Bochum. Da ist die Freude am Schauspielhaus groß: Für ihre „Penthesilea“ wird Sandra Hüller ausgezeichnet. Viele Fans hat sie längst auch in Bochum.

Besser könnte die neue Spielzeit am Schauspielhaus nicht beginnen: Kaum aus der Sommerpause zurück, erreicht das Theater eine Nachricht, die stolz macht. Für ihre Darstellung der „Penthesilea“ in der Regie von Johan Simons wird Ensemblemitglied Sandra Hüller zur „Schauspielerin des Jahres“ gekürt. Dies entschied das Fachblatt „Theater heute“ bei seiner jährlichen Umfrage unter 44 Theaterkritikern aus ganz Deutschland (siehe auch Bericht auf der Kulturseite im Mantelteil).

Die 41-jährige Thüringerin gehört seit Beginn der Intendanz von Johan Simons zum Ensemble des Schauspielhauses. Ein Ruf wie Donnerhall eilte ihr voraus: Denn dass es Simons gelingen würde, die gefeierte Hüller neben prominenten Kollegen wie Jens Harzer und Steven Scharf an die Königsallee zu holen, ließ die Theaterfans merklich aufhorchen – und es dauerte nur wenige Wochen, bis Hüller den Bochumern erste Kostproben ihres Ausnahmetalents zeigen konnte. Welch ein Glück!

Liebesduett für zwei große Darsteller

Heinrich von Kleists „Penthesilea“ wurde im Schauspielhaus zu einem Liebesduett und zu einem überwältigend schlichten Abend – reduziert auf zwei begnadete Darsteller: Hüller und Harzer lieferten Theater in Reinkultur, dem das höchst aufmerksame Publikum über zwei Stunden lang mit scheinbar atemloser Konzentration folgte. Johan Simons rückte das Drama in merklich düsteres Licht. Nur ein weißer Kasten im Bühnenboden ließ überhaupt zu, dass man die Schauspieler auf der ansonsten pechschwarzen Bühne erkennt. Dafür leuchtete Kleists spröde und doch so wohlklingende Sprache umso heller. Dass dieser hochklassigen Inszenierung eine Einladung zum renommierten Berliner Theatertreffen verwehrt blieb: Nicht wenige im Schauspielhaus registrierten dies mit einem Kopfschütteln.

Mit Intendant Johan Simons verbindet Sandra Hüller eine langjährige Zusammenarbeit: erst in München, danach in Bochum.
Mit Intendant Johan Simons verbindet Sandra Hüller eine langjährige Zusammenarbeit: erst in München, danach in Bochum. © dpa | Caroline Seidel

„Hamlet“ mit Mikroports

Neben allem Lob für die darstellerische Klasse gab es auch Kritik: Manche Besucher beklagten, Hüllers Stimme sei „zu dünn“ für das Große Haus. Ihr leichtes Lispeln kann mittlerweile durchaus als Markenzeichen durchgehen. Womöglich ist dies ein Grund dafür, dass Simons seinen „Hamlet“ einige Monate später ebenfalls mit Sandra Hüller in der Hauptrolle mit Mikroports spielen ließ.

Irrwitzige Solo-Show mit viel Musik

Doch Sandra Hüller kann auch lauter: Für ihre irrwitzige Solo-Show „Bilder deiner großen Liebe“ in der Regie von Tom Schneider wurde sie in den Kammerspielen gefeiert. Die Produktion des Theaters Neumarkt in Zürich kam als Gastspiel an die Königsallee. Nach dem Roman von Wolfgang Herrndorf gab Hüller darin die 14-jährige Isa: Mit einem wilden, ungestümen Mix aus szenischer Lesung, Rockkonzert und packender Performance tauchte Hüller tief hinab in die Hirngespinste dieses jungen Mädchens – mit Verve begleitet von zwei Musikern.

Sandra Hüller probt gerade in Leipzig

Ob bei der frischgebackenen „Schauspielerin des Jahres“ heuer die Sektkorken knallen, ist leider nicht bekannt. Sandra Hüller probt gerade mit dem Team aus „Bilder deiner großen Liebe“ in Leipzig und war für einen Glückwunsch am Handy nicht zu erreichen. „Die Hydra“ nach einem Text von Heiner Müller wird ab 11. Oktober in den Kammerspielen zu sehen sein. Vielleicht hat sie mittlerweile auch etwas Routine entwickelt: Denn nach 2010 und 2013 erhält sie die Auszeichnung von „Theater heute“ bereits zum dritten Mal.