Frankfurt/Main. Auch wegen Felix Passlacks Worten zu Patrick Drewes witterte Union Berlin einen Komplott. Was der Spieler des VfL Bochum gesagt hat - und wer Bochum half.

Felix Passlack war sichtlich guter Dinge, als Sitzungsleiter Stephan Oberholz ihn aus dem Golden-Goal-Saal am DFB-Campus begrüßte. Vor der großen Fensterfront regnete es, im Saal zog es etwas. Der Raum ist nach dem EM-Triumph der deutschen Nationalmannschaft 1996 benannt, versprüht aber wenig Glanz - passend zum Anlass.

Hier, in der zweiten Etage des mächtigen (und mächtig teuren) DFB-Campus, tagte das DFB-Sportgericht zum „Fall Drewes“. Neben den Vertretern von Union und Bochum, dem DFB-Sportgericht und Zeugen verfolgten rund 20 Journalisten die mündliche Verhandlung, als Passlack auf dem XXL-Bildschirm erschien.

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Passlacks Frau ist hochschwanger, Oberholz fragte erstmal freundlich nach, „alles gut soweit“, sagte der Rechtsverteidiger. Er war als Zeuge per Videoschalte zugeschaltet zur Sitzung des DFB-Sportgerichts, in dem es um die Wertung des VfL-Bochum-Spiels bei Union Berlin ging – und Passlacks Laune dürfte sich am frühen Abend noch gesteigert haben. Sieg am grünen Tisch für den VfL, 2:0 für Bochum, so das Urteil. Rechtskräftig ist es noch nicht, Union kann Berufung vor dem DFB-Bundesgericht einlegen und wird dies wohl auch tun.

DFB-Sportgericht, Verhandlung zum Spiel 1. FC Union - VfL Bochum 2024/25
Das DFB-Sportgericht mit Maik Franz (DFL-Beisitzer), dem Vorsitzenden und Sitzungsleiter Stephan Oberholz sowie Dr. Marcus G. Tischler (DFB-Beisitzer, v.l.). © IMAGO/Matthias Koch | IMAGO/Matthias Koch

Bochums Passlack zu Drewes: „Sollte sich erstmal beruhigen“

Passlack konnte sich nach sechs Minuten wieder „angenehmeren“ Dingen widmen, wie Oberholz um etwa 14.20 Uhr dann anmerkte. Hauptzeuge Patrick Drewes, der als Opfer des Feuerzeugwurfs, nach dem er nicht weiterspielen konnte, vor Ort aussagen musste, wurde zuvor zehn Minuten länger vernommen.

DFB-Sportgericht, Verhandlung zum Spiel 1. FC Union - VfL Bochum 2024/25
Torwart Patrick Drewes und Teamarzt Mark Sandfort vom VfL Bochum hörten nach ihrer Vernehmung als Zeugen der weiteren Verhandlung bis zum Schluss im Saal zu. © IMAGO/Matthias Koch | IMAGO/Matthias Koch

Warum Passlack? Er war als Erster bei Drewes nach dem Kopftreffer - und sprach mit ihm auch hinter vorgehaltener Hand. Was er ihm gesagt hat? „Ich habe relativ schnell gesehen, dass Patti sich an den Kopf gepackt hat, nicht mehr richtig stehen konnte. Ich bin zu ihm hin, habe ihm gesagt, dass er sich erstmal beruhigen, hinsetzen und auf medizinische Hilfe warten soll.“

Kein Komplott - Drewes kann sich nicht wirklich erinnern

Union Berlin witterte einen Komplott – hat Passlack Drewes den Rat gegeben, das Spiel nicht fortzusetzen? „Nein, bei Patti ging es um die Gesundheit. Ich habe gar keine Reaktion gekriegt“, erklärte Passlack. Drewes hatte zuvor bereits versichert, gar nicht genau mitbekommen zu haben in den Minuten nach dem Kopftreffer, welche Mitspieler wann kamen. Was Passlack ihm gesagt habe, „kann ich nicht sagen, das habe ich nicht wahrgenommen, das ging alles in der Lautstärke unter“, sagte Drewes.

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Warum er hinter vorgehaltener Hand gesprochen habe, hakte der Richter nach? Passlack: „Das mache ich eigentlich immer so, ich spreche gerne hinter vorgehaltener Hand.“

Passlack forderte bei Schiedsrichter Petersen einen Abbruch

Passlack räumte auf Unioner Nachfrage ein, schnell beim Schiedsrichter Martin Petersen, der am Donnerstag eine halbe Stunde lang vernommen wurde, und später beim Schiedsrichter-Assistenten einen Spielabbruch wegen der Verletzung gefordert zu haben, aus „der Emotion heraus“ gleich auf dem Feld, so Passlack. Der VfL erklärte bereits am Spielabend, für einen Spielabbruch plädiert und nur „unter Protest“ weitergespielt zu haben.

Das Gericht gab Bochum Recht – Drewes sei verletzt gewesen, ein Nachteil gegeben und der Nichtangriffs-Pakt nicht im Sinne der Regeln. „Die Wertung eines Spiels kann nicht durch die beteiligten Vereine festgelegt werden“, argumentierte der Vorsitzende Richter Oberholz.

Offiziell habe es eine Fortsetzung gegeben, „die beiden Klubs waren sich aber einig, es nur formell zu Ende zu bringen. Der sportliche Wettkampf war also bereits vorher beendet. Es war ein Quasi-Spielabbruch.“

VfL Bochum und Union Berlin: keine besten Freunde

Union Berlin sieht das anders, geht voraussichtlich in Berufung, kündigte Sprecher Christian Arbeit an  – der VfL Bochum und die Köpenicker werden sicherlich keine besten Freunde mehr. Vor Gericht saßen sie sich gegenüber. Ilja Kaenzig verfolgte als VfL-Chef neben Vereinsanwalt Jonas Schlevogt und Anwalt Dr. Joachim Rain von der Kanzlei Schickhardt, der den VfL vertrat, die anderthalbstündige Beweisaufnahme mit den Zeugenvernehmungen, die Plädoyers, das Urteil, das nach über drei Stunden verkündet wurde.

Unions Geschäftsführer Oscar Kosche, Sport-Geschäftsführer Horst Heldt und Berlins Vereinsanwalt Dr. Michael Müller saßen auf der anderen Seite, vor Kopf Richter Oberholz mit den Beisitzern Maik Franz (DFL, Ex-Profi unter anderem von Hertha BSC) und Marcus Georg Tischler (Rechtsanwalt DFB). Die Atmosphäre im Saal war vor allem: ruhig und gespannt.

UJnions Geschäftsführer Kosche giftet gegen den VfL

Dass es innerlich brodelte, machte Union-Geschäftsführer Oskar Kosche - wenn auch in ruhigem Tonfall - deutlich. Kosche giftete in seinem Schlusswort vor dem Urteil: „Als Vereinsvertreter, auch als ehemaliger Profitorwart, sage ich, dass der Torwart von dem Feuerzeug gestriffen worden ist. Danach wusste er nicht, wie er damit umgehen soll. Spieler wie Felix Passlack haben schnell gemerkt, einen Abbruch zu ermöglichen. Dass von einem Arzt die Spielunfähigkeit festgestellt wird, ohne dass der Spieler gefragt wird, ist überraschend. Der VfL sucht nach einer juristischen Lösung, das Spiel zu gewinnen. Das sagt eine Meinung unter Sportlern aus.“

Drewes hatte eingeräumt, von keinem, auch nicht vom Schiedsrichter, gefragt worden zu sein, ob er weiterspielen könne. Diese Entscheidung traf Teamarzt Mark Sandfort, der eine Gehirnerschütterung „in dem Moment“ nicht ausschließen konnte und nach den DFL-Regularien bei Kopfverletzungen gehandelt habe.

VfL Bochum: Schützenhilfe von hochrangigem DFB-Juristen

Schützenhilfe erhielt der VfL nach den Plädoyers der Anwälte von Joachim Nachrainer. Der langjährige Vorsitzende des DFB-Kontrollausschusses war von Amts wegen dabei, der Kontrollausschuss ermittelt gegen Union auch noch – hier geht es um Geldstrafen oder auch einen (Teil-)Ausschluss von Zuschauern. Bei der Einspruchs-Verhandlung gegen die Wertung legte er sich in seinem Schlusswort vor der Beratung der Richter fest, dass der VfL Recht bekommen müsse.

Drewes, stellte er klar, war verletzt, der VfL hatte einen sportlichen Nachteil - und der Nichtangriffs-Pakt stieß ihm mächtig sauer auf. „So ein Verhalten ist wettbewerbswidrig. Man stelle sich vor, zwei Mannschaften einigen sich auf ein Ergebnis und eine dritte steigt deswegen ab“, sagte Anton Nachreiner. Der Schiedsrichter hätte die Partie abbrechen müssen. Punkte, die auch das DFB-Sportgericht in seinem Urteil in anführte.

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