sich abgesetzt.
Filmaufnahmen existieren nicht
Die US-Armee kam in eine zerstörte Stadt. Aufnahmen, weder Filme noch Fotos, gibt es davon nicht. „Es gab damals kaum noch eine Kamera und kein Filmmaterial“, weiß Markus Lutter vom städtischen Bildarchiv. Was dagegen gut dokumentiert ist, sind die Trümmerlandschaften. „Fünf Millionen Kubikmeter Schutt bedeckten das Bochumer Stadtgebiet, mehr als 60 % aller Wohnung waren vernichtet“, schreibt der langjährige Stadtarchivar Johannes Wagner in seinem Standardwerk „Hakenkreuz über Bochum“.
Britischer Militärkommandant übernimmt
Da Bochum in der britischen Besatzungszone lag, übernahm nur wenige Tage später der englische Militärkommandant die Aufgabe, die Verwaltung und das öffentliche Leben wieder in Gang zu bringen und für Ruhe und Sicherheit zu sorgen. „Als erstes wurde eine Ausgangssperre von 19 bis 7 Uhr erlassen“, erinnert sich Erwin Steden. „Bereits am 16. April stellte der britische Stadtkommandant wieder einen deutschen Fachmann an die Spitze der Stadtverwaltung, den damals dienstältesten Dezernenten, Rechtsrat Ferdinand Bahlmann“, weiß Ex-Stadtarchivar Wagner. Am 1. Juli 1945 übernahm schließlich Franz Geyer die Amtsgeschäfte als amtierender Bochumer Oberbürgermeister.
Ein Leben im Zusammenbruch
Das Leben vor 75 Jahren war ein Leben im Zusammenbruch, es bedeutete für sehr Viele den Verlust von Obdach und Privatsphäre, es fehlte an Nahrung, Kleidung, Heizmaterial und Medikamenten. Der Ausfall des Schulunterrichts und ungeregelte Arbeitsverhältnisse waren Alltag. „Wir Jungens mussten jeden Morgen an der Feldsieper Schule antreten“, erinnert sich Erwin Steden an die späte Kriegszeit. Allerdings nicht, um zu lernen: „Wir wurden auf die Felder und in die Gärten geschickt, um Kartoffelkäfer von den Pflanzen zu sammeln.“ Für Brot wurde angestanden; der zehnjährige Erwin wartete, mit den Lebensmittelmarken seiner Familie, stundenlang auf die zugeteilte Brotration: „Vor der Bäckerei Schmidtmeier am Moltkeplatz haben wir gestanden.“
Im "Ruhrkessel" eingeschlossen
Das militärische Ende des Krieges in Bochum und in Westfalen hatte am 23./24. März 1945 mit dem Rhein-Übergang von britische und US-amerikanische Truppen bei Wesel begonnen. Durch den Vormarsch nach Osten wurden mehrere Millionen Menschen im sogenannten „Ruhrkessel“ eingeschlossen.
Mit dem letzten Aufgebot
Das deutsche Verteidigungssystem, bestehend aus einer löcherigen Linie von Panzergräben, Straßensperren und Stützpunkten, erwies sich gegen die militärische Übermacht der Alliierten als völlig wirkungslos. Es stützte sich mit dem „Volkssturm“ auf ein letztes Aufgebot: „Alte Männer und halbe Kinder wurden auf dem Sportplatz an der Vierhausstraße ausgerüstet, um sich um sich den Angreifern entgegenzustellen“, hatte Steden beobachtet. Sie büßten ihre Kampfunerfahrenheit allzu oft mit einem sinnlosen Tod ein.
Schokolade für die Kinder
Das währte bis zum 10. April. Obwohl es vom NS-Regime strikt verboten worden war, empfingen auch in Bochum weiße Fahnen die einrückenden Alliierten. Aus Bettwäsche, Handtüchern, Hemden gefertigt, galten sie als das sicherste Mittel, um feindlichem Beschuss zu entgehen. „Sobald wir von der Nachricht hörten, sind wir die Herner Straße hochgelaufen, um die Soldaten zu sehen. Über die B 1 kommend, drehten sie nach Bochum ein“, schildert Steden. Angst vor den fremden Truppen hätten die Bochumer Kinder nicht gehabt. Neugierige Annäherungsversuche: „Wir waren aufgeregt, und tatsächlich war es so, dass die Soldaten uns Schokolade von den Panzern 'runterwarfen.“
Es ging um das nackte Überleben
Auch wenn mit dem Einmarsch der Amerikaner der Tod als ständiger Begleiter des Bochumer Lebens (Luftkrieg!) wegfiel - die Sicherung des nackten Überlebens blieb noch lange die wichtigste Maxime. Die Befreiung war im April 45 gekommen, aber die Entbehrungen der nächsten Monate und der „Hungerwinter“ 1946/47 standen den Bochumern noch bevor.
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>>> Info: Brücke von Remagen
Die Einnahme des Ruhrgebiets war überhaupt nur möglich geworden, weil den Alliierten eine strategisch bedeutsame Eroberung gelang.
Am 7. März 1945 meldete die US-Armee die Einnahme eines unbeschädigten Rheinüberganges knapp 20 Kilometer südlich von Bonn: die Brücke von Remagen.
Dort warten dann zehntausende US-Soldaten auf den Befehl zum weiteren Vormarsch. Erst ins Ruhrgebiet, dann bis zur Elbe.