Bochum. Wann kommen neue Spieler? Derzeit ist nur Platz für vier Zugänge beim VfL Bochum. VfL-Chef Kaenzig erläutert den Etat: Zahlen und Hintergründe.

Der Transfermarkt im Profifußball stockt derzeit – nicht nur beim VfL Bochum. Die EM läuft auf Hochtouren. Die Berater loten aus und taktieren, um das Bestmögliche für sich und ihre Spieler herauszuschlagen. Deutschlandweit, ja europaweit gibt es daher derzeit kaum Vollzugsmeldungen. Auch beim VfL Bochum ist weiterhin Geduld angesagt.

Ein Grund sind speziell beim VfL die finanziellen Möglichkeiten. Der Handlungsspielraum in Bochum ist nicht so groß wie bei den meisten Bundesliga-Konkurrenten.

VfL Bochum: So wirtschaftet der Bundesligist

Ilja Kaenzig räumt aber im Gespräch mit dieser Redaktion mit einem Vorurteil auf, das sich insbesondere in den sozialen Netzwerken aktuell verbreitet: „Wir sparen uns nicht kaputt“, betont der Schweizer.

Kaenzig ist unter anderem für die Finanzen zuständig und nach dem Rücktritt von Sport-Geschäftsführer Patrick Fabian bis auf weiteres alleiniger Geschäftsführer der ausgegliederten VfL Bochum 1848 GmbH & Co. KGaA, der Einfachheit halber hier „Klub“ oder „VfL Bochum“ genannt.

Samuel Bamba ist bisher Bochums einstiger externer Zugang.
Samuel Bamba ist bisher Bochums einstiger externer Zugang. © IMAGO/Michal Fajt | IMAGO

Umgekehrt liest man in Fan-Foren immer wieder, dass der VfL doch nach drei Bundesliga-Jahren mehr Geld freigeben, auch mal „ins Risiko“ gehen müsste, sprich: höhere Ablösesummen, höhere Gehälter zahlen müsste. Und das ungeachtet der mahnenden Beispiele, die es ja zuhauf gibt. Schalke 04 dient sicherlich als ein extremes Exempel für Misswirtschaft in sportlich besseren Zeiten.

Wachstum: VfL Bochum kommt dem 100-Millionen-Ziel näher

Bochum ist auf keiner Ebene Schalke. Bochum plane sportlich ambitioniert und zugleich kaufmännisch solide, erklärt Kaenzig sinngemäß. Möglich mache dies neben den Einnahmen für den Transfer von Patrick Osterhage zum SC Freiburg (rund 4,8 Millionen Euro brutto) das Wachstum.

Bei der „Vision 100plus“, also einem Umsatz von 100 Millionen Euro und mehr pro Geschäftsjahr, sei der VfL weiterhin auf einem guten Weg. Im Geschäftsjahr 2022/23 betrug der Umsatz rund 86 Millionen Euro, die Zahlen für die nun abgelaufene Spielzeit 2023/24 gibt es auf der Mitgliederversammlung im Herbst.

Rekordeinnahmen beim TV-Geld für VfL Bochum

„Wirtschaftliches Wachstum ist für uns entscheidend“, so Kaenzig. Das gilt für alle möglichen Bereiche, etwa im Sponsoring, Marketing, Merchandising und natürlich beim TV-Geld, der größten Einnahmequelle. Mit zu erwartenden rund 42 Millionen Euro für die kommende Saison erzielt Bochum einen neuen Rekordwert bei den Fernsehgeldeinnahmen.

Die vergangene Saison schloss der VfL mit einem bereits bei der letzten Mitgliederversammlung im November verkündeten Minus ab. Die exakte Höhe präsentiert der Klub auf der nächsten Mitgliederversammlung. Das Eigenkapital – zum Stand 30. Juni 2023 lag es bei rund 8,3 Millionen Euro - bleibt aber positiv. Das hatte Vorstandsvorsitzender Hans-Peter Villis bereits vor zwei Wochen in einer Medienrunde erklärt.

Profietat bleibt auf Vorjahresniveau: 41 Millionen Euro

Wichtig für die nächste Saison: „Wir planen mit einem Lizenzspieler-Etat in Höhe von 41 Millionen Euro“, erklärt Kaenzig. Der Etat wurde auf der jüngsten Sitzung mit dem Präsidium festgezurrt. Der Etat für die Bundesliga-Profis bleibt damit stabil auf dem Vorjahresniveau. Ein wesentlicher Unterschied: Diesmal kalkuliert der Klub „keinen Verlust aufgrund der Aufstockung des Lizenzetats ein“, so Kaenzig.

Zur Erinnerung: In der Zweitliga-Meistersaison betrug der Etat rund 12 Millionen Euro, im ersten Bundesliga-Jahr 24 Millionen Euro, im zweiten 32 und im dritten 41 Millionen Euro. Dabei wurde der Etat in der Vorsaison nicht komplett ausgeschöpft – vor allem, weil im Winter anders als anvisiert kein Stürmer verpflichtet worden war.

Transferbudget für Lettau ist derzeit noch recht schmal

Zurzeit ist viel die Rede davon, dass Sportdirektor Marc Lettau aktuell nur sechs Millionen Euro zur Verfügung hat für Transfers – inklusive Ablösesummen, Handgeldern („Signing-Fee“) für Spieler und Berater, Gehalt, Prämien. Und das nach elf Abgängen, darunter im Gehaltsgefüge weit oben anzusiedelnden Spielern wie Kevin Stöger und Takuma Asano. Passt das zusammen?

Eine konkrete Transferbudget-Summe will Kaenzig nicht nennen. Fakt sei aber, so der VfL-Geschäftsführer, dass in den 41 Millionen Euro Gesamtetat für die Profis „Effekte“ enthalten sind, die sich auflösen können. Heißt: Ein Teil der 41 Millionen Euro steht derzeit nicht zur Verfügung für die Finanzierung des Kaders.

Letsch und Fießer: Bei neuem Job werden Mittel frei

So stehen die Ex-Trainer Thomas Letsch und Jan Fießer vertragsgemäß noch zwei weitere Spielzeiten auf der Gehaltsliste des VfL (geschätztes Gehalt pro Bundesliga-Saison: ca. 1,5 Millionen Euro) und sind in den 41 Millionen Euro enthalten. Nehmen sie früher einen neuen Job an, würden umgehend entsprechende Mittel frei.

Auch Torwart Manuel Riemann (Vertrag bis 2025), der sportlich beim VfL keine Zukunft mehr hat, ist im Etat eingepreist. Ebenso wie das Erreichen der zweiten DFB-Pokalrunde. Die würde etwa 600.000 Euro bringen – Geld, das der VfL zunächst zurückhält, weil es eben nicht sicher eingenommen wird. Geld, das er aber bei einem Erfolg am 18. August in Regensburg umgehend freigegeben würde für die Bundesligamannschaft. Die Transferzeit endet erst am 30. August.

Kadergröße: Es stehen derzeit 24 Profis unter Vertrag

Zur Einordnung wichtig ist die anvisierte Kadergröße. Die sportliche Führung des VfL - nach dem Rücktritt von Patrick Fabian ist Sportdirektor Marc Lettau federführend - plant wie berichtet mit einem Kader von 18 Spielern mit Stammpotenzial, mit sechs Perspektivspielern und drei bis vier Torhütern (bei vier: inklusive Riemann). In Summe sind das 27 oder 28 Profis. Aktuell unter Vertrag für die kommende Saison stehen bereits 24 Profis, darunter - neben Riemann - die zwei Torhüter Niclas Thiede und Paul Grave sowie die nach Leihen zurückkehrenden Jordi Osei-Tutu und Gerrit Holtmann. Bisher sind elf Abgänge zu verzeichnen. Dem stehen zwei Zugänge sowie vier nach Leihen zurückkehrende Spieler, in Summe also sechs Spieler, gegenüber.

Gerrit Holtmann, hier im Trainingslager in Gais Ende Juli 2023 mit Lukas Daschner, erhält in Bochum unter Trainer Peter Zeidler eine neue Chance.
Gerrit Holtmann, hier im Trainingslager in Gais Ende Juli 2023 mit Lukas Daschner, erhält in Bochum unter Trainer Peter Zeidler eine neue Chance. © FUNKE Foto Services | Dennis Ewert/RHR-FOTO

Koerdt und Bamba die bisher einzigen Zugänge

Nach dem 24 +3 (4)-Modell ist derzeit also nur Platz für drei bis vier weitere neue Profis, nachdem mit Talent Lennart Koerdt (aus der U19) sowie Samuel Bamba (BVB II) zwei junge Spieler neu hinzugestoßen sind. Für diese drei oder vier neuen Spieler, so der Stand, stünden also die kolportierten rund 6 Millionen Euro zur Verfügung.

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Das Transferbudget kann sich aber ändern, nach Einschätzung dieser Redaktion ist dies sehr wahrscheinlich. Wie mehrmals berichtet, gibt es Verkaufskandidaten, die Transfererlöse bescheren könnten. Bernardo etwa oder Erhan Masovic. Die Folge: Das eingesparte Gehalt samt Prämien würde in die Mannschaft reinvestiert, ebenso mindestens ein Teil der Ablösesumme. Horrende Ablösesummen wird Bochum aber weiterhin nicht zahlen, auch das Gehaltsgefüge soll weiterhin nicht gesprengt werden.

Auch Leihen möglich: Es wird noch Abgänge geben

Zudem gibt es Spieler, die sportlich kaum eine Perspektive haben wie Osei-Tutu, für den es aktuell aber noch keine konkreten Anfragen gibt (wie für die weiteren Kandidaten auch nicht). Im Laufe der Vorbereitung wird sich zudem zeigen, auf wen der neue Trainer Peter Zeidler setzt – und auf wen nicht. Auch Leihen in beide Richtungen sind wahrscheinlich - der Kader wird sich noch deutlich verändern.

Weitere Millionen-Investitionen: Talentwerk, Frauen, U21

Kaenzig betont im Gespräch mit dieser Redaktion zudem, dass weitere hohe Millionensummen investiert werden konnten und können, ohne dass der Lizenzspielertat gekürzt werden musste. So gibt es eine neue U21, die in der Oberliga startet, der Etat soll bei rund einer Millionen Euro pro Saison liegen. Die Frauenmannschaft ist in die 2. Liga aufgestiegen, wird entsprechend teurer (mindestens 500.000 Euro), auch ins Talentwerk hat der VfL einen mittleren sechsstelligen Betrag zur Professionalisierung investiert.

News und Hintergründe zum VfL Bochum

Nicht zuletzt löst der VfL Bochum Jahr für Jahr den Investitionsstau auf, den elf Jahre 2. Liga hinterlassen haben. Rund 2,5 Millionen Euro steckt(e) der Klub in zahlreiche Maßnahmen zur Modernisierung des Klubs. Zum Teil in Personal etwa in der Kommunikationsabteilung, zum größeren Teil in bauliche Maßnahmen.

Mannschaftskabinen werden kostspielig saniert

So kostet die Sanierung der Mannschaftskabinen samt Nassbereich (zweite Bauabschnitt läuft) einen hohen sechsstelligen Betrag. Angeschafft wurde ein neuer Mannschaftsbus, das WLAN im Stadion wurde ausgebaut, der VIP-Bereich aufgewertet, die Internationalisierung vorangetrieben, im Talentwerk Kameratürme installiert und etliches mehr.

Letztlich peilt der VfL Bochum für die kommende Saison weiteres Wachstum an bei einem stabilen Etat für die Profimannschaft, der bei hohen Transfererlösen noch die 41 Millionen-Euro-Marke übersteigen könnte. Ein Problem, das den Handlungsspielraum auf dem Transfermarkt hätte einengen können, hat der VfL dabei bereits gelöst.

Fehlende TV-Geld-Rate im Juni: VfL Bochum löst Problem

Aufgrund eines von der DFL einzelnen TV-Rechtepartnern wie DAZN gewährten Zahlungsaufschubs erhalten wie berichtet alle Profi-Klubs im Juni in Summe 80 Millionen Euro weniger TV-Geld. Die Rate fließt, so der DFL-Plan, erst im Dezember. Dem VfL fehlen damit vorerst rund 2,5 Millionen Euro. Kaenzig: „Wir haben eine Lösung der Zwischenfinanzierung gefunden, womit der Lizenzspieleretat für die kommende Saison durch die fehlende Rate nicht belastet ist.“