Melbourne. . Weltmeister Sebastian Vettel und sein Herausforderer Fernando Alonso treffen sich vor dem ersten Saison-Rennen in Melbourne zum Rede-Duell. Angriffe wie jene auf der Piste sparen sich beide auf. Trotzdem wird deutlich, dass die beiden Top-Kontrahenten nicht viel gemein haben.

Je böser die Leute, desto besser die Belohnung. Sätze wie diesen wünscht man sich von Sebastian Vettel oder Fernando Alonso beim ersten verbalen Crashtest der neuen Formel-1-Saison. Doch bei der Talkrunde vor dem Großen Preis von Australien zeigt sich, dass die beiden großen Rivalen der letzten (und wohl auch der neuen) Saison nicht wirklich für eine Rolle als „Django unchained“ taugen. Sie zelebrierten eine halbe Stunde lang gepflegte Langeweile. Zu sagen hätten sich die beiden so gleichen und doch so unterschiedlichen Typen vielleicht sogar tatsächlich etwas. Aber gut, dass es beim Austausch von Nettigkeiten geblieben ist. Dann bleibt die böse Wahrheit – und die Belohnung – für die Piste im Albert Park übrig.

Zweimal in drei Jahren hat Fernando Alonso im letzten Rennen den Titel an Sebastian Vettel verloren, doch mit jedem Jahr wuchs sich der Frust erst zu Trotz und dann zu Selbstvertrauen aus. Ohne die Rennanzüge hatte man Schwierigkeiten herauszufinden, wer denn der wahre Weltmeister ist. Alonso hält sich für den echten Champion, Vettel hält hingegen wenig von jenen Psychospielchen, die sein Gegenspieler so perfekt wie ein PS-Machiavelli inszeniert.

Seitenhiebe von Alonso

Beispielsweise, in dem er behauptet, er müsse nicht Vettel schlagen, sondern Adrian Newey, den brillanten Red-Bull-Konstrukteur. Oder, dass er, nach dem stärksten Gegner gefragt, immer Lewis Hamilton antwortet. Im umgekehrten Fall spricht Vettel stets von hohem Respekt vor Alonso, und der Heppenheimer meint das wohl auch so. Ihm ist das ganze Gehabe zuwider, und als er und Alonso auf dem Podium im Albert Park nebeneinander gesetzt werden, gibt er sich mal schläfrig desinteressiert, manchmal flachst er mit seinem Kumpel Kimi Räikkönen auf der anderen Seite.

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Der Jetlag mag bremsend wirken, denn in Wirklichkeit herrscht in diesem Duell Hochspannung. Es geht nicht nur darum, ob Vettel mit einem Titel Nummer vier das zweite Jahrzehnt des neuen Jahrtausends bereits als seine Ära manifestiert, es geht auch um die Machtfrage im Fahrerlager. Michael Schumacher weg, Jenson Button nicht interessiert, Lewis Hamilton noch flatterhaft, Kimi Räikkönen ablehnend – aber diese Königsklasse braucht einen Regenten.

Wer soll Vettel stoppen, wenn nicht er? Alonso bewältigt zunächst die jüngste Vergangenheit, und behauptet, keinen Schmerz über die wieder erst im Finale verlorene WM mitzunehmen: „Ich fühle mich privilegiert, um den Titel fahren zu können. Wie viele Leute können das überhaupt?“

Privat gibt es keinen Kontakt

Um ein bisschen mehr Aggressivität in die Runde zu bringen, werden die Gegenspieler gebeten, sich gegenseitig zu beschreiben. „Sebastian ist dreimal in Folge Weltmeister, da gibt es nicht mehr zu sagen, das besorgen die Rekorde“, beginnt der 31 Jahre alte Alonso, „er ist seit vielen Jahren mein Rivale. Privat haben wir nicht viel miteinander zu tun, er stammt ja aus einer anderen Generation. Aber er wirkt wie ein normaler Mensch...“

Vettel bedankt sich höflich für dieses Kompliment, wenn es denn eins sein sollte, und bezeichnet den Spanier als „den am meisten respektierten und akzeptierten“ unter den Kollegen. Sich kennenzulernen, dazu bliebe wenig Zeit: „Ich trinke keinen Kaffee, aber ich lade Fernando gern auf ein Red Bull ein...“ Blaue Ecke, rote Ecke.

Es ist ein gedanklicher Kreisverkehr aus Respekt, Furcht, Ehrgeiz und Aggressivität, der die beiden an- und umtreibt. Angeblich hat Alonso sich in seinen Renten-Vertrag mit Ferrari nachträglich festschreiben lassen, dass die Scuderia ihm bis 2016 Vettel nicht als Fahrerkollegen zur Seite stellen darf. Vettel, bis Ende 2014 an Red Bull Racing gebunden, hatte immer wieder mit der Vorstellung geliebäugelt, irgendwann einmal für die Italiener zu fahren. Und weiß scheinbar gar nicht, wie sehr er Platzhirsch Alonso damit in den roten Bereich treibt.

Ein Auto namens „Hungry Heidi“

Die Eins auf dem Auto zu tragen ist eine schöne Gewohnheit für den 25 Jahre alten Vettel geworden, zuhause auf dem Bauernhof steht der WM-Pokal jetzt auch in einer Vitrine: „Aber das macht es alles nicht einfacher, es ist kein Vorteil. Der Druck ist immer groß.“ Immerhin ist der Kosename für den RB9, der bei den Testfahrten noch nicht wirklich überzeugen konnte, gefunden: „Hungry Heidi“, entstanden im Zusammenwirken mit seinen Mechanikern in einem Melbourner Steakhouse: „Horny („geil“, Anm. der Red.) konnten wir sie ja schlecht nennen...“

Das mit dem Hunger ist auch auf die dringende Klärung der Ungewissheit zu beziehen, die durch die kombinierte Reifen-/Klima-/Haltbarkeitsfrage entstanden ist. „Wir wussten noch nie weniger als in diesem Jahr. Deshalb sind wir auch hier, um das herauszufinden, und die richtige Richtung einzuschlagen“, sagt Vettel. Und nicht etwa, um ziemlich beste Freunde zu werden.