Gladbeck. Der VfL Gladbeck feiert 100. Geburtstag. Vereinschef Siegbert Busch blickt in einem Interview mit der WAZ zurück und auch nach vorne.

Der VfL Gladbeck feiert in diesem Jahr 100-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass haben wir den Vorsitzenden Siegbert Busch interviewt. Es geht um die Vergangenheit der Rot-Weißen, aber auch und gerade um aktuelle und zukünftige Herausforderungen, mit denen sich der mit mehr als 3000 Mitgliedern größte Sportverein unserer Stadt konfrontiert sieht.

VfL Gladbeck war in der Nazizeit verboten

Auch wenn es in diesem Interview um das 100-jährige Bestehen des VfL Gladbeck geht, müssen wir doch auch über die Corona-Pandemie und deren Folgen sprechen. Würden Sie sagen, dass Ihr Verein gerade die schwerste Zeit seit dem Ende der Nazi-Diktatur erlebt?

Busch: Diese Frage ist nur zu beantworten, wenn ein kurzer Rückblick auf Gladbeck zur Zeit der Nazidiktatur und auf die Geschehnisse um den VfL erfolgt. Der Vorgänger des heutigen VfL ist der 1921 gegründete Arbeiter-Wassersport-Verein Gladbeck, der aus der Arbeitersportbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden ist.

Nach der Machtübernahme 1933 durch die Nationalsozialisten wurden die Arbeitersportvereine verboten. Auch der AVW unterlag der Verfolgung und der Drangsalierung durch die Nazidiktatur. Bis 1945 ruhte das Vereinsleben. 1945 erfolgte die Wiedergründung des Vereins mit dem Namen Arbeiter-, Turn. und Sportverein Gladbeck, dem der Name VfL Gladbeck folgte.

VfL Gladbeck erlebt laut Busch gerade eine schwierige Zeit

Man kann also die damaligen Schwierigkeiten für den Verein überhaupt nicht mit den heutigen vergleichen?

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Nein. Die Corona-Pandemie beeinträchtigt unseren Sportbetrieb seit einem guten Jahr. Aber der VfL existiert weiterhin. Es bleiben uns Gestaltungfreiräume im digitalen Bereich, Übungsstunden im Freien während der Sommerzeit. Die Mitglieder bleiben uns treu, was für das Überleben des Vereins von zentraler Bedeutung ist. Wir nutzen die Gestaltungsräume, die uns der Staat, Kreis und Stadt nach dem jeweiligen Stand der Pandemie belässt.

Wir, der Verein, die Kurs-und Übungsleiter beobachten die Entwicklung und wir reagieren schnell und direkt. Um auf die Frage zurückzukommen, ja, es ist eine schwierige Zeit, eine besondere Herausforderung. Aber nicht zu vergleichen mit der Zeit des Verbots und der Verfolgung durch das Naziregime.

Siegbert Busch fühlt sich dem VfL Gladbeck sehr verbunden

Was bedeutet das 100-jährige Bestehen des VfL für Sie persönlich? Ein bloßes Datum oder mehr, viel mehr sogar?

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Schon meine Eltern waren VfLer. Meine Mutter war eine geborene Schirrmacher, Artur Schirrmacher, der 1. Vorsitzende des Vereins nach dem Krieg von 1945 bis 1976, war ihr Bruder. Der Blick zurück ist der Blick zurück in die Vergangenheit des Vereins mit vielen Facetten, meine persönliche Vergangenheit, aber auch in die Geschichte der Stadt Gladbeck.

Die Entwicklung der Stadt hat den VfL geprägt, aber der VfL hat mit seinem Auftreten, seinen Ideen die Sportstadt Gladbeck mit beeinflusst. Zu meinem Leben gehört der Sport und dem VfL fühle ich mich persönlich sehr verbunden.

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Unter Hermann Flemming wurde der VfL Gladbeck ein Großverein

Ihr Verein ist zu dem mit Abstand Mitglieder-stärksten Sportverein Gladbecks geworden, sogar zu einem sogenannten Großverein. Was ist das Erfolgsrezept gewesen?

Die Entwicklung zum Mitglieder-stärksten Sportverein in Gladbeck und Umgebung ist eng verbunden mit Hermann Flemming, dem Vorsitzenden des VfL in der Zeit von 1976 bis 2001. Unter seiner Führung explodierte die Mitgliederzahl von 1900 auf über 5000 Mitglieder.

Die von Hermann Flemming initiierte „Soziale Offensive im Sport“ passte genau in den Zeitgeist. Seine Ideen, Sportangebote für Arbeitslose, Hausfrauen, Schichtarbeiter zu unterbreiten, zur Gesundheitsvorsorge oder Rehabilitation, entsprachen passgenau den Wünschen der Bevölkerung. Hinzu kamen Angebote für Aerobic und allgemeine Fitness auch in Zeitmitgliedschaft.

VfL Gladbeck hat zwei neue Abteilungen gegründet

Was muss der VfL tun, um auch in Zukunft Sportinteressierte anzusprechen?

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Der VfL muss den Weg Flemmings weitergehen. Wir müssen beobachten, welche sportlichen Interessen und Bedürfnisse in der Gesellschaft sich entwickeln und entsprechende Angebote machen. Der VfL darf nicht statisch sein, sondern muss sich immer weiter dynamisch entwickeln. So haben wir in diesem Jahr zwei neue Abteilungen gegründet, um den sportlichen Bedürfnissen zu entsprechen.

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Sie meinen die Rehasport-Abteilung und die Kinder-Sport-Schule, oder?

Ja. Mit der Abteilung Rehasport wollen wir das Thema Gesundheit und Prävention mehr in den Vordergrund stellen. Im Bereich Reha sind wir mit ausgebildeten Reha Übungsleitern*innen in der Orthopädie, als auch im Lungen- und Herzsport gut aufgestellt. Außerdem bieten wir die Orthopädie auch im neuen Schwimmbecken an der Jordan-Mai-Schule im Wasser an. Mit der Kinder-Sport-Schule bieten wir neue vielfältige Angebote für Kinder an.

VfL Gladbeck startet Initiative zur Gewinnung von Übungsleiter*innen

Was muss der VfL tun, um auch in Zukunft Sportinteressierte anzusprechen?

Wer Gutes tut, muss es mitteilen. Das bedeutet, über breit gesteuerte Öffentlichkeitsarbeit müssen wir immer wieder unsere interessanten Angebote transportieren. Die Zusammenarbeit mit den Schulen muss intensiviert werden. Allerdings gilt auch, um guten Sport in allen Bereichen anbieten zu können, benötigt der Verein gute Übungsleiter*innen. Eine Initiative zur Gewinnung von Menschen, die sich für diese spannende Aufgabe interessieren, werden wir in Kürze starten.

Der VfL gab und gibt auch dem Leistungssport ein Zuhause. Soll das so bleiben oder ist das möglicherweise ein Luxus, den sich Vereine zukünftig gar nicht mehr leisten können oder wollen?

Grundsätzlich stellt sich diese Frage nicht. Zu einem funktionsfähigen Großsportverein gehören Gesundheits-, Breiten- als auch Leistungssport. Entscheidend ist die Gewichtung, die von mehreren Faktoren abhängig ist. Die Entwicklung wird geprägt von den Personen, die als Abteilungsleiter oder Trainer Verantwortung übernehmen und Ideen, Visionen für den Verein haben.

Notwendig ist aber auch, dass Vorhandensein von talentierten Athleten*innen die sportlichen Erfolge wollen. Noch eine Anmerkung zum Leistungssport: Der Leistungssport schafft Vorbilder für Kinder und Jugendliche und das sportliche Angebot für Kinder und Jugendliche wird immer ein Schwerpunkt der Arbeit im VfL sein. Es haben sich immer wieder Synergieeffekte gezeigt, Kinder bringen Eltern mit in den Verein, die immer wieder auch zu gewinnen sind für ein vielfältiges ehrenamtliches Engagement.

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In diesem Jahr wird ein Buch über den VfL Gladbeck erscheinen

Sprechen wir über die Feierlichkeiten aus Anlass des 100-Jährigen. Wie plant man diese in Zeiten, in denen niemand weiß, was in der nächsten Woche erlaubt und/oder infolge der pandemischen Lage geboten ist, geschweige denn in ein paar Monaten?

Feierlichkeiten zu unserem 100. Geburtstag hängen ab von der uns alle belastenden Pandemie. Den 100. zu feiern ohne sich zu begegnen, ohne miteinander zu sprechen, ohne über Vergangenheit und Zukunft mit alten, neuen, jungen Wegefährten*innen sich auszutauschen, ergibt keinen Sinn. Das alles verbietet sich zurzeit und wir alle wissen nicht, ab wann sich das verändern wird und ob wir 2021 feiern können.

Der VfL hat schon schwere Zeiten überstanden und wir werden auch Corona überstehen und dann feiern wir und werden wieder Sport in gewohnter Weise treiben. Die verschiedenen Ideen über Feierlichkeiten sind besprochen worden und sind vorhanden. Sie umzusetzen, hängt ab von der Entwicklung von Corona und nur bedingt von uns. Fertig stellen werden wir 2021 ein Buch über die 100-jährige Geschichte des VfL Gladbeck.

Siegbert Busch wünscht sich für den VfL Gladbeck ein normales Leben

Eine letzte Frage zum Abschluss: Was wünschen Sie sich für den VfL Gladbeck zum 100. Geburtstag?

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Wir wünschen uns allen und auch dem VfL wieder ein normales Leben, mit freudigen Begegnungen im Gesundheits- und im Breitensport. Ich wünsche mir lachende Kinder in ihren Übungsstunden und wieder spannende Handballspiele in der Riesener-Halle und unserem Aushängeschild im Leistungssport, Jessica Steiger, eine erfolgreiche Teilnahme 2021 an den Olympischen Spielen in Peking.

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