Essen. Rot-Weiss Essen steht heute gegen Sandhausen unter Zugzwang. Das gilt auch für den Trainer, der mit der Situation besser umgeht als seine Spieler.
Christoph Dabrowski (46) reagierte mit einem kurzen Lächeln im Gesicht, als er nach dem verlorenen Spiel bei Erzgebirge Aue auf seine persönliche Gefühlslage in dieser so kritischen Phase für den Fußball-Drittligisten Rot-Weiss Essen angesprochen wurde. „Druck ist hier immer auf dem Kessel“, antwortete der RWE-Trainer auf die Frage, wie er mit der Situation umgehe.
Vor dem Drittliga-Heimspiel der Essener am Samstag (14 Uhr) gegen den Tabellenführer SV Sandhausen ist die Anspannung im gesamten RWE-Umfeld spürbar. Der Blick auf die Tabelle zeigt, dass die Rot-Weissen die Erwartungen in dieser Saison bisher nicht erfüllt haben. RWE steckt nach 14 Spielen im Abstiegskampf, nur ein mehr erzieltes Tor trennt den letztjährigen Aufstiegskandidaten von einem Abstiegsplatz.
Rot-Weiss Essen: Christoph Dabrowski braucht schnell Ergebnisse
Dabrowski wird an der Essener Hafenstraße fachlich und menschlich geschätzt, auch die Mannschaft steht nach Informationen dieser Redaktion hinter dem Trainer. Doch dem früheren Kapitän des VfL Bochum ist bewusst, dass sein Team konstant punkten muss, sonst könnte es auch für ihn eng werden. Eine klare Niederlage wie beim 0:4 in Rostock könnte sich Dabrowski auch gegen Spitzenreiter Sandhausen nicht erlauben. Der Trainer bewegt sich auf dünnem Eis, Dabrowski hat jedoch schon in frühen Jahren gelernt, mit Druck und unangenehmen Situationen umzugehen.
Im Alter von sieben Jahren ist er mit seiner Mutter ohne Vater aus dem polnischen Kattowitz ausgewandert und zog 1985 nach West-Berlin. Dabrowski sprach vor einigen Monaten im WDR-Podcast „Einfach Fußball“ von einem „großen Abenteuer“, das ihn geprägt habe. Ohne Deutsch-Kenntnisse biss er sich in der Schule durch und später auch im Fußball-Geschäft. In der A-Jugend fiel Dabrowski Scouts von Werder Bremen auf. Der Beginn einer steilen Karriere als Spieler mit 273 Bundesligaspielen für Werder, Hannover 96, Arminia Bielefeld und den VfL Bochum. Sein Weg in die Bundesliga war „eisern und steinig, mit Ängsten und Sorgen“ behaftet, sagte er.
Rot-Weiss Essen: Dabrowski stand in seiner ersten Saison vor dem Aus
Ähnlich lässt sich seine Zeit als Trainer an der Essener Hafenstraße beschreiben. Nach dem RWE-Aufstieg übernahm er eine Mannschaft, die er nicht zusammengestellt hatte. Der Revierklub tat sich schwer, sicherte in Dabrowskis erster Saison dennoch den Klassenerhalt. Vielen Fans dieses hochemotionalen Klubs reichte das nicht, sie forderten zum Saisonende den Rauswurf des Trainers. Vor einem RWE-Heimspiel wurden zahlreiche Plakate mit der Aufschrift „Dabrowski raus“ hochgehalten und an die Zäune geklebt..
Der damalige RWE-Chef Marcus Uhlig schenkte ihm dennoch das Vertrauen und Dabrowski zahlte es nach einer kritischen Phase zu Beginn der letzten Saison zurück. Der 46-Jährige entwickelte die Mannschaft weiter und klopfte ans Tor zur 2. Bundesliga. Ein Erfolg mit Schattenseiten. Viele Leistungsträger verließen den Klub im Sommer, erholt hat sich die Mannschaft davon noch nicht. In seinem dritten Jahr in Essen steht Dabrowski wieder vor einer harten Probe.
„Wir stecken in einem Entwicklungsprozess“, hat er in den letzten Wochen immer wieder betont. Lange darf dieser aber nicht mehr andauern. Ein Abstieg in die Regionalliga West wäre für den Traditionsverein nur schwer zu verkraften. Viele Arbeitsplätze hängen vom Verbleib im Profifußball ab, nur wenige Spieler stünden für die vierte Liga unter Vertrag. Dabrowski weiß, dass die Lage deshalb angespannt ist. „Grundsätzlich bin ich kein Freund davon, Unruhe oder Hektik zu verbreiten. Aber klar ist, bei uns gibt es gerade nicht die maximale Leichtigkeit.“
RWE hat „vier oder fünf Punkte zu wenig“ auf dem Konto
In diese schwierige Situation hat sich die Mannschaft mit unnötigen Punktverlusten selbst manövriert. Spielerisch war ein Aufwärtstrend in den letzten Wochen deutlich erkennbar, die fehlende Konstanz ist jedoch das große RWE-Problem. Auf die 4:0-Gala gegen Spitzenreiter Energie Cottbus folgte eine ernüchternde und vermeidbare 1:2-Pleite in Aue. Noch ist es dem Dabrowski-Team nicht gelungen, zwei Siege in Folge einzufahren. „Es wäre möglich, vier oder fünf Punkte mehr auf dem Konto zu haben, dann würden wir uns über andere Dinge unterhalten“, meinte Dabrowski am Donnerstag.
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Fünf Spiele bleiben ihm und seiner Mannschaft noch, um für ein stressfreies Weihnachtsfest zu sorgen. Am Samstag kommt der starke SV Sandhausen nach Essen. Dabrowski kann immerhin auf die zuletzt angeschlagenen Michael Schultz und Torben Müsel zurückgreifen. Der Einsatz von Mittelfeldspieler Thomas Eisfeld ist hingegen noch fraglich. Nach der Partie gegen Sandhausen folgt das schwere Auswärtsspiel beim seit sechs Partien ungeschlagenen 1. FC Saarbrücken, anschließend geht es noch gegen den TSV 1860 München, zum VfL Osnabrück und die U23 des VfB Stuttgart.
Rot-Weiss Essen: Spieler spüren den Druck
Mit dem Druck im Abstiegskampf geht der Trainer offensichtlich besser um als seine Spieler. Dabrowski räumte nach dem hart erkämpften Sieg im Niederrheinpokal beim SV Sonsbeck ein, dass dies aktuell ein Problem sei. „Man sieht, dass unsere Situation nicht einfach ist. Bei dem einen oder anderen rattert es vielleicht im Kopf.“
Der RWE-Trainer ist nun auch auf seinem Spezialgebiet gefragt. In Sachen Widerstandsfähigkeit und Stressbewältigung macht Christoph Dabrowski so schnell keiner was vor.