Hattingen. Ist die Kinderfußball-Reform gut oder schlecht? So sehen es die Hattinger Vereine. Einen interessanten Punkt bringt der TuS in die Diskussion ein.
Die Funino-Diskussion wird auch in Hattingen emotional geführt. „Meine Trainer und ich waren anfangs sehr skeptisch. Mittlerweile sehen wir das anders. Funino ist ein voller Erfolg. Ich würde sagen, dass alle Ziele damit erreicht wurden. Vor allem die Kinder haben Spaß und selbst die etwas schlechteren haben Erfolgserlebnisse“, sagt zum Beispiel Jochaim Gaida, der Jugendleiter des TuS Blankenstein.
In die gleiche Kerbe schlagen Hedefspor Hattingens Tuna Kutlu, SuS Niederbonsfelds Christian Paul und Christopher Weusthoff von den Sportfreunden Niederwenigern. „Wir spielen seit einem Jahr bei den Bambinis Funino. Zu Beginn waren wir sehr skeptisch, mittlerweile sind wir aber alle begeistert. Sowohl die Eltern als auch die Funktionäre. Es bringt den Kindern viel. Die, die hinten dran sind, bekommen ihre Ballkontakte und haben viel Spaß. Sonst standen immer einige Spieler einfach nur herum“, sagt Kutlu.
Christopher Weusthoff von den SF Niederwenigern hält Funino für optimal
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Weusthoff sieht die Spielform als „optimal“ für die Kinder an. „Sie lernen viel mehr am Ball. Das ist super schön zu sehen. Und ein Sechsjähriger geht in einem E-Jugend-Tor doch unter“, so Weusthoff, der Bambini-Trainer bei den SF Niederwenigern ist. „Ich habe es mir früher durchgelesen und gedacht: was für ein Mist. Aber wir schreien in Deutschland doch alle nach Erneuerungen. Jetzt kommt eine Idee und dann sollte jeder auch erstmal offen sein. Wenn man nur die Kinder betrachtet, sieht doch auch ein Laie, dass da mehr Ballkontakte vorhanden sind“, sagt er.
Allerdings: Der Aufwand für Eltern, Trainer und Verein sei enorm, vor allem, wenn teilweise drei Teams gleichzeitig spielen würden. „Nach dem ersten Heimspieltag mussten wir erst einmal durchschnaufen. Und was ich nicht gut finde ist, dass im älteren Bereich die Ergebnisse nicht zählen“, sagt Weusthoff.
SuS Niederbonsfeld insgesamt positiv gestimmt – mit Einschränkungen
Christian Paul spricht von einer „tollen Sache“, schränkt bei der E-Jugend aber ein. Da würden es die Trainer eher kritisch sehen. „Wir haben zu Saisonbeginn in unseren E-Jugenden immer alle Spieler zu den Spielen mitgenommen in der Hoffnung, das ein zusätzliches Funinofeld genutzt werden kann. Dies wurde von anderen Vereinen leider immer abgelehnt. Da es in der E-Jugend bereits eine Tabelle gibt, wird hier leider schon total erfolgsorientiert gedacht. Hier wäre eine klare Linie vom Kreis wünschenswert“, so Paul.
Auch der finanzielle Aspekt bei der Anschaffung der Tore sowie der Aufwand bei der Organisation seien nicht zu unterschätzen. „Generell sollte man sich im Verband mal überlegen, ob der ganze Jugendfußball mit allen Regeln und Pflichten fürs Ehrenamt nicht irgendwann zu viel wird“, so Paul.
TuS Hattingen weist auf die Vorgaben der jüngeren Vergangenheit hin
Einen interessanten Aspekt bringt Nele Wichert, die Jugendleiterin beim TuS Hattingen in die Diskussion mit ein und weist auf einen Widerspruch hin. „Vor wenigen Jahren hat der DFB die grüne FairPlay-Karte ins Leben gerufen. Eltern sollten sich am Spielfeldrand zügeln und den Spaß im Fußball als Vorbilder fördern. Es sollte Wert darauf gelegt werden, dass Eltern am Spielfeldrand bleiben. Nun sind wir als Verein gezwungen, diese Eltern auf dem Spielfeld selbst als Unterstützung einzubinden“, so Wichert.
Grundsätzlich stehe der TuS Hattingen der Reform und der damit einhergehenden Spielidee absolut positiv gegenüber. Sie sei „kindergerechter und entwicklungsorientierter“ als die vorherige. Allerdings sei sie nicht ausreichend durchdacht und eine verzögerte Entwicklung im Vergleich zu anderen Ländern wie Belgien oder England.
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Im Training sei Funino super umsetzbar, ob es im Spielbetrieb aber dauerhaft erfolgreich angewendet werden kann, werde die Zukunft zeigen. „Die Vereine an der Basis werden allein gelassen. Wir würden uns mehr Unterstützung in Form von finanziellen Mitteln wünschen, sowohl im Bezug auf die Materialien als auch in Hinsicht auf die Entwicklung von Jugendtrainern“, so Wichert.
Die große Frage nach den Anschaffungskosten und den Betreuern
Denn zum Einen würde eines der Jugendtore circa einhundert Euro kosten. Wenn man bei vier Feldern 16 dieser Mini-Tore braucht, kommt eine hohe Summe an Anschaffungskosten zusammen. Zwar sagt der DFB, man könne auch auf Stangen- oder Hütchentore spielen, doch das sei für die Kinder nicht so attraktiv. Zum anderen sei es schwer, ehrenamtliche Funktionäre zu finden.
Bei einem Funino-Jugendspielfest mit vier Spielfeldern müssen aber auch dementsprechend viele Übungsleiter zur Betreuung zur Verfügung stehen. „Nicht zum Coachen, sondern um die generelle Betreuung festzustellen. Der TuS Hattingen hat aktuell den Idealfall, dass bei unseren G-Junioren vier Trainer engagiert zur Seite stehen. Doch auch hier stellt sich die Frage, ob dies in den nächsten Jahren sichergestellt werden kann.
DJK Märkisch Hattingens Jugendleiter vermisst die Grundlagen des Fußballs
Diese Fragen stellt sich auch Michelle Finkenstein, der Jugendleiter der DJK Märkisch Hattingen. Als Trainingsform hält er Funino für „absolut genial“. Als Spielform jedoch für „nicht geeignet. Das hat allerdings nichts damit zu tun, dass die Ergebnisse und Tabellen wegfallen, sondern dass die Grundlagen des Fußballs außer Acht gelassen werden“, so Finkenstein.
Dinge wie individuelle Aufgaben auf einzelnen Positionen oder das Verhalten bei Standardsituationen würden zu spät erlernt werden, dabei sei jedes Jahr in der Grundlagenarbeit wichtig, bevor es ab der C-Jugend in den leistungsorientierten Fußball gehe. „Das ist eine absolute Katastrophe. Es ist so, als ob in der Schule vier Jahre nur gemalt werden soll und ab der fünften Klasse soll dann das ABC gelernt werden“, sagt Finkenstein.
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