Bottrop. Zu teuer, zu unkoordiniert, zu undurchdacht: Viele Bottroper Vereine fühlen sich bei der Umsetzung der DFB-Jugendreform im Stich gelassen:
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) reformiert den Kinder-Spielbetrieb: Funino soll den Spaßfaktor erhöhen, den Kindern mehr aktive Spielzeit ermöglichen, dafür gibt es keine Ligen mehr in den Altersklassen U5 bis U11. Die Reform sorgt für Diskussionen. Wie bewerten die Trainer und Vereine im Bottroper Nachwuchs den neuen Weg? Wir haben nachgefragt.
„Vom Prinzip her bin ich natürlich dafür. Der Gedanke ist gut“, sagt Christiane Weidemann, die bei BW Fuhlenbrock für die Spieltagsplanung der insgesamt 15 Jugendmannschaften verantwortlich ist, „Kinder sollen viele Ballkontakte und vor allem Spaß haben.“ Weidemann zählt sich selbst dennoch zu den Kritikern. Vor allem, weil der DFB seine Mitgliedsvereine bei der Umsetzung im Stich lasse, nicht nur bei der finanziellen Umsetzung („Wir brauchen 16 Mini-Tore, das geht richtig ins Geld.“).
Es knarzt auch an anderer Stelle: So sei das DFB-net, in dem zwingend die Daten zu allen Spielen elektronisch erfasst werden müssen, noch lange nicht auf die neue Spielart eingestellt. „Ich muss Ergebnisse, einen Schiedsrichter und einen Torhüter eintragen. Aber die sind in der Spielform nicht vorgesehen“, so Weidemann. Man müsse tricksen, dass der DFB aber bei der Datenerfassung nicht zu Späßen aufgelegt sei, habe Weideman schon mehrfach erfahren, “Da gibt es schon für Kleinigkeiten eine Ermahnung, oder gleich eine Strafe.“
Die neue Spielform braucht mehr Platz auf den Sportanlagen
Ein weiterer Punkt: Ein Drei-gegen-Drei braucht deutlich mehr Platz, den die Vereine allerdings nur selten haben. Christiane Weidemann rechnet vor: „Bei der Spielform werden aus einer zehnköpfigen Mannschaft schnell drei Mini-Teams, dann ist meist immer noch ein Spieler übrig. Wenn alle gleichzeitig spielen wollen, sind drei Viertel des Platzes schon belegt. Gut, wir haben in Fuhlenbrock zwei Spielfelder, wir kriegen das hin, aber wie sollen das Vereine machen, die sich mit einem anderen Klub die Platzanlage teilen?“
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Der Reform kritisch gegenüber steht auch Dirk Hillenbrandt, der bei den Welheimer Löwen die Bambini und F-Jugendlichen trainiert: „Ich halte da überhaupt nichts von. Die Kinder wollen Fußball spielen. Und zwar den, den sie aus dem Fernsehen kennen.“ Hillenbrandt glaubt, dass der DFB mittelfristig ein Torhüterproblem heraufbeschwöre, „weil wir die ja nicht mehr von Kindesbeinen an ausbilden. Was sage ich denn jetzt einem Kind, das mit seinen Torwarthandschuhen zu uns kommt?“
Ohnehin verfehle die Reform ihren Sinn: „Kinder müssen lernen, zu verlieren, das ist etwas Positives.“ Dass die aktuelle Spielform besser spielende Kinder generell bevorteile, glaubt Hillenbrandt nicht: „Als Trainer achte ich sehr darauf, dass alle Kinder die gleichen Spielanteile bekommen. Für Kinder zählt ohnehin nur der Spaß. Mir geht es nie darum, gewinnen zu müssen. Der DFB hätte lieber seine Jugendtrainer anders ausbilden sollen.“
Eltern werden erst verbannt, jetzt aber wieder ans Spielfeld zurückgeholt
Im Zuge des Fairplay-Gedankens sei die Reform fast schon ein Eigentor. Hillenbrandt: „Erst verbannt der DFB die Eltern von den Spielfeldern, damit die Kinder in Ruhe spielen können, jetzt holt er sie zurück, weil die Reform ohne ihre Mithilfe nicht umsetzbar ist.“
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Mevlüt Ata aus der Jugendabteilung des FC Bottrop betrachtet die Reform aus einem anderen Blickwinkel: „Ich verstehe die Vorbehalte, aber ich bin ein Fan von diesem Drei-gegen-Drei. Wir haben Kinder auf dem Platz, die nur Spaß haben wollen, aber nicht zum Einsatz kommen, weil sie fußballerisch noch nicht so weit sind.“
Die Reform biete auch eine Chance: „Ich liebe es, wenn Kinder frei spielen und kreativ werden können, sie sollen einfach drauflos kicken. Wir wollen ja, dass sie bei uns in den Klubs bleiben, dann dürfen die Kinder auch nicht so schnell den Spaß verlieren.“ Unkritisch sieht Ata den Änderungen aber nicht entgegen: „Kleine Vereine werden durch die Reform vor große Herausforderungen gestellt. Das wird alles komplizierter und aufwändiger.“
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Erfahrung mit der neuen Spielform hat der VfL Grafenwald schon längst gemacht. Denn der Klub war mit dem Fußballkreis Gelsenkirchen schon in der vergangenen Saison Teil des westfälischen Pilotprojektes. Jugendleiter Jörg Sievers ist nicht nur vom bisherigen Ergebnis, sondern auch vom DFB enttäuscht: „Der Verband fordert und fordert und lässt die Vereine völlig alleine.“
Trainer und Spielereltern tun sich mit der Umstellung oft schwer
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Problematisch sei die Umsetzung vor allem im Dialog mit den Trainern und Spielereltern gewesen. Sievers: „Da ist viel Aufklärung nötig, weil man immer wieder auf Widerstände trifft.“ Was in der vergangenen Saison offensichtlich geworden sei: „Für die Trainer bedeutet diese Spielform einen unheimlichen Mehraufwand. Mit jedem Gegner sind intensive Absprachen notwendig, außerdem müssen für die Spieltage immer genügend Betreuer zur Verfügung stehen.“
Mit Sorgen wird die Umstellung auch bei Fortuna Bottrop gesehen. Sebastian Donicar ist Leiter der Rheinbabenschmiede und sieht sich und seine Mitstreiter vor Herausforderungen: „Wir haben nur ein einziges Spielfeld. Es ist schon schwierig, allen Mannschaften Trainingszeiten zu ermöglichen. Nicht selten teilen sich vier Mannschaften den Platz. Das Drei-gegen-Drei wird die Situation noch einmal verschärfen.“ Inhaltlich sei die Reform gut. Donicar: „Diese Spielform gehört bei uns schon seit drei, vier Jahren zu den Trainingsinhalten. Die Tore haben wir längst.“ Die Umsetzung sei dennoch kein Kinderspiel: „Problematisch wird es vor allem durch übermotivierte Trainer“, viele täten sich schwer damit, sich vom Leistungsgedanken zu lösen.
Donicar kritisiert auch das Hauruck-Verfahren, in dem der DFB die Änderungen nun vorantreibe: „Ich hätte mir gewünscht, dass wir die Reform mit Fußballanfängern beginnen. Kinder, die seit zwei Jahren das alte System kennen, sind von der Änderung überhaupt nicht so begeistert.“
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