Hattingen/Sprockhövel. Die EU könnte Granulat auf Kunstrasenplätzen ab 2022 verbieten. Fast überall in Hattingen und Sprockhövel liegt es. Die Politik ist gelassen.

Veli Kutlu nimmt die kleinen grünen Kügelchen auf dem Kunstrasen an der Munscheidstraße in die Hand. Sie sind es, die auf dem Untergrund für ein weiches Laufgefühl sorgen. Und die EU könnte sie womöglich verbieten, einen Entschluss dazu könnte es ab 2022 geben. Denn: das enthaltene Mikroplastik soll umweltschädlich sein. Manche Vereine reagieren nun darauf, die Mehrheit sieht dem Thema allerdings gelassen entgegen.

Sechs Kunstrasenplätze gibt es mittlerweile in Hattingen, dazu fünf in Sprockhövel. Fast alle sind mit Granulat vermischt. Jüngst hat die DJK Märkisch ihren Platz in der Behrenbeck mit dem neuen Belag ausgestattet, am Donnerstag wurde er freigegeben. Der Verein hatte noch während der Bauphase reagiert und aufgrund der Pläne der EU seine Pläne verändert: „Wir wollten auch erst Granulat nehmen. Dann erreichte uns ein Schreiben, dass es verboten werden könnte. Wir haben dann sofort reagiert und nur Quarzsand verfüllen lassen“, erzählt Fußball-Abteilungsleiter Thomas Behling.

Mikroplastik kann in Trinkwasser und Nahrung gelangen

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Granulat oder Sand – das ist die Kunstrasenfrage, die sich zahlreiche Fußballvereine und Stadtverwaltungen aktuell stellen müssen. Viele Kunstrasenplätze sind und werden mit sogenanntem SBR-Granulat verfüllt, also zerkleinerten Autoreifen – das dämpft und federt und soll vor Verletzungen schützen. Letztendlich ist das Granulat aber Mikroplastik, das ins Trinkwasser und in die Nahrung gelangen kann, dadurch gesundheitsschädlich sein könnte und vor allem nicht mehr vollständig aus der Umwelt zu entfernen ist.

Die Europäische Chemikalienagentur empfiehlt der EU-Kommission deshalb ein Verbot der winzigen Plastikteilchen ab 2022 – ob das kommt, ist unklar. DFB-Vertreter raten inzwischen zu einem Verzicht auf Granulat. Der Deutsche Olympische Sportbund fordert beispielsweise eine Übergangsfrist von sechs Jahren, genauso wie Bundessportminister Horst Seehofer (CSU). Die Europäische Fußballunion UEFA und der DFB, fordern zudem weitere Untersuchungen, es gebe nicht genug Beweise für eine Gefahr durch Granulat.

TSG Sprockhövel hat sich beim Hersteller erkundigt

Kork: teuer aber umweltfreundlich

SG-Präsident Michael Boehnke nennt drei Gründe für den Kork: „Er wurde uns vom Hersteller Domo damals empfohlen, weil er als natürliche Ressource umweltfreundlich und abbaubar ist. Außerdem entsteht kein starker Geruch bei heißen Temperaturen und der Ball soll darauf am besten laufen.“

Kork ist zwar die teuerste Variante, aber die Kosten hätten sich damals für die beiden Vereine im Rahmen gehalten.

Die TSG Sprockhövel hat sich nach den Diskussionen auf politischer Ebene beim Hersteller des Kunstrasens im Baumhof, Polytan, erkundigt. „Laut Polytan kann durch die Sandschicht unter dem Granulat kein Mikroplastik ins Grundwasser gelangen. Somit könnte es liegen bleiben“, erzählt TSG-Kassierer Jürgen Meister. In Niedersprockhövel liegt der neue Belag seit 2017, es ist bereits der vierte. In den 1990er-Jahren wurde reiner Sand als Füllung benutzt, der Untergrund war hart. „Die Qualität ist längst nicht so gut wie ein Granulatgemisch“, sagt Meister.

Genauso sehen das die Sportfreunde Niederwenigern. Der Glück-Auf-Sportplatz muss saniert werden, als erster in Hattingen. Verein und Stadt befinden sich derzeit in Gesprächen, klar ist allerdings: es soll nun kein Granulat mehr verwendet werden. „Die Begründung des Verbots generell nachvollziehbar“, sagt Niederwenigerns Abteilungsleiter Manfred Lümmer. Nur Sand lehnen die Sportfreunde ab: „Es kann zu Abschürfungen und Verbrennungen kommen, das haben einige unserer Spieler schon auf anderen Plätzen erlebt. Die Halmlänge ist außerdem entscheidend, mit unserem alten Platz sind wir zufrieden“, so Lümmer.

Oberligist hat Erwartungen an die Qualität

Veli Kutlu, Sportlicher Leiter von Hedefspor Hattingen, zeigt das Granulat und ärgert sich über immer wieder neu auftretende Regeln.
Veli Kutlu, Sportlicher Leiter von Hedefspor Hattingen, zeigt das Granulat und ärgert sich über immer wieder neu auftretende Regeln. © Funke Foto Services | Walter Fischer

Dadurch, dass die Sportfreunde nun in der Oberliga spielen, wollen sie einen Kunstrasen mit gewisser Qualität. Eine Möglichkeit wäre ein Kork-Sandgemisch, was der aktuellen Variante an der Burgaltendorfer Straße wohl am ähnlichsten wäre. „Es ist vorstellbar, aber wir müssen es noch prüfen. Ein Nachteil ist: Kork ist teurer als Sand“, sagt Lümmer und fügt an: „Mit unserem aktuellen Kunstrasen sind wir zufrieden. Wir haben daher die Erwartung, dass wir eine ähnliche Faser bekommen.“ Kork liegt bereits an der Marxstraße, wo sich die SG Welper und der TuS Blankenstein den Kunstrasenplatz teilen.

Andere Vereine haben erst kürzlich mit dem Bau Granulat angeschafft, etwa Hedefspor 2017. „Wir machen uns auch Gedanken, haben extra die teurere und beste Variante gewählt und rund 35.000 Euro mehr gezahlt“, erzählt der Sportliche Leiter, Veli Kutlu, für den ein Granulat-Verbot zunächst einmal die nächste Hiobsbotschaft wäre. Auch der TuS Hattingen hatte sich 2012 für die teure Variante entschieden. „Sand wäre ein Rückschritt“, betont Günter Ecker, Fußball-Abteilungsleiter vom TuS mit Blick auf die Qualität. Kutlu bemängelt, dass es immer wieder neue Anforderungen und noch mehr Regeln gibt. „Der Sport soll Spaß machen, aber der Spaßfaktor sinkt immer mehr.“ Der Verein könnte eine Veränderung nicht stemmen. Doch das müsste er wohl gar nicht.

Sportpolitik rechnet mit den Übergangsfristen

Denn die Stadtpolitik sieht dem Thema recht entspannt entgegen und erwartet die Übergangsfrist bis zum Jahr 2028 – sollte die EU ein Granulat-Verbot durchsetzen. Dem Vernehmen nach gehen die Politiker davon aus, dass bis dahin alle Plätze einmal oder zum wiederholten Male saniert worden sind und in dem Zug das Granulat als Füllmaterial verschwindet. Denn nach den Erfahrungen werden die Kunstrasenplätze nach zehn Jahren saniert. So ist es jedenfalls in Niederwenigern der Fall und so war es etwa auch beim SC Obersprockhövel, der 2007 den ersten Kunstrasen bekam und 2017 den zweiten.

Beim SCO warten die Verantwortlichen im Übrigen ab, bis etwas entschieden wird. „Wir werden es weiter verfolgen und uns mit der Stadt Sprockhövel austauschen“, sagt der zweite Vorsitzende Klaus Calenberg. Keine Gedanken machen müssen sich die SG Welper und der TuS Blankenstein, die eben ihre Korkfüllung zwischen den spiralförmigen Kunstgrashalmen haben.

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