Melbourne. . Gibt es erneut ein Kapriolenjahr in der Formel 1? Zum Auftakt gewann Kimi Räikkönen, also weder Weltmeister Vettel noch Herausforderer Alonso. In der vergangenen Saison siegten in den ersten sieben Rennen sieben verschiedene Piloten. Sutil erlebt erste Führungs-Runden, Hülkenberg und Rosberg scheiden aus.
Asphalt und Lufttemperatur 18 Grad, das ist für australische Verhältnisse Winter-Wetter. Folgerichtig feiert die Formel 1 einen ersten Saisonsieger, der aus der Kälte kommt: Kimi Räikkönen, Berufsbezeichnung Iceman. Sebastian Vettel muss sich von der Pole-Position aus dem Lotus-Piloten und auch seinem Dauer-Widersacher Fernando Alonso im Ferrari geschlagen geben. Der Große Preis von Australien, von dem sich alle eine Klärung der Verhältnisse erwartet hatten, hat eher für mehr als weniger Fragezeichen gesorgt.
Damit steht – und das vermutlich auf absehbare Zeit – der eigentliche Sieger schon fest: das Publikum. Wie im vergangenen Jahr ist für die Spannung hauptsächlich der Reifenmonopolist Pirelli verantwortlich. Lotus behauptet zwar keck, eigens ein Auto für die noch unüberschaubaren Pneumischungen gebaut zu haben, und der eine Stopp weniger von Räikkönen bescherte ihm vom siebten Startplatz aus den 20. Karrieresieg, doch auch für vier Räder gilt: Wunder kann man nicht einfach so erklären. Bis der Gummi-Fetischismus wissenschaftlich aufgearbeitet sein wird, dürfte trotz der Mega-Computer noch Zeit vergehen.
Nico Rosberg mit Elektrikdefekt
Bestes Beispiel das Comeback von Adrian Sutil: Der Münchener schaffte beim Auftakt-Grand-Prix die ersten Führungsrunden – seine Reifen waren ein Dauerläufer. Dann musste er wechseln und fiel auf Platz sieben zurück. Damit war er immerhin glücklicher als die deutsche Nico-Fraktion: Talent Hülkenberg durfte erst gar nicht in seinen Sauber-Rennwagen steigen, weil der ein Benzinleck aufwies, Rosberg mit dem renovierten Mercedes rollte nach 27 von 58 Runden mit einem Elektrikdefekt aus.
Jetzt geht es nach Malaysia
Formel 1Formel 1Nimmt man noch die dramatischen Unterschiede zwischen den Teamkollegen dazu (Räikkönens Partner Romain Grosjean landete auf Rang zehn, Vettels Kumpan Webber nur auf dem sechsten Platz), dann gilt es binnen Wochenfrist eine Menge Rätsel zu lösen. Schon kommenden Sonntag steht der Große Preis von Malaysia an. Wetter- und damit Reifenprognose: heiß, mit Regenschauern.
Aus der Formel Komplex wird die Formel Kurios. In Melbourne sorgte dafür schon ein Sturm am Samstag, weshalb zwei Drittel des Qualifyings Sonntagmorgen nachgeholt werden mussten. Vettel und Webber düpierten alle, und nach der ersten Runde im Rennen war der Weltmeister dem Ferrari-Verfolger Felipe Massa schon um zwei Sekunden entwischt. Dann zickten die Pneus. Und deshalb zeigte sich der Heppenheimer, froh um den dritten Platz, schmallippiger als es das Ergebnis eigentlich erfordert. Fast wäre der große Bluff des Champions-Teams gelungen, das sich selbst beinahe als Außenseiter sehen wollte. Aber mit viel Sprit im Tank hat sich der RB9 plötzlich ganz anders verhalten als geplant. Können Weltmeisterautos eigentlich frieren?
„Gratulation an Kimi, er hat den besten Job gemacht. Man muss sich ab und zu auch mal eingestehen, dass andere schneller sind. Das kann passieren“, sagte Vettel über den triumphalen Saisonaufschlag seines Badminton-Kumpels.
Champagner-Premiere für Räikkönen
„Einer meiner leichtesten Siege“, gab der große Schweiger gewohnt ungerührt zurück. Dabei hatte keiner den Finnen auf der Rechnung. Ihn störte nur etwas, dass er beim Schluck aus der Champagnerpulle von den Kollegen auf dem Podium immer wieder gestört wurde. Schließlich hatte er seine beiden bisherigen Podestgastspiele in arabischen Ländern gegeben, wo es nur Rosenwasser gibt. Die Top Drei in Melbourne entsprechen übrigens exakt dem Resultat des Grand Prix von Abu Dhabi im letzten Herbst. Und in der – umgekehrten Reihenfolge – dem Endstand der letztjährigen Weltmeisterschaft.
Formel 1Formel 1Während Räikkönen den lässigen Surfer-Gruß in die Kameras machte, stießen die Rivalen Alonso und Vettel hoch über der Boxengasse an. Keine Versöhnung, sondern eher ein Zunicken, dass es jetzt unter neuen Vorzeichen wieder gilt. Der Spanier fixierte sich für das eine Mal nicht auf Vettel: „Kimi war zu schnell für uns alle. Der zweite Platz ist fantastisch für uns.“
Im vergangenen Jahr gab es in den ersten sieben Rennen sieben verschiedene Sieger. Melbourne 2013 hat den Grundstein für das nächste Kapriolenjahr gelegt.