Antalya. Rot-Weiss Essen hat auf dem Transfermarkt schon nachgelegt, doch das soll noch nicht alles sein. Ahmet Arslan profitiert auf jeden Fall, meint Trainer Uwe Koschinat.
Drittligist Rot-Weiss Essen ist zurück in der Heimat. Hinter den RWE-Profis liegt eine ereignisreiche Woche im Trainingslager in der Türkei. Das war sie auch für Uwe Koschinat (53). Der Essener Cheftrainer nutzte die Gelegenheit in Antalya, um viele Gespräche zu führen und seine Mannschaft auf den Rückrunden-Auftakt am Sonntag bei Alemannia Aachen einzuschwören.
+++ Teil 1 des Interviews mit RWE-Trainer Uwe Koschinat lesen Sie hier +++
Die Hoffnung des Trainers ist, dass sein Kader bis dahin komplett ist. Neue Spieler werden noch gesucht, das betont Koschinat im zweiten Teil unseres Interviews mit dem Nachfolger von Christoph Dabrowski. Koschinat äußert sich zudem zu seinem Trainerteam. Bei seinem Amtsantritt hatte er offengelassen, ob die Zusammenarbeit bis zum Saisonende fortgesetzt wird.
Uwe Koschinat, die beiden Neuzugänge Klaus Gjasula und Dominik Martinovic wurden noch rechtzeitig vor dem Trainingslager verpflichtet. Wie haben Sie beide erlebt? Welchen Eindruck haben Sie von den Spielern gewonnen?
Uwe Koschinat: Mein Gefühl ist, dass die Spieler mit offenen Armen empfangen wurden. Vor allem die Führungsspieler lechzen danach, dass die Zahl derer steigt, die einen Unterschied in der 3. Liga ausmachen können und dies schon nachgewiesen haben. Wir haben in den letzten beiden Spielen mit einer sehr jungen Mannschaft gespielt, die einen unglaublichen Enthusiasmus auf den Platz gebracht hat. In den spielentscheidenden Situationen haben wir aber häufiger den Kürzeren gezogen. Das Potential ist da, aber wir benötigen eine gewisse Stabilität. Diese beiden Spieler tun uns sehr gut, weil sie nachweislich in dieser oder in höheren Ligen für etwas stehen. Martinovic hat eine stabile Torquote, aber auch die Fähigkeit, clever und hart anzulaufen. Klaus Gjasula ist ein absoluter Mann auf dem Platz, der sich von unten mit Mitte 20 bis in die Bundesliga nach oben gekämpft hat. Das ist ein gutes Vorbild für junge Spieler. Er ist einer starken physischen Verfassung und eine echte Persönlichkeit. Das tut Spielern wie zum Beispiel Ahmet Arslan gut, der sich viel Verantwortung auf die Schultern gepackt hat. Jetzt kann er nach vorne und hinten schauen und weiß, dass wir nun eine stabile Achse haben.
RWE-Trainer Uwe Koschinat lobt Moustiers Entwicklung
Gibt es Spieler, die sich im Trainingslager aufgedrängt haben? Gehört Tom Moustier zu diesen Akteuren?
Mit Tom arbeite ich sehr hart daran, dass er versteht, was für einen Spieler im Zentrum nötig ist. Man benötigt eine strategische Fähigkeit, auf der anderen Seite tut er uns mit seinem Laufvermögen und seiner Energie sehr gut. Ich habe gegen Emmen gesehen, dass er die Dinge fantastisch umsetzt, eine andere Mentalität hat, wenn es darum geht, das Tor zu schützen. Er läuft nicht permanent jedem Ball hinterher, sondern hat jetzt die Geilheit, Zweikämpfe zu gewinnen und feiert diese Szenen genauso ab wie gute Offensivaktionen. Er ist ein Spieler, der sehr wichtig für uns werden kann. Grundsätzlich geht es mir gar nicht darum, dass Spieler im Trainingslager einen großen Schritt nach vorne gemacht haben. Es geht mir darum, dass wir als Gruppe und damit jeder einzelne Spieler meine Idee der richtigen Handlungsweise verstehen. Da sehe ich gute Schritte nach vorne, weil wir Spieler haben, die auf sehr hohem Drittliga-Niveau spielen können. Wenn wir lernen, die richtigen Entscheidungen zu treffen und es schaffen, die richtige Balance zwischen fußballerischer Dominanz und einfachen Lösungen zu finden, sind wir auf einem guten Weg.
Zwei U19-Spieler waren im Trainingslager dabei, Romero Gerres und Nicolai Schulte-Kellinghaus. Gegen Emmen kamen drei Jugendspieler zum Einsatz. In Essen mögen es die Fans, wenn es ein Eigengewächs in den Profibereich schafft. Sehen Sie das Potential im Nachwuchsbereich?
Die Grundvoraussetzungen sind da und dann muss man klar sagen, dass es auf eine perfekte Zusammenarbeit zwischen Profi- und Nachwuchsabteilung ankommen wird. Und dann liegt es natürlich an den Jungs selbst. Für mich ist sehr entscheidend, dass die Spieler die Chance haben, bei der ersten Mannschaft dabei zu sein. Sie sollen ihren Fähigkeiten vertrauen, denn sie sind nicht ohne Grund Teil der Auswahl Richtung erster Mannschaft. Auf der anderen Seite müssen sie reflektiert genug sein, um zu verstehen, an welchen Dingen sie noch arbeiten müssen und was sie sich abgucken können. Dafür ist ein Trainingslager perfekt, um erfahrene Spieler wie Gjasula, Arslan, Schultz oder Kraulich wahrzunehmen und aufzusaugen, wie man sich in einer solchen Woche verhält. Was tun die neben dem Platz, um immer in der bestmöglichen Verfassung zu sein? Auf der anderen Seite braucht man diese Rotzigkeit, um irgendwann mal einen von den Jungs rauszudrängen. Da haben wir einen sehr guten Hinweis gegen Emmen bekommen, dass die zweite Halbzeit stabil war. Das Duo Schultz und Golz hatte kein Problem, drei Nachwuchsspieler um sich herum zu coachen. Wir konnten die Null halten und die zweite Halbzeit sogar gewinnen. Das gibt den Jungs sehr viel.
Rot-Weiss Essen: Koschinat mit Trainerteam zufrieden
Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit mit dem Trainerteam. Bei Ihrer Antritts-PK hatten Sie betont, sich zunächst einen Eindruck verschaffen zu wollen. Passt es für Sie?
In den letzten Jahren war ich es gewohnt, mit einem bestehenden Trainerteam zusammenzuarbeiten. Ein Trainerteam mitzunehmen, könnte bedeuten, dass man auf alle Dinge mit einem naiven, neuen Auge schaut. Das kann auch erfrischend sein. Am Ende geht es aber natürlich darum, dass es dem Klub Rot-Weiss Essen damit gut geht. Mein Gefühl sagt mir, dass wir sehr schnell zusammengefunden haben. Die Strategie, über Inhalte auf die persönliche Ebene zu kommen, hat gut funktioniert. Inhalte standen in der kurzen Zeit zu Beginn im Vordergrund. Dadurch entwickeln sich Vertrauen und Nähe. Das haben wir hier in die Türkei transportiert. Ich bin sehr zufrieden, weil ich auf der einen Seite eine sehr hohe Zahl an Informationen aus der Vergangenheit bekomme, die mein Bild runder machen. Auf der anderen Seite spüre ich, dass das Trainerteam bereit ist, eine Aufbruchstimmung zu erzeugen und meine neuen Ideen mitzutragen.
„Wir müssen klar sagen, dass Rot-Weiss Essen ein großer Klub mit einer großen Wucht ist, mit einer klaren Erwartungshaltung, nach anderthalb Jahrzehnten nicht wieder den Schritt zurückzumachen.“
Bestimmendes Thema war und ist die Kaderplanung. Zwei Transfers wurden schon getätigt, Sie hatten betont, dass Sie sich weitere Verstärkungen wünschen. Wann sind Sie zu der Erkenntnis gekommen, dass die Mannschaft mehrere neue Spieler benötigt? Mussten Sie erst weitere Eindrücke sammeln, oder war das im Zuge Ihrer ersten Kaderanalyse klar?
Wir haben etwas aufzuholen in der Rückrunde. Deshalb reicht es nicht, wenn wir es genauso angehen. Man sieht anhand der Profile und der Vita unserer Spieler, dass viele zum ersten Mal in der 3. Liga spielen. Das unterscheidet sich erheblich von dem, was viele Spieler erlebt haben, als sie aus NLZs entwachsen sind und der Fokus stark auf der persönlichen Entwicklung lag. Wir müssen klar sagen, dass Rot-Weiss Essen ein großer Klub mit einer großen Wucht ist, mit einer klaren Erwartungshaltung, nach anderthalb Jahrzehnten nicht wieder den Schritt zurückzumachen. Dabei würde uns Erfahrung sehr helfen. Spieler, die mit dieser Situation umgehen können und sehr schnell funktionieren. Wir haben eine sehr geschlossene Gruppe, die funktioniert. Aber dennoch geht es darum, entweder Verstärkungen zu finden, die die Mannschaft nach vorne bringen, oder Spieler, die auf der einen oder anderen Position für eine Konkurrenzsituation sorgen und die Absicherung erhöhen.
Rot-Weiss Essen: Koschinat spürt positive Resonanz
Was stimmt Sie positiv, dass es mit dem Klassenerhalt funktioniert?
Positiv stimmt mich die Haltung der Mannschaft und die Resonanz, die ich aus der Gruppe erhalte. Klarheit und Umstrukturierungen hatten ihren Effekt. Es hat sich für die Mannschaft kontinuierlich besser angefühlt, aus einer überlegenen Spielweise gegen Osnabrück ohne jeden Ertrag hin zu einer hohen Zahl an Torchancen gegen Stuttgart zu gelangen. Wir konnten Begeisterung beim Publikum wecken. Wir hatten eine hohe Dominanz gegen einen guten Gegner im Testspiel, mit vielen Chancen und erfolgreichen Abschlüssen. Zudem hatten wir bereits eine inhaltlich sehr gute Arbeit – und darauf möchte ich mich momentan weiter konzentrieren und gar nicht weit nach vorne schauen.