Melbourne. . Mercedes hat sich zum Saison-Auftakt in Australien neu aufgestellt und hat große Ziele mit dem neuen Piloten Lewis Hamilton, dem neuen Motorsportchef Christian Torger Wolff und dem neuen Aufsichtsrat Niki Lauda. Ansprechende Testfahrten haben dem Rennstall die Rolle eines Mitfavoriten eingebracht.

Der tief hängende Himmel über dem Strand von St. Kilda ist farblich abgestimmt auf jenen Unternehmensfilm, der in einem Restaurant an der Promenade uraufgeführt wird. Der Streifen ist mehr Selbstmotivation als Werbebotschaft, sein Titel klingt vielversprechend: „Der Neustart der Silberpfeile.“ Tatsächlich war vor dem Saisonstart noch nie so viel anders beim Mercedes-Rennstall. Fragt sich nur, mit welchem Effekt: Umbruch, Aufbruch, Durchbruch?

Hauptquartier Rennfabrik

Es ist Christian Torger Wolff, kurz „Toto“, der die Botschaft des Stuttgarter Konzerns in Gesten und Worte packt. Der Österreicher mit Wurzeln im Beteiligungsgeschäft und dem Tourenwagensport ist Nachfolger von Norbert Haug als Motorsportchef. Dass bei ihm vieles anders und besser werden soll, zeigt die Entscheidung für Wolffs hauptsächliches Revier: Nicht vom Stuttgarter Konzernbüro, sondern aus der Rennfabrik im englischen Brackley wird er wirken.

Es ist eine letzte Chance, die Mercedes-Lenker Dieter Zetsche dem Werksteam gewährt, und er hat dazu eine höchst ungewöhnliche Konstruktion gewählt: Erst wurde Niki Lauda, der im Hauptberuf weiterhin ins RTL-Mikrofon sprechen darf, zum Unterhändler gemacht. Lauda pokerte mit Bernie Ecclestone um die generelle Formel-1-Zukunft von Mercedes. Dann heuerte er Lewis Hamilton an, um Michael Schumacher auszumustern und wurde anschließend Aufsichtsrat des Teams.

Landsmann Wolff wurde vom Mercedes-Vorstand bestellt, und die beiden verbindet nicht bloß der Pass: Unter ihnen wurden 40 Prozent der Rennstallanteile aufgeteilt. Damit sind sie mit im Risiko, aber das ist auch ihre Chance.

Ansprechende Testergebnisse

Und es ist mächtig Unruhe im zuletzt festgefahrenen Räderwerk. Die Veränderungen gehen noch weiter: Technikdirektor Paddy Lowe vom Rivalen McLaren wird 2014 bei Mercedes anheuern. Damit wäre die Nachfolge des Teamchefs auch schon geregelt.

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Nach ansprechenden Testfahrten, die Mercedes sogar die Rolle eines Mitfavoriten einbrachten, wartet nun der erste große Härtetest. Vom ersten Trainingstag in Australien lässt sich allerdings noch nicht viel ableiten – Nico Rosberg war zwar Tagesdritter, rollte aber fünf Minuten vor Schluss mit einem Getriebedefekt aus.

Von einer möglichen Exit-Strategie der deutschen Automarke will Wolff indes nichts wissen, das Gegenteil sei der Fall. Interessenkonflikte wie der von Lauda oder eine ungesunde Rivalität zwischen Unruheherd Lewis Hamilton und Platzhirsch Nico Rosberg sieht er ebenfalls nicht.

Identität mit Stern

Viel mehr sorgt sich der österreichische Stratege um eine richtige Identität für seine neue Mannschaft – übergeordnet ist er auch für das DTM-Engagement verantwortlich. Die fängt beim Eindruck auf dem Firmenparkplatz in Mittelengland an, wo für seinen Geschmack zu wenig Mitarbeiterfahrzeuge mit dem Stern stehen. Deshalb hat er einen Informationstag angesetzt. Und die Resonanz stellte ihn zufrieden: „Die Leute haben gehofft, dass mal einer kommt und ihnen sagt, wer sie sind.“

Auch Lewis Hamilton will sich nach seinem Abschied von McLaren im Alter von 28 Jahren in dieser Saison noch einmal ganz neu erfinden. Beim ersten Auftritt im Werks-Silber lässt er kräftig seinen Armschmuck glitzern. Uhr und Armband sind allerdings noch in Gold.