Duisburg. Die Taktikanalyse der Partie zeigt aber auch, wie der Gast den MSV Duisburg ab der 60. Minute in der eigenen Abwehr fesselte.

Das ist Christoph Gebhard

Trainer Christoph Gebhard ist in der Amateur-Fußball-Szene als Taktikfuchs bekannt. In der letzten Saison trainierte er die A-Jugend von Viktoria Buchholz. Mittlerweile bildet er zusammen mit Göksan Arslan das Trainerduo der Buchholzer Bezirksliga-Fußballer. Gebhard ist zudem Fan des MSV Duisburg. Der 47-Jährige verfolgt die Spiele der Zebras nicht nur mit Herzblut, sondern auch als Fachmann mit dem Blick auf das taktische Geschehen auf dem Platz. Für die Sportredaktion analysiert Christoph Gebhard die Spiele der Meidericher.

Eine Serie von 14 ungeschlagenen Pflichtspielen in Folge gab MSV-Trainer Dietmar Hirsch wenig Grund, etwas zu ändern. Mit der Rückkehr des zweikampf- und laufstarken Leon Müller eröffnete sich sogar die Möglichkeit, den Fokus gegen den starken Aufsteiger aus Lotte noch weiter auf die Arbeit gegen den Ball zu richten.

Dementsprechend spielstark war die Bank des MSV besetzt. Michelbrink, Bookjans, Tugbenyo, Pagliuca, Hartwig und Wegkamp wären beim Großteil der Ligakonkurrenten wohl unangefochtene Stammspieler, passten aber nicht 100 Prozent zu dem, was Hirsch gegen die Sportfreunde sehen wollte: Ball abgeben und den Gegner weit weg vom eigenen Tor halten, eigene Fehler vermeiden, Lotte stressen und Fehler erzwingen.

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Die Verantwortung für die Spielgestaltung wurde von Lotte dankend angenommen. Der MSV beschränkte sich darauf, gewohnt mannorientiert und bissig zu verteidigen. Über gewonnene Zweikämpfe wollte die Elf zu Balleroberungen kommen. Danach sollten die dribbelstarken Flügelspieler in Szene gesetzt werden. So unkompliziert und wenig überraschend der Plan war, so gut ging er lange auf. Lotte zeigte interessante Ideen, wie es den Plan durchkreuzen wollte. Der Neuling war dann aber in den entscheidenden Momenten in Sachen Ballbehandlung und Ballvortrag zu unsauber und träge.

Das änderte sich in der letzten halben Stunde. Ein Schlüsselmoment war eine Großchance der Gäste in der 58. Minute, als sich Sussek in der Entstehung rauslocken und überspielen ließ. Als Konsequenz verteidigten die Zebras in den folgenden Minuten passiv-abwartender und weniger aktiv-anlaufend. Zudem trugen die Sportfreunde, die sich im bisherigen Saisonverlauf in der Schlussviertelstunde noch treffsicherer als die Zebras zeigten, ihren Eigenanteil bei. Sie schoben den zweiten Sechser nach vorne und ihren Stürmer nah an die Abseitslinie. So nutzen sie die Mannorientierungen des MSV, um dessen Verbund nach hinten zu drücken. Lotte konnte stressfreier aufbauen und seine Angriffe besser vorbereiten. Der MSV wurde damit im Pressing zugriffsloser.

Patrick Sussek ließ sich in der 58. Minute überspielen. Das hatte Folgen.
Patrick Sussek ließ sich in der 58. Minute überspielen. Das hatte Folgen. © FUNKE Foto Services | Jakob Klos

Die Zebras schafften es hier nicht, das Spiel über den eigenen Ballbesitz zu kontrollieren. Staffelungen, Freilaufbewegungen und Entscheidungen wirkten unentschlossen und halbherzig. Spielkontrolle über Ballbesitz war offenbar nicht Teil des Matchplans. So wurde der Sieg nach Hause gezittert.

So schön die souveräne Tabellenführung und so alternativlos der direkte Wiederaufstieg auch sind, so darf man den Blick auf die Zukunft nicht aus den Augen verlieren. Aachen ist letzte Saison mit einer ähnlichen Spielidee aufgestiegen. Jetzt kämpft die Alemannia in Liga 3 mit der ersten Krise. Dagegen haben Teams wie Elversberg und Ulm mit ballbesitzorientierterer Ausrichtung den Durchmarsch in die 2. Liga geschafft. Es wäre schön, wenn sich die Zebras in der Rückrunde auch diese Vereine zum Vorbild nehmen.

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