Bochum. . Der Gedanke, dass der Beginn der Inklusion vielfach als das angekündigte Ende der Förderschulen angesehen wird, hat auch Frank Zöllner erreicht. Wohl deshalb wird der Schulleiter der Förderschule am Haus Langendreer beim Gang durch die Schule zum Anwalt in eigener Sache.

Seit 55 Jahren gibt es die Schule am Haus Langendreer. Gegründet wurde sie durch eine Elterninitiative. „Seinerzeit gab es für behinderte Kinder kein Bildungsangebot. Die Eltern haben sogar die Lehrer selber angestellt“, sagt Frank Zöllner (57), der seit 2001 Leiter der Schule ist. Sie ist schon lange eine Förderschule des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe mit dem Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung. „1978 gab es den Erlass, dass es keine untere Bildungsgrenze mehr gibt“, sagt Zöllner. Seitdem besteht auch für behinderte Kinder das Recht und die Pflicht auf Bildung. Das Recht, dass Kinder zur Schule kommen müssen. „Dieses Recht“, sagt Zöllner, „ist durch Inklusion in Gefahr.“

Der Gedanke, dass der Beginn der Inklusion vielfach als das angekündigte Ende der Förderschulen angesehen wird, hat natürlich auch ihn erreicht. Wohl deshalb wird er beim Gang durch die Schule zum Anwalt in eigener Sache. Dass er als Schulleiter jedes Kind erkennt und mit Namen ansprechen kann, ist für Schulleiter normal.

Aufzüge können auch bei Feuer genutzt werden

Er aber erklärt am Beispiel jedes einzelnen der 300 Schüler, warum es auch in Zukunft Förderschulen geben muss. „Wir brauchen viele Dinge mehr, um die Schülerinnen und Schüler vernünftig betreuen zu können. Und das Know-how ist schwer in die Fläche zu übertragen.“ Mal eben eine Regelschule so umgestalten, dass auch mehrfach behinderte Kinder intensiv betreut und beschult werden können, funktioniere eben nicht. Als ein Beispiel führt er die Aufzüge an. „Natürlich gibt es inzwischen Schulen mit Aufzügen. Die aber darf man im Brandfall dann nicht benutzen. Unsere schon. Sie sind dafür ausgelegt.“

Andere Beispiele sind noch augenfälliger. Viele der jungen, behinderten Menschen im Haus Langendreer benötigen einen Rollstuhl oder Fahrrad mit drei Rädern, um sich fortbewegen zu können. Im ersten Stock parken sie auf einem eigenen Parkplatz. „Nicht nur er benötigt Platz“, sagt Zöllner. „Die Kinder müssen sich damit auf den Fluren auch gefahrlos bewegen können und sich ausweichen können.“

Es geht nicht nur um Lesen und Schreiben

Weit wichtiger sei aber die spezielle Kompetenz der Lehrer. „Schüler mit geistiger Behinderung können nicht am Gymnasium beschult werden“, sagt Zöllner. „Sie nur dabei zu haben, damit der inklusive Gedanke erfüllt wird, macht keinen Sinn.“

Holger Jeppel, der Vorsitzende der Schulpflegschaft, stimmt ihm zu. „Das Leben mit einem behinderten Kind ist für die Eltern eine hohe Belastung. Sie hier gut untergebracht zu wissen, sorgt für Entlastung. Es geht bei einigen Kinder ja auch nicht um Lesen und Schreiben. Es geht um basale Geschichten, darum, dass sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten selbstständig werden, um später in Wohngruppen leben zu können. Das sie dieses Niveau erreichen, gelingt nur in Förderschulen.“

„Hier wird keiner gemobbt“ 

Dass Sandra Frahm und Lea-Marie Zimmermann so entspannt auf einer Bank vor ihrer Schule sitzen, hat nicht nur mit dem Wetter zu tun, das für den Oktober ungewöhnlich warm ist. Die beiden besuchen die zehnte Klasse und sind Schülersprecherinnen der Schule am Haus Langendreer. Auch das zeigt: sie fühlen sich wohl.

Bei Lea-Marie Zimmermann war es Wohlfühlen auf den ersten Blick. „Ich bin seit 2012 hier. Davor war ich auf einem Gymnasium. Da hat es aber nicht geklappt. Dann sollte ich auf ein Internat nach Köln, habe mir dann aber zunächst die Schule hier angesehen. Das hat mir so gut gefallen, dass ich sofort gesagt habe: hier will ich bleiben.“ Ihr gefällt nicht nur die „größere Anzahl von Möglichkeiten, weil wir eine Klasse mit sehr wenig Schülern haben“. Positiv ist ihr vom ersten Tag an aufgefallen, „dass keiner ausgeschlossen oder gemobbt wird. Alle verstehen sich untereinander sehr gut, jeder hilft jedem“. Sie will im nächsten Jahr ihren Realschul-Abschluss nachmachen und wechselt dafür auf die Oberlinschule, eine Förderschule für körperliche und motorische Entwicklung in Trägerschaft der Evangelischen Stiftung in Volmarstein.

Sandra Frahm dagegen will eine Ausbildung machen, weiß aber noch nicht genau, welche. „Zusammen mit dem Arbeitsamt werde ich gucken, in welche Richtung das geht.“ Im kommenden Jahr endet für sie die Zeit an der Schule am Haus Langendreer. Sie wird die Schule vermissen. „Ich war früher auf einer anderen Förderschule. Das Besondere hier an unserer Schule ist der Zusammenhalt. Man kann Probleme direkt ansprechen und alle kommen sehr gut miteinander aus.“