Iserlohn/Berlin. .

„Der Sport muss mehr Flagge zeigen“, fordert die SPD-Politikerin Dagmar Freitag. Gestern wurde die Iserlohnerin erneut zur Vorsitzenden des Sportausschusses im Bundestag gewählt. Wir haben mit ihr über Ziele und Aufgaben gesprochen.


Frage: Fünf Monate nach seiner letzten Sitzung nimmt der Sportausschuss jetzt wieder seine Arbeit auf. Was sind die größten Baustellen?
Dagmar Freitag: Zunächst werde ich bei den Fraktionen intensiv dafür werben, dass die Sitzungen des Sportausschusses ab sofort wieder öffentlich stattfinden.

Inhaltlich ist eine zügige Aufnahme der parlamentarischen Beratungen über wirksame gesetzliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Doping aus meiner Sicht eine der vordringlichsten Aufgaben. Die Argumente für und wider weitergehende gesetzliche Regelungen sind hinreichend ausgetauscht; nun ist es Aufgabe der Politik, hierzu Entscheidungen zu treffen.

Wir werden uns auch Gedanken machen müssen, wie wir mittel- und langfristig die Spitzensportförderung sichern und verbessern, aber auch transparenter und effektiver gestalten können. Einen vergleichbaren Stellenwert in den jetzt anstehenden Diskussionen muss die gesicherte und ausreichende Finanzierung der Nationalen Anti Doping Agentur haben. Auch die andauernde gesellschaftspolitische Diskussion um Vergabekriterien und bereits erfolgte Vergaben von internationalen Sportgroßereignissen muss sich in den Ausschussberatungen wiederfinden.

Sie haben gefordert, der Sport, die Sportpolitik müsse mehr Flagge zeigen. Wie?
Der Sportausschuss kann seine Rolle als konstruktiv-kritischer Begleiter des Sports auch in den oben genannten gesellschaftspolitischen Themen erkennbarer herausstellen, auch Erwartungen an die Verbände formulieren. Das ist wirklich kein Angriff auf die Autonomie des Sports. Der Sport ist wesentlicher Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens – national wie international – und natürlich als Teil der Gesellschaft auch politisch. Sich auf die Position zurückzuziehen, wie Vertreter des organisierten Sports es gerne machen, der Sport sei per se unpolitisch, wird aus meiner Sicht nicht nur der Bedeutung, sondern auch den Möglichkeiten des Sports nicht gerecht.

Ist das nicht auch eine Kritik an Ihrer eigenen Tätigkeit? Sie arbeiten an exponierter Stelle. Müssen auch Sie mehr Flagge zeigen?
Man sagt mir nach, dass ich zu jenen Mitgliedern des Ausschusses zähle, die zu gegebener Zeit mit durchaus pointierten Aussagen oder Forderungen aufwarten. Für manchen Geschmack auch schon mal zu pointiert. Für parteipolitisch geprägte Stellungnahmen sind im Übrigen die sportpolitischen Sprecherinnen und Sprecher der Fraktionen die richtigen Ansprechpartner.

Fahren Sie nach Sotschi?
Zum aktuellen Zeitpunkt steht eine Reise zu den Olympischen Spielen nicht zur Debatte. Das heißt aber nicht, dass Abgeordnete von Reisen zu internationalen Sportgroßereignissen grundsätzlich Abstand nehmen müssen. Für mich wäre immer entscheidend, welche Möglichkeiten der Kontaktaufnahme zu Oppositionellen und natürlich auch politischen Entscheidungsträgern der Ausrichterstaaten gewährleistet wären. Besteht keine Möglichkeit dazu, sollte man auf eine Reise verzichten – ausschließlich als Claqueur auf der Tribüne zu sitzen, ist für mich als Abgeordnete keine Alternative.

Die Fußball-WM 2018 findet auch in Russland statt. Boykottieren?
Ich halte grundsätzlich wenig von Boykotten; das bleibt denen überlassen, die die Konfrontation suchen. Solche sportlichen Großereignisse bieten für Mandatsträger aus der Politik immer auch die Möglichkeit, Gespräche mit Regierungsvertretern und auch deren Kritikern zu führen. Man muss es entsprechend nachdrücklich einfordern.

Katar ist ein undemokratisches Land, Frauen haben dort weniger Rechte, Homosexuelle kommen ins Gefängnis. Sollte die FIFA ihre Entscheidung, die WM 2022 dorthin zu vergeben, revidieren?
Ich bin realistisch genug um einzuschätzen, dass dieses Rad nicht zurück gedreht werden wird. Aber die FIFA muss gegenüber den Machthabern in Katar endlich deutlicher machen, dass die aktuellen Rahmenbedingen für eine internationale Sportgroßveranstaltung nicht akzeptabel sind. Das können Parlamentarier - nicht nur aus Deutschland übrigens – bei Gesprächen in Ländern wie Katar ansprechen und einfordern.

Das IOC hat seit einigen Monaten einen deutschen Präsidenten. Welche Reformen muss er dringend anstoßen?
Herr Dr. Bach hat die entscheidende Aufgabe, weiteren Schaden von der Olympischen Bewegung abzuwenden und ihr auch in demokratischen Gesellschaften wieder zu mehr Anerkennung zu verhelfen. Dazu wird er im IOC Reformen durchführen müssen. Die Entscheidung gegen die Bewerbung Münchens war aus meiner Sicht ein deutliches Signal der Kritik auch an der Vergabepolitik des IOC und dem Gigantismus heutiger Olympischer Spiele. Im Raum stehen 40 bis 45 Milliarden Dollar für die bevorstehenden Spiele in Sotschi. Wenn hier kein Umdenken im IOC erfolgt, kann man sich leicht ausrechnen, welche Länder zukünftig noch Bewerbungen einreichen werden. Das ist eine Entwicklung, die nicht nur ich mit großer Sorge sehe.