Antalya. Rot-Weiss Essen kämpft ab kommendem Sonntag um den Klassenerhalt in der 3. Liga. Trainer Uwe Koschinat erklärt im Interview, worauf es ankommt.
Es waren intensive Tage für die Profis des Fußball-Drittligisten Rot-Weiss Essen in der türkischen Urlaubsstadt Antalya. Zwei neue Spieler mussten integriert werden, auf dem Trainingsplatz sollten die Grundlagen für den Abstiegskampf in der 3. Liga geschaffen werden. RWE-Trainer Uwe Koschinat (53) war in dieser Woche nicht nur auf dem Rasen gefordert, der Nachfolger von Christoph Dabrowski führte täglich zahlreiche Gespräche. Mit den Spielern, den RWE-Mitarbeitern und auch den Fans, die den Verein zahlreich begleitet hatten.
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Koschinat war bemüht, Aufbruchstimmung zu erzeugen, die der Verein nach einer enttäuschenden Hinrunde auch dringend nötig hat. In einer Woche beginnt die Mission Klassenerhalt mit dem Auswärtsspiel bei Alemannia Aachen (Sonntag, 19. Januar, 16:30 Uhr). Für den emotionalen Westschlager wollen die Essener gerüstet sein, dafür hat Koschinat auf dem Rasen die eine oder andere lautstarke Ansage gemacht. Vor dem Ende des Trainingslagers trafen wir den RWE-Trainer und sprachen mit ihm im ersten Teil unseres Interviews über seine Arbeitsweise, persönlichen Druck und die Vorbereitung.
Uwe Koschinat, man hat Sie im Trainingslager auf dem Platz sehr impulsiv, emotional und auch lautstark wahrgenommen. Sind Sie privat auch so?
Uwe Koschinat: Nein, ich glaube nicht. Sicher ist es nicht so, dass ich zu Hause nur in mich gekehrt bin. Aber aus der Resonanz, die ich in den Jahren als Trainer erhalten habe, ist eine gewisse Klarheit etwas, was die Spieler sehr schätzen. In der jetzigen Situation haben wir nicht allzu viel Zeit, da brauchen die Spieler eine sehr klare Handlungsoption und müssen anhand der Stimmlage spüren, wie wichtig gewisse Handlungsweisen sind, um nachhaltig Erfolg zu haben. Deshalb unterscheidet sich die Arbeit auf dem Platz immer extrem von mir als Privatmensch oder von demjenigen, der die Gespräche führt. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir auf dem Platz nie sehr viel Zeit haben, um in lange Vermittlungsgespräche zu gehen. Da muss es aus meiner Sicht sehr klar und knackig sein. Spieler haben die klare Erwartungshaltung einer direkten Rückmeldung. Es geht am Ende nicht nur darum, die Mannschaft besser zu machen, sondern dem einzelnen Spieler klarzumachen, was man von ihm sehen will. Dann wissen alle, was gefordert ist. Damit bin ich bisher sehr gut gefahren und es unterscheidet sich extrem vom persönlichen Kontakt abseits des Spielfeldes.
Rot-Weiss Essen: Persönliche Begleitung ist Koschinat wichtig
Wie würden Sie darüber hinaus ihren Coaching-Stil beschreiben? Worauf kommt es für Sie an?
Ich trenne zwei Faktoren sehr stark voneinander. Das eine ist die persönliche Begleitung eines Spielers. Dazu gehören Verständnis und das Zuhören, aber es geht auch darum, seine Ideen klar zu vermitteln, klar zu argumentieren und den Spieler auf der emotionalen Ebene abzuholen. Tatsächlich ist es auch wichtig, zu hören, wohin die Jungs wollen. Zum Profifußball gehört auch, dass jeder seine persönliche Karriere hat. Ich glaube, da ist es sehr entscheidend, dass der Coach den Spieler versteht und umgekehrt auch. Dafür muss man sich Zeit nehmen und gut zuhören können. Auf der anderen Seite ist es wichtig, eine einheitliche Idee sowie individuelle und gruppentaktische Verhaltensmuster sehr klar an den Mann zu bringen. Da sind viele Dinge bei aller Individualität unverhandelbar. Das möchte ich in der Klarheit tun und beide Pole bedienen. Ich möchte zu den Spielern im Idealfall so viel Vertrauen aufbauen, dass man auch über den Fußball hinaus jemand ist, an den sich die Spieler wenden können. Das ist die Königsdisziplin. Wenn es um Fußball geht, sollen die Spieler Freiheiten im Rahmen taktischer Vorgaben haben. Es gibt jedoch viele Dinge, bei denen wir klare Abläufe benötigen und jeder Spieler eine klare Struktur im Kopf benötigt.
Kritiker warfen Ihnen zuletzt vor, dass Sie zweimal in Folge abgestiegen sind. Fühlen Sie sich ungerecht bewertet?
Ich habe in der letzten Zeit ehrlicherweise aufgegeben, Dinge, die von außen in eine Bewertung einfließen, in irgendeiner Form zu relativieren. Auf der anderen Seite kann ich nicht verleugnen, dass gerade die Station in Bielefeld eine war, in der die Dinge in einer hohen Geschwindigkeit so viel besser und anders wurden, dass der Klassenerhalt greifbar war. In den letzten drei Spielen aber sind dann Dinge geschehen, die dem Klub sehr wehgetan haben. Die Station in Osnabrück war im Vergleich etwas anders. Dem Verein war klar, dass es eine sehr schwierige Mission wird. Mit nur sieben Punkten aus 14 Spielen wäre der Klassenerhalt nahezu wie ein Wunder gewesen. Aber wenn Fachleute oder Menschen, die über mich urteilen, das am Ende doch anders bewerten, möchte ich nicht permanent dagegen ankämpfen.
RWE-Trainer Uwe Koschinat spielt gegen zwei Ex-Klubs
Nun treffen Sie mit Rot-Weiss Essen in der 3. Liga auf Bielefeld und den VfL Osnabrück. Wie geht man als Profi mit so einer Situation um? Schüttelt man das alles einfach ab, wenn es gegen die alten Klubs geht?
Nein. Zum einen kann ich nicht verhehlen, dass eine gewisse Neugier da ist. Wie wird man dort empfangen? Was ist von einem geblieben? Die Zeit in Osnabrück war eine sehr kurze. Ich glaube, wer mich und meine Klubs begleitet hat, konnte sehen, dass ich ein Stadion sehr schnell mitnehmen konnte und in den beiden genannten Vereinen relativ schnell eine Art Hoffnungsträger war, der im Vordergrund stand und schnell viele Dinge verändert hat. Es fühlte sich im Dezember in Osnabrück besonders an, gegen die Jungs zu spielen, die man auf die Saison vorbereitet hat. Aber in der neuen Aufgabe ist man doch gefangen, sodass es sich etwas verläuft.
Zur Bielefelder Alm geht es schon am dritten Rückrundenspieltag.
Bielefeld ist eine etwas andere Situation, da von den handelnden Personen kaum noch jemand da ist. Es gibt aktuell auch keinen einzigen Spieler, der zur Zweitliga-Zeit im Kader war. Michael Mutzel hat auch aufgehört als Sport-Geschäftsführer. Er war mein einziger Kontakt zuletzt.
Jetzt geht es mit Rot-Weiss Essen wieder in den Abstiegskampf. Spüren Sie nach den letzten beiden Stationen persönlichen Druck?
Davon will ich mich freimachen. Es ist eher eine Auszeichnung, dass sich ein Verein wie Rot-Weiss Essen an mich wendet, meine Einschätzung zu einer schwierigen Situation hören möchte und mir am Ende das Vertrauen schenkt. Es lenkt nur von Dingen ab, die ich zu entscheiden habe. Da bin ich erfahren genug, um zu wissen, dass der Klub und die Mannschaft meine Aufmerksamkeit haben und meine positive Ausstrahlung benötigen. Jetzt müssen wir das Schiff wieder in eine andere Richtung führen. Gedanken an ein positives oder negatives Ende wären nur ablenkend.
„Eine gewisse Geilheit in der Ballrückeroberung, in der defensiven Stabilität muss entwickelt werden“
Die kurze Vorbereitung neigt sich dem Ende zu. Wie fällt Ihr Trainingslager-Fazit aus? Sind Sie mit Ihrer Mannschaft zufrieden?
Was die Bedingungen angeht, haben wir einen Sechser im Lotto gezogen. Denn sie sind fantastisch. Das Wetter spielt eine sehr große Rolle. Wir mussten keinerlei Unwägbarkeiten in diesem Trainingslager einkalkulieren. Platz-, Hotel- und Witterungs-Bedingungen waren hervorragend. In Deutschland hätten wir aufgrund des Wetters große Probleme gehabt, unser Programm durchzuziehen. Es hat insgesamt sehr gut funktioniert. Vor unserer Abreise haben wir einen wichtigen Test unter perfekten Bedingungen gegen Emmen gespielt, in Deutschland wurde die Witterung danach deutlich schlechter. Wenn wir zurückkommen und die Arbeit Mitte der Woche wieder aufnehmen, arbeiten wir wieder unter guten Bedingungen und können uns akklimatisieren. Positiv war zudem in der Türkei, dass ich mir sehr viel Zeit nehmen konnte, um mit einzelnen Spielern zu sprechen und auch ihre Sichtweise zu hören und eine Nähe zu den Jungs zu finden. Das ist schon gut.
Rot-Weiss Essen: Koschinat fordert Emotionalität
Mir ist ein Satz von Ihnen während des Trainingslagers hängengeblieben. Sie riefen Dion Berisha nach einer erfolgreichen Balleroberung zu, dass er Liebe für das Spiel gegen den Ball entwickeln müsse. Können Sie das genauer ausführen?
In den letzten Jahren, in denen ich zwischen Zweit- und Drittliga-Niveau pendeln konnte, gab es einen entscheidenden Unterschied zwischen guten und sehr guten Spielern. Es gibt häufig Spieler, die über ein hohes technisches oder athletisches Potential verfügen, sich aber nur über eine Spielrichtung definieren. Um oben anzukommen, musst du beides haben. Das sollte der Trainer nicht nur vorgeben, es muss von innen kommen. Eine gewisse Geilheit in der Ballrückeroberung, in der defensiven Stabilität muss entwickelt werden. Wenn man das miteinander verbindet, können Spieler einen nächsten sehr großen Schritt machen, weil sie über fußballerisches Potential verfügen. Es wird aber schwierig, wenn man sich nur darüber definiert, auf dem obersten Niveau anzukommen, weil es viele gute Fußballer gibt. Wenn das Spiel gegen den Ball nicht mit Emotionalität, sondern mit einer gewissen Notwendigkeit verbunden ist, reicht es auf Dauer für ganz oben nicht.
Teil 2 des Interviews mit RWE-Trainer Uwe Koschinat lesen Sie ab Montag hier
- RWE: „Ganz andere Schärfe“ - Boyamba lobt Neu-Trainer Koschinat
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