Köln. .
Dopingforscher und Anti-Doping-Kämpfer Professor Wilhelm Schänzer freut sich trotz aller Negativmeldungen auf die Olympischen Winterspiele. Auch darauf, dass Eisschnelllaufstar Claudia Pechstein antreten wird. Denn ihre Sperre, so meint Schänzer, hätte „nicht passieren dürfen“.
Herr Schänzer, Freitag beginnen die Olympischen Winterspiele in Sotschi. Freuen Sie sich darauf?
Professor Wilhelm Schänzer: Ja, Olympische Spiele sind ja immer ein Highlight.
Wie muss man sich das vorstellen: Professor Schänzer, der Dopingfahnder, fiebert vor dem Fernseher mit den deutschen Athleten mit?
Schänzer: Vielleicht fiebere ich nicht ganz so mit, weil ich etwas Abstand habe.
Können Sie sagen, wer möglicherweise gedopt ist und wer nicht?
Schänzer: Nein, das würde ich nicht wagen, da habe ich schon zu viele Überraschungen erlebt. . .
Kann man jemandem mit Mutmaßungen richtig Unrecht tun?
Schänzer: Ja. Deshalb bin ich sehr vorsichtig mit schnellen Vermutungen.
Könnte man der Berliner Eisschnellläuferin Claudia Pechstein Unrecht getan haben, die 2009 als weltweit erste Spitzensportlerin allein auf Grund von Indizien eine Dopingsperre erhalten hat?
Schänzer: Bei Claudia Pechstein gibt es viele Daten, die im Nachhinein zusammengetragen wurden und die zeigen, dass sie auf Grund einer vererbten Anomalie ein außergewöhnliches Blutbild hat. Aus meiner Sicht ist die Datenlage bei Frau Pechstein nach heutigem Stand nicht ausreichend, um sie des Dopings zu bezichtigen.
Nach damaligem Stand war sie es?
Schänzer: Der Welteislauf-Verband hatte damals sein Blutpassprojekt, aber mögliche Blutanomalien zum Beispiel sind viel zu spät in dieses Verfahren mit eingebunden worden.
Der Fall Pechstein ist somit ein tragischer?
Schänzer: Ich bin der Meinung, dass so etwas nicht passieren darf. So etwas müssen wir versuchen zu verhindern.
Eine Sperre auf Grund von Indizien im Blutpass kann also schon richtig sein, im Fall Pechstein aber war das Verfahren noch nicht ausgereift?
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Schänzer: Das Blutpassprogramm, so wie wir es heute anwenden, erfasst mehr Parameter als nur die Retikulozytenwerte wie bei Frau Pechstein. Diese können extreme Abweichungen aufweisen, das wissen wir heute. Wenn man das früh genug in das Verfahren einbezogen hätte, wäre Claudia Pechstein gar nicht gesperrt worden.
Können Sie sagen, welche Mittel zur Zeit hoch im Kurs stehen bei den Dopern?
Schänzer: Zumindest hoffen wir, dass wir da eine Ahnung haben.
Welche sind es?
Schänzer: Nach wie vor anabole Steroide. Gerade dort, wo außerhalb des Wettkampfes nicht genügend kontrolliert wird. Durch eine verbesserte Analytik haben wir in der letzten Zeit sehr viele Athleten vor allem aus Osteuropa überführt. Dann spielen Epo und seine Analogen zur Verbesserung der Sauerstoffaufnahmefähigkeit weiterhin eine Rolle. Niedrig dosiert und geschickt appliziert, so wie es Lance Armstrong gemacht hat, ist das nur vier bis fünf Tage nachweisbar.
Und wie lange wirkt es?
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Schänzer: Damit es überhaupt wirkt, muss ich es über eine längere Zeit nehmen, zwei, drei, vier Wochen. Wenn ich dann Kontrollen setze, erwische ich den Athleten auch. Nach so einer Epo-Kur hält die Wirkung aber sicherlich zwei, drei Wochen an, also auf jeden Fall länger als die Nachweisbarkeit. Deshalb sind Trainingskontrollen ja so wichtig.
Wie sind Sie eigentlich Dopingfahnder geworden? Als Kind war das ja wahrscheinlich nicht Ihr Traum, oder?
Schänzer: Ich wollte eigentlich Lehrer werden. Aber dann hat mich nach meinem Sport- und Chemiestudium die Wissenschaft begeistert. Ich sehe mich nicht so sehr als Dopingfahnder, sondern eher als Dopinganalytiker. 1978 habe ich bei Professor Donike angefangen. Die Analysegeräte und -methoden, die 1972 bei den Olympischen Spielen eingesetzt worden sind, wurden nach und nach weiterentwickelt. Das ist schon spannend. Und man kann etwas Positives für den Sport tun, so ist meine Verbindung zum Sport geblieben.
Hat der Sport eine Chance?
Schänzer: Ausrotten wird man Doping nie. Aber ich denke, die Abschreckung ist in den letzten Jahren erhöht worden. Wenn man dann sieht, dass auch Leute wie Lance Armstrong überführt werden können, ist das ein großer Erfolg. Da dachte man immer, das schafft man nie. Aber jetzt wissen wir, wie wir arbeiten müssen.