Gelsenkirchen. Im WAZ-Interview spricht Lindner darüber, wie Gelsenkirchen wirklich große Sportstadt werden kann und warum mehr Fußball-Vereine über Fusionen nachdenken sollten.
Klaus Lindner, Präsident von Gelsensport, blickt optimistisch ins Jahr 2025. Zum einen geht es bei einigen Sportprojekten in die gewünschte Richtung, zum anderen „hat sich das Verhältnis zur Politik deutlich gebessert“, wie der 69-Jährige anmerkt. Im großen WAZ-Interview zum Jahresstart 2025 verrät Lindner, was ihn im abgelaufenen Jahr gefreut hat, wo er Verbesserungsbedarf sieht und warum Fußball-Klubs in Gelsenkirchen ihre Kräfte noch stärker bündeln sollten.
Herr Lindner, was waren für Sie als Gelsensport-Präsident die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Gelsenkirchener Sportjahr 2024?
Klaus Lindner: 2024 ist für uns das Jahr der Neuorientierung gewesen. Für uns ging es um eine Neuaufstellung von Gelsensport und um die Frage, wie sich die Zusammenarbeit mit dem Dezernat der Stadt gestaltet.
Wie läuft die Zusammenarbeit?
Äußerst positiv. Roy Primus, der die Stabsstelle Sport leitet, weiß um die Probleme, die es in Gelsenkirchen gibt. Die Zusammenarbeit läuft vertrauensvoll. Wir haben kurze Wege und sind wöchentlich im Austausch.
In welchem Bereich gibt es noch Schwierigkeiten?
Viele Vereine sind nach wie vor der Meinung, wir bei Gelsensport wären für alles zuständig. Das ist aber nicht mehr der Fall. Die Vereinsvertreter müssen sich an Roy Primus oder andere Mitarbeiter der Stabsstelle Sport wenden. Was auffällig ist: Schnelle Entscheidungen klappen nach wie vor nicht.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Eintracht Gelsenkirchen hatte sich vor über einem halben Jahr bei uns gemeldet, weil auf ihrer Anlage ein Abfluss nicht funktionierte. Nach sieben Monaten wurde der betreffende Abflussbereich mit einem Bauzaun abgesperrt. Der Abfluss selbst ist aber weiterhin defekt.

Was hat Sie im letzten Jahr gefreut?
Ich finde richtig gut, dass wir mit dem Ruderverein Gelsenkirchen eine Lösung gefunden haben. Da ensteht mit Mitteln aus der modernen Sportstättenförderung ein richtig schmuckes Gebäude mit neuem Dach, Solaranlage und moderner Technik. Der Ruderverein hatte sein Gelände in den 50er Jahren mal verkauft und jetzt zurückgekauft. Die offizielle Einweihung ist für den April 2025 geplant. Aber es gab noch weitere positive Entwicklungen.
Zum Beispiel?
Mittelfristig ist es uns gelungen, eine Regelung mit dem Trabrennverein Gelsenkirchen zu finden. Das Cricket-Team der Black Miners kann seine Bundesligaspiele auf dem Rasen im Innenbereich der Trabrennbahn austragen. Auf der Spielfläche im Revierpark Nienhausen hätten Bäume gefällt werden müssen, um das Cricket-Feld zu vergrößern. Das hat nicht funktioniert. Beim Reitverein an der Horster Straße wurde mit dem Bau der neuen Reithalle begonnen. Ich gehe schwer davon aus, dass wir 2025 die Eröffnung feiern können.

In den nächsten Wochen soll der nächste Schritt zum Zusammenschluss der Fußball-Klubs Westfalia 04 und ETuS Bismarck unternommen werden. Wie bewerten Sie das?
Ich finde diese Idee gut, dass Westfalia und ETuS Bismarck ihre Kräfte bündeln wollen. In Resse gibt es Überlegungen, dass drei Vereine zusammengehen. Man muss mittlerweile auch über den Tellerrand hinausschauen und man muss auch mal umdenken. In Bochum gibt es zum Beispiel in einigen Fällen nur dann grünes Licht für neue Kunstrasenplätze, wenn zwei Vereine fusionieren. Die Diskussion, dass Klubs zusammenarbeiten und verschmelzen, müssen wir anstoßen. Das ist die größte Aufgabe für den Fußball hier in unserer Stadt.
Was sollte sich sonst noch ändern?
Wir müssen den Vereinen mehr Eigenverantwortlichkeit und mehr Chance zur Eigenleistung einräumen. Wenn auf einer Anlage zum Beispiel ein Waschbecken kaputt ist und ein Verein das selbst reparieren kann, weil er die Kontakte zu einem Sanitärbetrieb hat, könnte das relativ zügig gelöst werden. Aktuell muss so eine Reparatur über das Servicecenter beauftragt werden. Und das dauert seine Zeit. Die Tatsache, dass in der Stabsstelle Sport seit Anfang Januar jetzt ein gelernter Landschaftsbauer arbeitet, werte ich als klaren und hoffnungsvollen Schritt nach vorne. Er bringt alle Voraussetzungen mit, um eine Ausschreibung auf den Weg zu bringen.
Dieses Thema gibt es unter anderem bei Westfalia Buer…
Der Umbau der Tartanbahn ist bei der Westfalia dringend notwendig. Der Beschluss und die nötigen Finanzmittel sind da, aber es muss eben jemand die Leistungsausschreibung auf den Weg bringen. Die Ausschreibung muss europaweit erfolgen.

Vor einigen Monaten hatten Sie sich mit Ihren Gelsensport-Mitstreitern vorgenommen, Gelsenkirchen wieder zu mehr sportlichem Glanz zu verhelfen. Auf den großen Durchbruch wartet man noch vergeblich.
Man muss ehrlich sagen: In Gelsenkirchen bedarf es einer großen Anstrengung, um wirklich etwas zu erreichen. Ich denke da an eine Art Sondersport-Etat von vielleicht 20 Millionen Euro, aus dem man dann schöpfen könnte, um viele Dinge anzuschieben. Dazu würde zum Beispiel das Renovieren der Gelsenkirchener Sporthallen zählen. Die meisten Hallen haben es bitter nötig. Und auch hier müsste man die Strategie etwas ändern: Anstatt nur Grundschulen zu bauen, sollten auch Lehrschwimmbecken gebaut werden, um Kindern das Schwimmen beizubringen. Die Anzahl der Nichtschwimmer wird nicht ohne Grund von Jahr zu Jahr größer.
Einige Sportarten könnten deutlich mehr aus sich herausholen, wenn die nötigen Rahmenbedingungen vorhanden wären, oder?
Wenn man sich die Leichtathletik bei uns anschaut: Die Lohmühle wird zwar umgebaut, aber es gibt noch Bedarf im Hallenbereich, um den Athleten dort im Winter Trainingseinheiten zu ermöglichen. Erst, wenn diese Basics vorhanden sind, kann man darüber nachdenken, den Sport zu pushen. Bei den Turnerinnen und Turnern fehlen zum Beispiel umfangreiche neue Gerätschaften. Wenn das geklärt ist, könnte man über übergeordnete Meisterschaften in Gelsenkirchen nachdenken.
Kommen wir noch einmal zum Fußball: In Gelsenkirchen spielen die ranghöchsten Amateurklubs SSV Buer und YEG Hassel in der Landesliga. Der Großteil tummelt sich in der Bezirks- und Kreisliga. Reicht das, um sich Fußballstadt zu nennen?
Der Begriff Fußballstadt Gelsenkirchen wird gerne verwendet, hängt aber stark mit Schalke 04 zusammen. Wenn man wirklich Fußballstadt sein möchte, dann müsste man mehr höhere Spielklassen besetzen – also auch die Westfalen- und Oberliga. Da sind wir aber schnell wieder beim Punkt Verschmelzung. Aktuell haben wir 48 Fußball-Vereine in Gelsenkirchen. Mit 24 Klubs wäre es leichter, die Kräfte zu bündeln und etwas zu erreichen. Dazu müsste man natürlich alte Zöpfe abschneiden und sich auf das Neue einlassen. Ich höre immer nur, dass es zu wenig Mitarbeiter im Jugendsektor und zu wenig Ehrenamtler gibt. Auch da könnten Fusionen helfen. Wir sollten das Thema auf jeden Fall im Auge behalten.
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