Die Bochumer Christopherus-Schule mit Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung bietet Eins-zu-Eins Betreuung. Sie hat dafür jetzt 30 Schulbegleiter eingestellt, die die Schüler im Schulalltag begleiten. Das Sozialamt entscheidet in jedem Einzelfall über die Finanzierung.

Bochum-Gerthe. In der Pause tummeln sich Kinder und Jugendliche jeden Alters auf dem Hof, das Tor mit der Klinke außen verhindert, dass jemand ausbüxt. In der Christopherus-Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung werden 97 Schüler zwischen sechs und 20 Jahren unterrichtet, davon über 40 schwerst mehrfach Behinderte.

Ein Teil von ihnen benötigt Unterstützung, um dem Lernstoff folgen zu können, aber auch beim Mittagessen oder auf der Toilette. Dazu hat die Gerther Schule vor den Sommerferien 30 Schulbegleiter angestellt; ehedem hießen sie Integrationshelfer. Es handelt sich zumeist um junge Leute, die die Wartezeit zum Studienstart überbrücken wollen, oder ein soziales Jahr einlegen.

Einer von ihnen ist Joshua Jöhren. Er steht dem elfjährigen Maurice zur Seite, und zwar schon im zweiten Jahr (in der Regel bleiben die Schulbegleiter ein Jahr). „Ich habe über einen Freund, der hier sein freiwilliges soziales Jahr absolviert hatte, von der Arbeit an der Schule gehört, und mich beworben.“ Der 19-Jährige merkte schnell, dass der Job ihm zusagt. Der Umgang mit den Kindern, mit Maurice, macht Spaß, wie er betont. „Wir bekamen einen direkten Draht zueinander, er hat mich unlängst auch zu seinem Geburtstag eingeladen.“

Der Lindener begleitet den Jungen während der Zeit der Ganztagsschule. In der Klasse sitzen sie nebeneinander. „Ich helfe ihm, sich zu konzentrieren, weil er rasch abgelenkt ist, mache ihm das Essen fertig, gehe mit ihm aufs Klo.“ Beide haben eine ganz eigene Art der Kommunikation entwickelt.

Hohe Verantwortung

Soziale Arbeit wollte er studieren. Jetzt hängt Joshua Jöhren in Ger-the noch ein Jahr an und sucht sich einen anderen Studiengang, in jedem Fall einen aus dem Sozialbereich. Geduld, Verständnis und Ruhe – das braucht man im Umgang mit Kindern mit Förderbedarf, sagt er, und fügt an: „Man hat eine hohe Verantwortung. Doch ich möchte das hier nicht missen.“

Die Gerther Schule arbeitet mit Waldorf-Pädagogik

Die Gerther Schule, die mit 33 Lehrkräften auf der Grundlage der Waldorf-Pädagogik arbeitet, gehört zum Verein Christopherus-Haus. Der betreut Behinderte von U 3 bis ins hohe Alter in Kita, Schulen, Werkstätten (in Günnigfeld).

Es gibt bei der Förderschule keinen Abschluss, im Unterschied zu Schulen mit Lernbehinderung. Deshalb wechselt ein Großteil der erwachsenen Schüler später nicht auf den ersten Arbeitsmarkt, sondern in die Werkstätten.

Die Schule, die seit 1972 existiert, als die Schulpflicht für Menschen mit Lernschwierigkeiten eingeführt wurde, sucht die Schulbegleiter zumeist an Gymnasien, legt dort Flyer aus oder inseriert. „Inzwischen ist es ein Selbstläufer, die Jugendlichen melden sich bei uns“, sagt Gabriele Baumeister, die lange für die Integrationshelfer zuständig war. Ob ein Kind diese Eins-zu-Eins-Betreuung erhält, hängt von der Schwere seiner Behinderung ab, die per Gutachten eingeschätzt wird. Die Eltern beantragen sie beim Sozialamt.

Und hier liegt die Krux, sagt Michaela Münch-Müller, eine der Leiterinnen der Christopherus-Schule. „Integrationshelfer werden nicht mehr so gerne genehmigt wegen der Inklusion. Es fehlt an Geld, deshalb werden die Mittel verschoben hin zu ,normalen’ Schulen, in denen behinderte Kinder mit unterrichtet werden. Ziel ist es, Förderschulen überflüssig zu machen, doch das kann ich mir nicht vorstellen. Wir haben hier Kinder, die zugleich geistig und körperlich behindert sind. Die könnten an keine Regelschule, weil der Pflegeaufwand zu groß ist.“

Bereits seit drei Jahren ist Sebastian Kuicke an der Gerther Schule. „Ich will Sonderpädagogik studieren.“ Auch er schwärmt von der Arbeit, bei der er viel lernen könne. „Ich nehme viel mit für mich und meine Zukunft. Die Verbundenheit mit den Kindern, aber auch mit dem Team und auch dem Lehrpersonal ist groß.“ Dabei hatte der 22-jährige Harpener einst ganz andere Pläne: Er wollte Betriebswirtschaft studieren. Doch statt eines Praktikums in irgendeinem Unternehmen entschied er sich dann, ein soziales Jahr zu absolvieren. „Mich hat die Arbeit sofort gepackt. Es sollte wohl so sein.“