Bochum. . Johan Simons’ Kleist-Abend wird gelobt, doch erscheint manchem die Artikulation der Hauptdarstellerin als zu „dünn“. Aber trifft diese Kritik zu?
Mit „Penthesilea“ hat Johan Simons gleich zu Beginn seiner Bochumer Intendanz ein dickes Ausrufezeichen in den Bühnenboden gerammt. Das auf zwei Personen – Sandra Hüller als Amazonenkönigin, Jens Harzer als Achilles – eingekochte Schreckensdrama ist eine Übernahme der Salzburger Festspiele, wurde dort im Sommer groß gefeiert und avanciert nun auch hierzulande zum Publikums-Hit. Es gibt aus Dispositionsgründen, Jens Harzer ist Ensemblemitglied am Hamburger Thalia-Theater, nur wenige Aufführungen, und die sind meist ausverkauft – auch die am morgigen Samstag. Die Inszenierung hat viel Lob eingeheimst, doch regt sich auch Kritik an dieser Kleist-Aufführung, die das Publikum bewusst fordern will.
Diese Herausforderung ist in erster Linie künstlerisch-dramaturgischer Art, denn das komplexe, blutgetränkte Schauspiel wird mit nur zwei Personen auf fast leerer Bühne aufgefächert, was man durchaus ambitioniert nennen kann. Mancher hat aber ganz anders gelagerte Probleme, nämlich, dem Bühnengeschehen überhaupt konzentriert zu folgen. Die WAZ erreichten verschiedene Zuschriften von Theaterbesuchern. Sie beklagen, dass Sandra Hüllers Stimme zu „dünn“ sei für das Große Haus, sie mithin kaum zu verstehen sei.
Vorstellungen erst wieder im neuen Jahr
„Penthesilea“ von Heinrich von Kleist wird in einer Textfassung von Vasco Boenisch gezeigt, Aufführungsdauer zwei Stunden ohne Pause.
Die nächsten Vorstellungen gibt es erst wieder im neuen Jahr. Spieltermine am 31. Januar, 2., 23. und 24. Februar, 7., 8. und 24. März 2019.
Vorverkauf an der Theaterkasse unter 0234/33 33 55 55.
„Wir sahen die Vorstellung oben vom Balkon aus. Sandra Hüller sprach ohne erkennbar ambitionierte Stimme, piepsig vorgetragen, dass ihr Part nur durch die englisch angeschlagene, zu übersetzende Überschrift zu ertragen war“, mokiert sich eine Besucherin. Ein anderer Leser schreibt: „Die Sprache Kleists war eher über die eingeblendete Übersetzung zu verstehen als durch die reale Sprachgestaltung vor allem der Hauptdarstellerin.“ Und ein dritter meint: „Während Jens Harzers Sprache wunderbar den Raum füllte, blieb Sandra Hüller, besonders in ihren Schrei-Exzessen, meist unverständlich, eine Sünde an Kleists ohnehin vertrackter Verssprache.“
Schauspielhaus nimmt Einwände ernst
Die WAZ konfrontierte das Schauspielhaus mit den Einwänden. „Mit Sandra Hüller und Jens Harzer treffen zwei unterschiedliche Künstler aufeinander, die auf jeweils eigene Art dem Kleist’schen Text und der Kleist’schen Gefühlswelt Ausdruck verleihen“, erläutert Chefdramaturg Vasco Boenisch. Im Aufeinandertreffen der beiden Schauspiel-Persönlichkeiten liege ein Reiz der Aufführung, wobei gerade Hüllers Spiel sowohl durch die moderne Textinterpretation als auch durch die starke Körperlichkeit berühre.
„Sie treffen direkt ins Herz oder auch ins Mark, wodurch Momente entstehen, in denen das gesprochene Wort nicht immer akustisch verständlich ist, wohl aber die Motivation, die Kraft und die Gefühle begreiflich werden, die die Figur Penthesilea bewegen“, so Boenisch. Gleichwohl nähme man die Rückmeldungen des Publikums ernst und werde sensibel auf eine bessere Textverständlichkeit achten – auch wenn man durch Sandra Hüllers Spiel plötzlich Dinge begreife und nachfühle, die über das Textverständnis hinausgingen „und die wir als Gewinn diese Neuinterpretation betrachten“, so Boenisch.
So oder so: Jeder sollte sich seine eigene Meinung über die möglicherweise gewagte, im Ganzen jedoch zweifellos starke Simons-Inszenierung machen. Die schauspielerischen Leistungen der beiden Hauptdarsteller sind allemal geeignet, entsprechende Neugier wach zu halten.