Mülheim. Daniel Hess spielte beim VfB Grün-Weiß Mülheim. Noch heute verspürt er ein Heimatgefühl. Nun schlägt er für Deutschland in Thailand auf

Wenn Daniel Hess aktuell aus dem Hotelfenster blickt, sieht er Palmen, den blauen Himmel und den Sonnenschein Bangkoks. Allerdings kann der 22-Jährige nicht raus, muss seine Zeit auf dem Hotelzimmer verbringen - bis auf circa zwei Stunden am Tag.

Der gebürtige Mülheimer ist für die deutsche Badminton-Nationalmannschaft unterwegs, spielte in der vergangenen Woche bei den Yonex Thailand Open, in der aktuellen bei den Toyota Thailand Open und muss sich daher an die Corona-Regeln vor Ort halten, die Hess als deutlich strenger als in Deutschland empfindet.

Daniel Hess spielt bei den Yonex Thailand Open für Deutschland

"Ich bin am 3. Januar nach Bangkok geflogen, danach musste ich bis zum Start des ersten Turnieres in die Isolation. Der Ausrichter hat es aber möglich gemacht, dass wir einmal am Tag trainieren dürfen. Ansonsten werden wir alle drei Tage getestet und befinden uns in einer Bubble, wie es zum Beispiel auch die NBA gemacht hatte.

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In das System hier kommt von außen niemand rein", erklärt Hess, der mit der Situation aktuell gut klarkommt, in ihr aber keine Dauerlösung sieht.

"Ich war am Ende ungefähr drei Wochen hier und habe einmal am Tag das Zimmer für zwei Stunden verlassen. Es ist dadurch komplett sicher, ich habe keine Angst mich anzustecken, aber auf Dauer kann ich mir das nicht vorstellen. Von Bangkok selbst, sehen wir auch überhaupt nichts", sagt Hess, der auch die Spiele der anderen Turnierteilnehmer nicht in der Halle sondern nur auf dem Hotelfernseher verfolgen kann.

Badminton-Nationalspieler machte seine ersten Schritte beim VfB Grün-Weiß Mülheim

Die Geschichte, die Hess bis Nationaltrikot nach Thailand geführt hat, beginnt in Mülheim-Raadt. Auf den Straßen der Flughafensiedlung verbrachte Hess seine gesamte Kindheit, wenn er nicht in der Badminton-Halle vom VfB Grün-Weiß Mülheim gegen den Ball schlug.

"Mein Opa war lange Trainer im Verein und meine Eltern haben auch dort gespielt. Ich wurde immer mitgenommen, von Tag eins an, quasi", blickt Hess zurück.

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Die gesamte Schülerzeit über, trug Hess das grün-weiße Jersey und bekam durch sein offensichtliches Talent auch die Möglichkeit, bei den älteren Jugendmannschaften mitzuspielen.

"Ich bin dann als Schüler in den Landeskader gekommen. Damit war dann auch klar, dass ich meinen Jugendbereich in höheren Spielklassen verbringen werde. Zu dem Zeitpunkt, spielte Grün-Weiß noch nicht so hoch wie jetzt", so Hess, der deshalb den Weg zur Sportvereinigung Sterkrade-Nord ging.

Über Sterkrade-Nord nach Saarbrücken und zum 1. BC Beuel

Dort blieb er bis nach seinem Abitur an Luisenschule, um dann mit 17 direkt nach Saarbrücken zu ziehen und am Erwachsenen-Stützpunkt des Deutschen Badminton-Verbandes zu trainieren. Denn rund um Mülheim fehlten für den Doppel-Spezialisten schlicht die weiteren Entwicklungsmöglichkeiten.

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Im Zusammenhang mit seinem Umzug flatterten zur Saison 2016/2017 dann auch die Angebote für Hess ins Haus. Mehrere Klubs wollten sich seine Dienste sichern, den Zuschlag bekam der 1. BC Beuel aus Bonn, bei dem der Jura-Student sich zunächst in der Regionalliga beweisen sollte.

"Ich war in Sterkrade in der Ober- und der Regionalliga angekommen und mit dem Wechsel zum Erwachsenenstützpunkt war relativ klar, dass es in Richtung Bundesliga geht. Ich habe mich dann für Beuel entschieden, weil ich da schon einige Spieler aus der Jugend kannte, weil es ein sehr familiärer Klub ist und weil er der heimatnächste war", so Hess. Bis auf dem 1. BV Mülheim natürlich, der allerdings durch den Standort Saarbrücken nicht in Frage kam.

Marvin Datko verlässt den 1. BV Mülheim und geht nach Bonn

Am Anfang spielte Hess für die Bonner in der Badminton-Regionalliga, stieg mit seinem Team aber schnell in die 2. Bundesliga auf und sammelte auch Minuten bei der Erstvertretung in der 1. Bundesliga, in der er mittlerweile fest angekommen ist und in der er in der neuen Saison unter anderem mit Marvin Datko zusammen spielen könnte, denn den zieht es zurück vom 1. BV Mülheim zum 1. BC Beuel.

Hess lebte sich in Saarbrücken und Bonn gut ein, verbringt aber dennoch bis heute jedes freie Wochenende in Mülheim und pflegt die Kontakte zur Familie und zu den Freunden nach Hause.

Seine Heimatliebe hat nicht unter der Distanz gelitten, ganz im Gegenteil. "Wenn ich von Saarbrücken nach Mülheim fahre, von der Autobahn abfahre und am Oppspring vorbeikomme, habe ich ein starkes Heimatgefühl und freue mich immer sehr", sagt er.

Die Ziele sind hoch: Olympia, Top 10, Medaillen

Sportlich liegt seine Zukunft dennoch südlich des Ruhrgebietes und international. Seinen ersten Auftritt im Nationalkader feierte Hess 2018, sein Ziel ist es, irgendwann auch bei Olympia für Deutschland anzutreten, eventuell 2024 in Paris oder 2028 in Los Angeles.

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"Wenn ich meine Leistung abrufe, glaube ich schon, dass ich mich dauerhaft unter den Top-10 der Welt etablieren kann. Und natürlich möchte ich eine Medaille bei einer WM und bei Olympia gewinnen. Es ist aber nicht so, dass ich nicht zufrieden auf meine Karriere zurückblicken würde, wenn ich es nicht nach Olympia schaffe. Mein Ziel ist aktuell einfach, der beste Spieler zu sein, der ich sein kann", zeigt sich Hess bescheiden.

Daniel Hess war fast zwei Jahre lang verletzt

Denn er hat auf bittere Art und Weise lernen müssen, dass zum Sport auch immer Rückschläge gehören, war er doch die letzten zwei Jahre fast durchgängig verletzt, lange ohne zu wissen, woher seine Knieprobleme wirklich kommen.

"Ich spürte seit Anfang 2019 immer wieder Stiche und konnte die Belastung im Knie nicht halten. Erst im Juli 2019 konnte mir ein Arzt sagen, woran es wirklich liegt. Ich hatte eine Schwellung im Knie, die immer im Knochen eingeklemmt war und deshalb nicht abschwellen konnte. Im August wurde ich dann operiert", blickt Hess auf die Leidenszeit zurück.

Es gab auch Zweifel an der Karrriere

Es hieß, dass er zwei Monate nach der OP wieder seinem Sport nachgehen könne, doch daraus wurde nichts. Denn nach der OP war das Narbengewebe vom Schnitt so hart, dass sich nun dieses immer eingeklemmt hatte und Hess abwarten musste, bis es weicher wurde. Aus zwei worden so schnell sieben Monate.

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Eine Zeit, in der durchaus auch Zweifel an der Karriere aufkamen. "Ja klar, wenn dir am Anfang keiner sagen kann, was das Problem ist und es dann so lange dauert, ist es glaube ich normal, dass man sich fragt, wie lange man es noch probieren soll. Aber jetzt bin ich sehr froh, dass ich genug Leute hatte, die positiv waren und mir geholfen haben, dass es immer in kleinen Schritten voran ging und ich nun wieder schmerzfrei bin", fragt Hess.

Gegen Olympia-Medaillengewinner von Rio de Janeiro ausgeschieden

Denn genau das, war auch die Voraussetzung, um nach Bangkok zu fliegen. Dort schaltete Hess gemeinsam mit seinem Doppelpartner Jones Jansen in der ersten Runde der Yonex Thailand Open die Neuseeländer Oliver Leydon-Davis und Abhinav Manota mit 21:15 und 21:16 aus, ehe es in Runde zwei gegen die Engländer Marcus Ellis und Chris Langridge mit 12:21 16:21 eine Niederlage gab.

"Die Engländer sind die Bronzemedaillengewinner von Olympia 2016 in Rio de Janeiro und seit Jahren eingespielt. Dass es gegen sie schwer werden würde, war klar. Aber wir wussten, dass wir auch eine Chance hatten. Es war eins der ersten Spiele von Jones und mir. Und Badminton ist schon ein sehr taktischer Sport, da geht es auch viel um Absprachen und man muss wissen, was der andere macht", so Hess, der sich nun Jansen einspielen möchte und optimistisch in die Zukunft schaut: "Zu sehen, dass man schon so mithalten kann, gibt ein gutes Gefühl."

Irgendwann zu den World Tour Finals

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Beweisen, dass das nicht nur ein Gefühl ist, wollte Hess in dieser Woche bei den Toyota Thailand Open. Das Ziel war auch hier mindestens die zweite Runde, doch gegen die Kanadier Jason Ho-Shue und Nyl Yakura setzte es mit einem 15:21 und einem 20:22 das frühe Aus. "Es war nicht unser Tag. Wir sind in beide Sätze gut und offensiv gestartet. Haben da unsere Punkte gemacht, aber leider in beiden Sätzen irgendwann unseren Rhythmus verloren, sind defensiv geworden, und haben dann in der Defensive nicht das richtige Mittel gefunden, um punkten zu können", sagte Hess danach.

Nun geht es wieder nach Hause, nach Saarbrücken, nach Bonn und in die Flughafensiedlung nach Mülheim.

In Thailand ist dann übrigens noch nicht Schluss, es folgen die World Tour Finals mit den Top 8 der Welt. Hess: "Das ist auch eins meiner großen Ziele."

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