Witten. Wittens Trainer sind vor Deutschlands EM-Start zwiegespalten. Für einen ist der Austragungsmodus sogar ein Zeichen für fehlende Bodenhaftung

Die deutsche Nationalmannschaft startet am Dienstagabend mit dem wohl denkbar schwierigsten Spiel gegen Weltmeister Frankreich in die Fußball-Europameisterschaft.

Ein EM-Fieber ist aber bei den meisten Wittener Trainern kaum zu spüren. Bei der Frage, ob die internationale Austragung des Turniers sinnvoll ist und auch bei der Einschätzung der Chancen der deutschen Mannschaft halten sich die meisten Übungsleiter sehr zurück.

VfB Annens Matthias Jabsen würde Joshua Kimmich im Mittelfeld bringen

Matthias Jabsen, Trainer des Bezirksligisten VfB Annen, findet es besser, die Meisterschaften in einem oder höchstens zwei Ländern auszutragen: „Für so ein 60-jähriges Jubiläum kann man das mal machen. Doch wenn das Turnier in einem einzigen Land stattfindet, dann ist die Euphorie größer. Das haben wir bei der WM 2006 in Deutschland ja selbst mitbekommen.“

VfB Annen-Trainer Matthias Jabsen glaubt, dass Deutschland unterschätzt wird.
VfB Annen-Trainer Matthias Jabsen glaubt, dass Deutschland unterschätzt wird. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Jabsen ist auch einer wenigen, die sich ausführlich Gedanken über das deutsche Team und dessen Taktik gemacht haben: „Deutschland wird unterschätzt, und ich glaube, dass wir uns vor Frankreich und Portugal nicht zu verstecken brauchen.“

Er glaubt an die Qualitäten der Mannschaft, ist aber mit einigen Entscheidungen des Bundestrainers Jogi Löw nicht einverstanden: „Ich halte es nicht für richtig, Joshua Kimmich auf der rechten Seite einzusetzen. Doch Löw will unbedingt Toni Kroos und Ilkay Gündogan im Team haben. Die beiden können zwar das Spiel aufbauen, haben aber defensiv Defizite. Ich glaube dennoch, dass wir weiterkommen, und dann entscheidet das Spielglück.“

SV Bommerns Jörg Silberbach vermisst einen Mittelstürmer

Jörg Silberbach, der Trainer des SV Bommern 05, bezeichnet sich als Fußball-Patriot: „Ich bin allerdings nicht mehr so fanatisch wie früher. So habe ich die WM 2006 sehr intensiv miterlebt, das ist jetzt nicht mehr so.“

Wegen des Coronavirus sei es gerade egal, in wie vielen Ländern die EM stattfinde: „Grundsätzlich bin ich aber für die Vergabe an ein Land.“

Die deutschen Chancen hält er für nicht gering: „Wir müssen natürlich erst einmal die schwere Vorrundengruppe überstehen. Dazu müssen wir aber Tore schießen, und das ist ohne richtigen Mittelstürmer sehr schwer.“ Über die Aufstellung macht er sich keine Gedanken: „Das soll Jogi Löw entscheiden, der ist viel näher an der Mannschaft und kennt sie viel besser.“

TuS Hevens Max Wagener kritisiert den Profifußball

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Für Max Wegener, der den TuS Heven in der kommenden Saison unter seinen Fittichen hat, ist die EM weit entfernt: „Mir passt es nicht, dass sich der Profifußball so weit von den Amateuren entfernt hat. Es fehlt die Bodenhaftung, und das kommt auch in dem Austragungsmodus zu tragen. Die Euphorie, die ich früher hatte, ist verschwunden. Das liegt zwar auch an den turbulenten Corona-Zeiten, aber sicher nicht nur.“

Dennoch wagt er eine Prognose: „Ich habe im Fernsehen öfter die englische Premier League beobachtet und räume den Engländern große Chancen ein. Auch Frankreich ist nie zu unterschätzen. Die deutsche Gruppe ist sicher schwer, doch über die deutsche Mannschaft will und kann ich mir kein Urteil erlauben. Sie ist zu weit weg von mir.“

TuRa Rüdinghausens Holger Stemmann verspürt wenig Euphorie

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Holger Stemmann, der neue Trainer von TuRa Rüdinghausen, ist auch noch nicht vom EM-Fieber erfasst: „Früher hatte ich lange vor Turnierbeginn den Spielplan an der Wand hängen und habe sogar Fußball-Bilder gesammelt. Es liegt sicher auch an den dürftigen Leistungen der deutschen Mannschaft, dass die Euphorie nicht so groß ist. Von den letzten Spielen habe ich mir nur die Partie gegen Lettland angesehen.“

Stemmann verlässt sich auf den Sachverstand von Jogi Löw: „Ich bin ja nicht Bundestrainer, sondern er. Löw weiß selbst am besten, wie er die Mannschaft aufzustellen hat und wie er gegen Frankreich spielen will.“

Die Austragung in ganz Europa findet er für einmal in Ordnung: „Wegen Corona und mit nur ein paar Zuschauern im Stadion ist es sowieso egal, in welchem Land man spielt. Sonst finde ich es besser, wenn so ein Turnier in einem einzigen Land stattfindet.“

SV Herbedes Jan Kastel glaubt an Deutschland

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Jan Kastel (SV Herbede) geht ziemlich optimistisch ins Turnier: „Mich erstaunt immer, wie schnell die deutsche Mannschaft negativ beurteilt wird. Wir haben einige Champions-League-Finalisten im Team und mit Manuel Neuer den besten Torwart der Welt. Zudem ist die Mannschaft mit den Rückkehrern Thomas Müller und Mats Hummels wieder um einiges stabiler geworden.“

Der Herbeder Trainer vertraut der deutschen Tradition: „Wir sind eine Turniermannschaft, die sich immer steigert, und am Ende knallt die Peitsche. Dann sehen wir, wie weit wir gekommen sind.“ In Sachen Turnierfavorit setzt Kastel aber auf den Weltmeister: „Frankreich gefällt mir sehr gut, und ich glaube, dass diese Mannschaft auch den Titel holt.“

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