Hattingen. Das Spiel SFN gegen Sterkrade-Nord wird neu angesetzt. Das Problem ist unabhängig von der rechtlichen Bewertung viel größer. Ein Kommentar.

Eines vorweg: Rein rechtlich ist die Entscheidung des FVN-Sportgerichts, das Spiel zwischen der Spvgg Sterkrade-Nord und den Sportfreunden Niederwenigern nach dem Spielabbruch neu anzusetzen, nachvollziehbar. Wenn der Schiedsrichter selbst nicht von einem tätlichen Angriff spricht, sind dem Gericht an sich die Hände gebunden. Es muss sich – selbst wenn es sich ein anderes Urteil wünschen würde – an die Fakten halten.

Aber anders als in vielen anderen Fällen gibt es von den Szenen, die zum Spielabbruch führten, ein Video. Neben vielen verbalen Attacken stürmte der Sterkrader Baran Öczan auf Schiedsrichter Philipp Heuser zu und packte ihn mit beiden Händen an der Hüfte.

Nun ist nicht jede Berührung gleich eine Tätlichkeit, und man muss Heuser sogar zugute halten, dass er – anders als viele Fußballer in dieser Situation – nicht zu Boden ging und mehr aus der Situation machte. Doch wenig später, nach einer Gelb-Roten Karte, baute sich Teamkollege Ibrahim Üzüm nur wenige Zentimeter vor Heuser auf, schrie ihn an, und musste von mehreren Spielern aus der Rudelbildung herausgezogen werden.

Der Schiedsrichter hätte geschützt werden müssen

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Im Nachhinein davon zu sprechen, dass der Schiedsrichter – der nach eigenen Angaben Angst hatte – nicht alle Mittel ausgeschöpft habe, um einen Spielabbruch zu verhindern und das Spiel neu anzusetzen, hat einen äußerst bitteren Beigeschmack. Besser wäre es gewesen, den Schiedsrichter selbst zu überstimmen und auf einen tätlichen Angriff zu entscheiden. Denn so hätte man ihn und alle anderen Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen geschützt.

Und dabei geht es noch nicht einmal um die sportliche Komponente, dass die Mannschaft, aus der die Aggressionen kamen, nach einem 0:1 in der Nachspielzeit nun noch einmal 90 Minuten Zeit hat, drei Punkte zu holen.

Es geht um die Signalwirkung. Muss erst jemand ins Krankenhaus, bevor ein Abbruch gerechtfertigt ist?

Patrick Radtke, WAZ-Sportredakteur.
Patrick Radtke, WAZ-Sportredakteur. © Radtke

Die Gewalt auf den Amateurfußballplätzen nimmt zu. Körperlich, das ist statistisch belegt. Aber auch die verbale Aggressivität hat ihre Wirkung. Das merkt man – bei Trainern, Spielern und Zuschauern – bei fast jedem Spiel, egal, ob es sich fußballerisch um Oberliga- oder Kreisliganiveau handelt. Und liebe Amateurfußballer, hört endlich auf mit diesem Nonsens, solche Dinge als zum Sport gehörende Emotionen abzutun.

SV Empor Berlin machte ein interessantes Experiment

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Stellen Sie sich einmal vor, die Aggressoren würden sich im privaten Umfeld genauso verhalten, wie auf dem Fußballplatz. Warum wird jegliches gute Benehmen beim Anziehen der Sportklamotten oder Betreten des Sportplatzes am Wochenende abgelegt? Es gibt schlicht keinen Grund. Sondern nur ein riesiges Problem.

Ein Experiment, das die Mannschaft des SV Empor Berlin vor kurzem gemacht hat, könnte bei der Lösung helfen. Die Berliner haben sich selbst auferlegt, in einem bestimmten Zeitraum nicht zu reklamieren, nicht zu meckern, keine Frustfouls zu begehen, sich zu beherrschen und den Schiedsrichter nicht anzugreifen - mit allen Vor- und Nachteilen.

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