Shanghai. . Weil der Red Bull noch nicht perfekt läuft, sind umso mehr die Qualitäten des Fahrers gefragt. Sebastian Vettel will (noch) nicht von einem Fehlstart sprechen, aber der Champion lässt sich auf die Vokabel „holprig“ ein.
Für PR-Nummern mit Landesbezug ist Sebastian Vettel immer zu haben. Mal schert er Schafe, mal spielt er Cricket. Selten war ein gespielter Auftritt passender als jener vor dem Großen Preis von China: Formel-1-Titelverteidiger Vettel posiert mit einer Kung-Fu-Darstellerin.
„Holpriger“ Saisonstart
Im chinesischen Kalender ist das Jahr des Drachen angebrochen, für den Heppenheimer auch – vor dem dritten WM-Lauf ist er mit 18 Punkten lediglich Sechster der Fahrerwertung, sein Dienstwagen macht noch Zicken. Der Champion will (noch) nicht von einem Fehlstart sprechen, aber er lässt sich auf die Vokabel „holprig“ ein. Schon jetzt ist klar: Die Saison, die den Titel-Hattrick bringen soll, wird zur Charaktersache für den 24-Jährigen. Erstmal gibt es noch keine Motz-, wohl aber eine Trotzreaktion.
Potenzial ist das meistgebrauchte Wort, wenn die Rede auf seine rasende Red-Bull-Dose kommt. Denn davon habe der RB 8 reichlich, es müsse nur noch befreit werden. Das Verbot des so genannten Blown-Diffusors hat viel vom bisherigen Vorsprung gekostet, die neue Heckvariante erst ganz zum Schluss der Testsaison zu bringen, war ein (zu) großes Risiko. „Wir sind mit Sicherheit nicht da, wo wir sein wollten. Wir können vorne mithalten, aber noch nicht mitmischen“, sagt Vettel, „im letzten Jahr lief alles sehr rund, diesmal war unsere Vorbereitung nicht ganz optimal.“
Im verregneten Freitagstraining in Shanghai fuhr der – erstarkte – Teamkollege Mark Webber mit der neuen Auspuffvariante, Vettel testete die ältere Version. Designgenie Adrian Newey pendelte hektisch zwischen beiden Boliden, um die Unterschiede festzustellen. Die Ergebnisse (Vettel belegte am Ende Rang drei) waren zweitrangig, erst heute um 8 Uhr deutscher Zeit in der Qualifikation zählt es. Michael Schumacher hatte diesmal mit seinem Silberpfeil die Tagesbestzeit herausgefahren.
Die Red-Bull-Mannschaft muss vor allem zurück zur gewohnt schnellen Reaktionszeit finden. Es ist eine dreifache Balance-Frage, die sich für die Titelverteidiger gerade stellt. Die des Teams, des Fahrers und des Autos – und alle drei sind eng miteinander verwoben. Vettel kann sich jetzt als richtiger Leader profilieren, mitreißen, ausbalancieren, seine längst große Erfahrung mit dem immer noch jugendlichen Elan kombinieren. Im Prinzip beginnt jetzt die Zeit, in der er richtig erwachsen wird in der Königsklasse.
Den Großen Preis von Bahrain am kommenden Wochenende wird er in seiner Planung wohl behalten müssen. Der Automobilweltverband FIA hat trotz der wieder heftiger gewordenen Auseinandersetzungen im Inselstaat, der Sicherheitsbedenken und der moralischen Empörung mitgeteilt, dass nichts gegen die Austragung spreche. Und Vermarkter Bernie Ecclestone behauptet gar: „Alle sind glücklich damit.“ Sebastian Vettel nimmt die Entscheidung eher lakonisch hin: „Wenn wir da fahren, fahren wir da...“