Bochum. . „Bilder deiner großen Liebe“ wird in den Kammerspielen zum wilden Mix aus Performance und Konzert. Star-Schauspielerin Hüller trumpft groß auf.
Seit Filmen wie „Requiem“ und der oscarnominierten Komödie „Toni Erdmann“ gehört Sandra Hüller zu den führenden Schauspielerinnen des Landes. Sie wird mit Kritikerlob überhäuft, räumt einen Filmpreis nach dem nächsten ab und ist Mitglied im erlesenen Kreis der Akademie der Künste.
Dass die vielbeschäftigte Star-Aktrice seit dieser Spielzeit zudem Ensemblemitglied am Schauspielhaus ist, darf man als großes Glück bezeichnen. In „Penthesilea“ gab sie ihr gefeiertes Bochumer Debüt, jetzt legt die 40-Jährige nach: Die große Sandra-Hüller-Show „Bilder deiner großen Liebe“ wird als Glanzstunde in die Geschichte der Kammerspiele eingehen.
Isa ist eine Figur aus Herrndorfs Roman „Tschick“
Die Vorlage stammt von Wolfgang Herrndorf, dessen Roman „Tschick“ mittlerweile zu den modernen Klassikern zählt. Wie der 14-jährige Maik und sein russischer Kumpel Tschick darin einen Sommer lang in einem geklauten Lada durch die ostdeutsche Provinz kurven, rührt Leser, Kino- und Theatergänger.
Als Herrndorf 2013 den Kampf gegen den Hirntumor aufgab, hinterließ er einen weiteren, weitaus düstereren Text: „Bilder deiner großen Liebe“ erzählt von Isa, dem aufmüpfigen Mädchen von der Müllkippe, dem Maik und Tschick begegnen.
Ganz ähnlich wie ihre beiden Freunde streift auch Isa durch ein merkwürdiges Deutschland, wobei man in ihren Beschreibungen nie genau weiß, was Wahrheit ist, was Wahn und was Träumerei.
„Bilder deiner großen Liebe“ wird von den Theatern geliebt
Sandra Hüller spielt nächstes Jahr den „Hamlet“
Sandra Hüller wurde 1978 in Suhl geboren. Sie lebt in Leipzig. Von 1996 bis 2000 studierte sie an der Hochschule Ernst Busch in Berlin. Sie war festes Ensemblemitglied in Basel und München.
2010 und 2013 wurde sie von „Theater heute“ zur Schauspielerin des Jahres gekürt. Ab 15. Juni spielt sie den „Hamlet“ in der Inszenierung von Johan Simons. Darauf darf man sich freuen.
Vorbei an Feldern, Wäldern, Bushaltestellen und Friedhöfen taumelt das Mädchen fiebrig, gehetzt und getrieben durch die Gegend. Isa erzählt von Treue und Gewalt, dem Dasein und dem Weltall und sagt Sätze wie „Das Glück macht niemals so glücklich wie das Unglück unglücklich macht.“
Nach „Tschick“ wird auch „Bilder deiner großen Liebe“ von den Theatern geliebt, weil die so altkluge wie störrische Isa großartiges Schauspielfutter bietet. Am Prinz-Regent-Theater waren es 2016 gleich drei Isas, die der Figur Stimme und Gestalt gaben.
Wilder Mix aus Lesung und Konzert
Im selben Jahr brachte auch Sandra Hüller am Züricher Theater Neumarkt ihre Bühnenfassung heraus: Mit einem wilden, ungestümen Mix aus szenischer Lesung, Rockkonzert und packender Performance taucht sie tief hinab in die Hirngespinste dieses jungen Mädchens und schält aus dem abgründigen Text einen berauschenden Abend.
Auch wer die Romanvorlage nicht kennt, kann sich mitreißen lassen von einem gewaltigen Strom aus wilden Assoziationen, zuckendem Licht und viel Musik. Dass Hüller locker 25 Jahre älter ist als ihre Figur, stört fast gar nicht.
Sandra Hüller ist stimmgewaltig und hemmungslos
Begleitet und voran getrieben wird sie dabei von zwei Musikern: Moritz Bossmann (Gitarre) und Sandro Tajouri (Schlagzeug) lassen es teils kräftig krachen und unterlegen Isas Odyssee mit einem fulminanten Klangteppich. Trotz dieser musikalischen Kraft verliert man nie den Kontakt zu Isas Erlebnissen.
Alles in Isas Welt ist zerbrechlich, in ihren einsamen Wanderungen durch die Nacht sind die Sterne ihre einzigen Verbündeten. Sandra Hüller, manchmal Entertainerin, dann wieder empfindsames Kind, meistert diese komplizierte Darstellung so stimmgewaltig wie hemmungslos.
Am Ende des rund 80-minütigen Abends gibt es riesigen Jubel in den fast ausverkauften Kammerspielen. Wer auf großes, manchmal fast schon angeberisch gutes Schauspielertheater steht, sollte sich das nicht entgehen lassen.