Essen. Funino und keine Tabellen: Der DFB reformiert den Jugendfußball. Das ist gut. Ein Kommentar: Wieso Kritiker wie Watzke blanke Polemik betreiben.

Das ist doch alles paradox. Die Herren und Frauen fliegen in der WM-Vorrunde raus und jeder regt sich darüber auf, wie schlecht der deutsche Fußball geworden ist; jeder weiß, dass sich etwas ändern muss. Folglich macht sich der Deutsche Fußball-Bund (DFB) Gedanken und beschließt umfassende Reformen an der Wurzel, im Nachwuchs. Was folgt: ein Aufschrei der Entrüstung. Völlig zu Unrecht.

Kinder zwischen vier und elf Jahren spielen ab Sommer 2024 drei gegen drei bis maximal sieben gegen sieben. Für die jüngsten gibt es kleinere Tore, keine Torhüter mehr und keine Tabellen. Fußballbarone wie Hans-Joachim Watzke – immerhin Vizepräsident des DFB, der die Regel einstimmig beschlossen hat, das muss man sich mal vor Augen führen – schäumen: Wer als Kind nicht das Gefühl habe, auch mal zu verlieren, der wird nie die Kraft finden, gewinnen zu wollen, polterte der BVB-Boss. Mit dieser heißen Luft könnte man sämtliche Vip-Räume des Westfalenstadions heizen.

Jugendfußball-Reform und Funino: Viel heiße Luft bei den Kritikern

Schauen wir uns die kalten, nüchternen Fakten an. Dass es keinen Wettbewerb mehr gibt, ist falsch. Statt Ligen werden bald Fußball-Nachmittage oder -Festivals organisiert. Wer ein Spiel gewinnt oder verliert, trifft auf Teams, die ebenfalls gewonnen oder verloren haben, denn es handelt sich dabei um Turniere: kleinere Teams, kleinere Felder, mehr Spiele an einem Tag. Mehr Wettbewerb.

Alles zur Jugendfußball-Reform:

Watzke versucht auch noch, die Reform auf eine gesamtgesellschaftliche Meta-Ebene zu hieven und wirft jungen Menschen vor, keinen Ehrgeiz mehr zu haben. Das ist plump. Billig. Und polemisch. Wir reden hier von Kindern, mal ehrlich: Welcher Sechsjährige schaut ernsthaft auf die Tabelle? Sieg oder Niederlage, das zählt für Kids. Beides gibt es noch immer.

Für die Tabelle interessieren sich im Nachwuchs oft nur die Trainer. Realität ist, dass viele Übungsleiter den Bus vor dem Tor parken, damit das Ergebnis stimmt. Spielfreude entsteht so nicht, Straßenfußballer werden so nicht geboren. Dass der Ergebnisdruck bei den Allerjüngsten wegfällt, kann ihrer Entwicklung deshalb nur zugute kommen.

Nur die Allerjüngsten sind von der Nachwuchsreform betroffen.
Nur die Allerjüngsten sind von der Nachwuchsreform betroffen. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Andere Länder machen es vor: Jugendfußball muss sich neu erfinden

Zumal Kinder größere Freiräume auf dem Platz bekommen. Denn machen wir uns nichts vor: Wenn ein Achtjähriger früh im Wachstum ist und 15 Zentimeter größer ist als alle, läuft das ganze Spiel über ihn. Die anderen schauen zu – weil diese Taktik schnellen Erfolg verspricht. Das ändert sich, da die Teamgröße schrumpft: Auf den Überflieger können sich Mitspieler nicht verlassen. Sie müssen mehr Verantwortung übernehmen, was Watzkes Kritik an der Reform ad absurdum führt.

Er und andere Kritiker haben sich also offensichtlich nicht mit den Neuerungen auseinandergesetzt – dieser Eindruck verfestigt sich, wenn man ins Ausland schaut. Frankreich setzt auf Fußballfestivals, in England gibt es weder ein festgelegtes Spielformat noch ein Ligensystem. Beide Länder haben Deutschland überholt, der DFB zieht nach. Dieser Schritt war der einzig richtige, damit das Niveau steigt – und die Nationalteams in Zukunft wieder eine Chance auf Titel haben.