Bochum-Hofstede. Die Bochumerin Marie Enders widmet sich in ihrer Masterarbeit dem Thema Trinkhallen. Sie fordert, Buden zum immateriellen Kulturerbe zu machen.
Wer kennt das nicht: Nach der Schule heimlich zur Bude, um eine gemischte Tüte zu kaufen. Aber bitte ohne Schaumgummi und mit vielen sauren Zungen – so zumindest, wenn es nach Marie Enders geht. Die Architekturstudentin hat dem Thema Trinkhalle ihre Masterarbeit gewidmet und gefragt: „Sind vor der gemischten Tüte alle gleich?“ Die kurze Antwort: „Ja! Jeder kann zur Bude gehen“, sagt die 25-Jährige. Eine ausführlichere Antwort gibt eine Ausstellung – so bunt wie eine gemischte Tüte – in Hofstede, die bis Ende März an der Braunsberger Straße in Bochum-Hofstede, direkt neben einer Trinkhalle, zu sehen ist.
Bochumer Studentin forscht über die Geschichte der Trinkhallen – und macht spannende Entdeckungen
Dafür baute Marie Enders nicht nur eine Kioskschwelle nach, sondern sie erzählt auch die Geschichte der Kioske und hat Karten mit Trinkhallen-Hotspots erstellt. „Ursprünglich kommen Kioske aus indischen und persischen Gärten“, erklärt Enders. Studiert hat sie in Aachen, aufgewachsen ist sie aber im Ruhrgebiet. „Wenn ich an der Uni gebeten werde, meine Heimat zu beschreiben, dann gehören Trinkhallen für mich einfach dazu“, so die Studentin. Sie seien nicht schön oder ästhetisch, eher schäbig und roh – aber genau deshalb so interessant.
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„Trinkhallen sind Zeitzeugen aus alten Tagen. Sie sind nicht nur Treffpunkt, sondern waren früher auch Weltempfänger – zum Beispiel beim Wunder von Bern“, erklärt Marie Enders. Mit dem Budensterben könnte eine Mentalität verloren gehen, fürchtet sie. Enders hat daher beim Land Nordrhein-Westfalen einen Antrag gestellt, Trinkhallen in das immaterielle Kulturerbe aufzunehmen. Eine erste Rückmeldung erwartet sie im April, die endgültige Entscheidung dürfte wohl aber Jahre dauern.
In Trinkhallen wurde bei weitem nicht nur Alkohol gekauft
Ihrer Meinung nach verhält sich das Bauhüttenwesen – welches bereits immaterielles Kulturerbe ist – zum Dombau so, wie die Trinkhallen zu Zechen. „Auch wenn man Trinkhallen heute oft mit Alkoholkonsum verbindet, dienten sie einst der Mineralwasserversorgung von Stahlhüttenarbeitern“, sagt Reinaldo Coddou. Der Fotograf hat einen Bildband mit mehr als 200 Trinkhallen aus dem Ruhrgebiet herausgegeben, Teile davon sind auch in Hofstede ausgestellt. „Meine Lieblingskioske sind die Blaue Bude in Duisburg und ein Klinkerbau in Oberhausen“, sagt er.
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Der Charme bestehe in der Herzlichkeit der Budenbesitzer, findet Reinaldo Coddou und erinnert sich an literweise Kaffee während der Bildarbeiten. Oft habe er gehört, dass die Kinder, die vor Jahrzehnten zum Kiosk kamen, heute erwachsen sind und ihre eigenen Kinder zur Trinkhalle schicken. „Eine hohe soziale Signifikanz also“, sagt er.
Prämiert und gefördert
Die Ausstellung befindet sich an der Braunsbergerstraße 13a. Sie ist freitags bis sonntags in der Zeit von 11 bis 16 Uhr geöffnet, der Eintritt ist frei.
Die Ausstellung wird von der Publikation „Third Place Trinkhalle – Trinkhallenkultur im Ruhrgebiet lesen lernen“ begleitet. Das prämierte Projekt wird im Rahmen des Stadtteilwettbewerbs von Bochum Marketing gefördert.
Marie Enders hat vor allem drei Trinkhallen immer wieder besucht und beobachtet: Borsigplatz in Dortmund, Ruhrort Duisburg und Hofstede in Bochum. „Trinkhallen haben eine unterschiedliche Typologie“, hat sie dabei herausgefunden. Das macht die angehende Architektin nicht nur an verschiedenen Fensterfronten fest, sondern auch daran, wie gefährdet die Trinkhalle davon ist, auszusterben. Vielleicht – so gefiele es Enders bestimmt – motiviert ihre Ausstellung den einen oder anderen zu einer gemischten Tüte an der Bude. Ganz egal, ob mit oder ohne Lakritz.
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