Bochum/Witten/Herne. Die Bochumer Staatsanwälte stehen unter Dauerdruck: Im vergangenen Jahr bekamen sie 62.400 neue Fälle – ein Zuwachs von 4,3 Prozent.
- Die Bochumer Staatsanwaltschaft hat im vorigen Jahr 62 400 neue Fälle auf den Schreibtisch bekommen
- Das bedeutet einen Zuwachs von 4,3 Prozent gegenüber dem Jahr davor
- Sorgen bereitet der Leitenden Oberstaatsanwältin vor allem die wachsende Brutalität von Straftätern
Die Bochumer Staatsanwaltschaft hat im vergangenen Jahr deutlich mehr neue Fälle auf den Tisch bekommen als im Jahr davor.
„Wir hatten 62 400 Neuzugänge an Ermittlungsverfahren gegen namentlich bekannte Tatverdächtige. Das ist ein Zuwachs von 4,3 Prozent“, sagte die Leitende Oberstaatsanwältin Petra Berger-Zehnpfund in einem Interview mit der WAZ. „Hinzu kommen noch mehrere zehntausend Verfahren gegen namentlich nicht bekannte Tatverdächtige.“
Um diese Masse an Fällen bewältigen zu können, stehen der Behörde 73 Vollzeitstellen bei Staatsanwälten und 17 bei Amtsanwälten zur Verfügung; diese kümmern sich um leichtere Kriminalität wie Ladendiebstahl oder Trunkenheit im Verkehr.
„Wir sind hocherfreut, dass uns vier zusätzliche Vollzeitstellen zugewiesen worden sind“
Im vorigen Jahr erhielt die Staatsanwaltschaft, die auch für Herne, Witten und Teile des Kreises Recklinghausen zuständig ist, personelle Verstärkung vom Land: „Wir sind hocherfreut, dass uns vier zusätzliche Vollzeitstellen zugewiesen worden sind. Damit können wir wichtige Kriminalitätsbereiche effektiver bekämpfen“, sagt die Behördenleiterin in ihrem Büro im Hochhaus über dem Westring.
Damit meinte sie zum Beispiel den so wichtigen Bereich der Tageswohnungseinbrüche. Besonders arbeits- und zeitintensiv sind die Fälle aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität, die Kapitalstrafsachen (Tötungsdelikte) sowie die Verfahren aus der überregional tätigen Spezialabteilung zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität und der Korruption.
Knapp 300 Mitarbeiter
Petra Berger-Zehnpfund: „Ein Beispiel ist ein Großverfahren gegen ein so genanntes Umsatzsteuer-Karussell. Zur Überprüfung der Tatverdächtigen gab es eine Riesendurchsuchungsaktion im ganzen Bundesgebiet und im benachbarten Ausland. Darauf sind wir stolz. Alle Kollegen sind nachts aufgestanden, um zeitgleich die Durchsuchung zu starten. Zusammen mit dem Pressesprecher war ich fast allein in der Behörde.“
Sorgen bereitet der Chef-Ermittlerin, die seit Ende 2013 die Strafverfolgungsbehörde mit knapp 300 Mitarbeitern leitet, dass einige Straftäter immer brutaler und gnadenloser gegen ihre Opfer vorgehen – zum Beispiel bei Raubüberfällen auf der Straße und anderswo.
>>> Interview mit Petra Berger-Zehnpfund: „Ziel ist eine schnellere Verurteilung“
WAZ: Gibt es ein Delikt, das in den vergangenen Jahren ganz besonders aufgefallen ist?
Petra Berger-Zehnpfund: Tageswohnungseinbrüche, ganz klar. Das ist für uns ein Deliktschwerpunkt, auch wenn die Zahlen zuletzt zurückgegangen sind. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Verurteilungsgeschwindigkeit nach Einbrüchen zu erhöhen, mehr Druck zu machen.
Dafür haben wir zwei Kollegen gewinnen können, die sich extra um diesen Bereich kümmern, um schnell Anklagen erheben zu können. Zusätzlich kümmern sie sich um Trickdiebstähle nach der so genannten Antänzermasche. Sie wenden dabei das beschleunigte Verfahren an. Ziel ist auch hier eine schnellere Verurteilung.
WAZ: Gibt es ein Problem in der Gesellschaft, dass Ihnen besondere Sorge bereitet?
Petra Berger-Zehnpfund: Die zunehmende Brutalität. Ein Beispiel aus Bochum ist der Mordfall an der Rottstraße vom vergangenen Februar (Anmerkung der Redaktion: Ein älteres Ehepaar, 78 und 79 Jahre alt, starb nach allerschwersten Verletzungen, der oder die Täter sind noch unbekannt.)
WAZ: Für viele Bürger ist es unverständlich, dass zwischen einer Straftat und dem Beginn des Strafprozesses oft mehr als ein Jahr liegt.
Petra Berger-Zehnpfund: Es gibt verschiedene Gründe dafür, dass ein Verfahren so lange dauert, zum Beispiel die Erstellung von Gutachten, Vernehmungen und Rechtshilfeersuchen im Ausland.
WAZ: In welchem Umgang bereitet sich die Staatsanwaltschaft auf die Einführung der elektronischen Akte vor?
Petra Berger-Zehnpfund: Es gibt – anders als im Zivilrecht – noch keine gesetzliche Grundlage für die Einführung der elektronischen Akte im Strafverfahren. In Großverfahren werden die Akten aber schon jetzt auf CD gebrannt und den Verteidigern zur Verfügung gestellt.
WAZ: Wie groß ist die Freude bei der Staatsanwaltschaft auf das neue Justiz-Zentrum am Ostring?
Petra Berger-Zehnpfund: Wir freuen uns und sind gespannt.
>>> Sechs Jahre Haft für Haupttäter des „Umsatzsteuer-Karussells“
- Das Verfahren gegen Mitglieder des „Umsatzsteuer-Karussels“ war eines der größten der vergangenen Jahre in Bochum.
- Es handelt sich um ein kompliziertes Verflecht von Firmen mit dem Ziel, Steuern zu hinterziehen, in diesem Fall: 10 Millionen Euro. Der Hauptäter (53) erhielt im Februar sechs Jahre Haft. Der Prozess dauert an.