Bochum. Die 22-jährige Merle Neuhaus aus Gelsenkirchen-Buer, die in Bochum studiert, wird ein zweijähriges Fußball-Stipendium in den USA absolvieren.
Es ist ein Tag in Saarbrücken, als der Traum beginnt, Wirklichkeit zu werden. Merle Neuhaus kickt beim Sichtungstraining, das Showcase heißt, so gut, dass sie kurze Zeit später gleich mehrere Angebote erhält. Wofür? Für ein Fußball-Stipendium im Land des Rekord-Weltmeisters, in den USA, in denen Frauenfußball eine ganz andere Bedeutung hat als in Deutschland. „Mega!“, nennt es Merle Neuhaus aus Gelsenkirchen. „Das ist eine umgekehrte Welt. Da gibt es Frauenfußball nicht erst montags um 17 Uhr. Gerade der College Women’s Soccer geht sehr, sehr steil durch die Decke.“
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Keine Frage: Es kribbelt. Die 22-jährige Bueranerin, die seit August 2020 wegen ihres Studiums an der Ruhr-Universität – Deutsch und Pädagogik auf Lehramt – in einer Dreier-Wohngemeinschaft in Bochum lebt, wartet noch auf ihr Visum. Am 6. Januar soll es dann über den Teich gehen. Für zwei Jahre.
Stipendiums an der Truett McConnell University in Cleveland
„Das ist schon sehr schwierig, weil ich sehr familienbezogen bin. Ich gehe auch jede Woche zu Oma und Opa“, sagt sie. Zu Hannelore und Günter. „Ich kann nicht mal eben 20 Minuten nach Gelsenkirchen fahren. Irgendwie gibst du auch deinen Freundeskreis auf. Aber meine Mama hat mir quasi den entscheidenden Arschtritt gegeben, diese Chance auch zu nutzen.“ Mama Ilga. „Es ist mein Kindheitstraum“, betont Merle Neuhaus. „Es ist das, was ich immer machen wollte. Wenn nicht jetzt, wann dann?“
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Erfüllen wird sich dieser Traum im Bundesstaat Georgia an der Truett McConnell University in Cleveland. Das Team dort – die Bears – spielt in der Appalachian-Athletic-Conference, erreicht regelmäßig die Endrunde der Women‘s Soccer Championship und gehört in den Vereinigten Staaten von Amerika zu den Top-Mannschaften. „Sie sind bei mehr als 240 Unis auf Platz elf gelandet“, sagt Merle Neuhaus, die eh den Eindruck macht, schon sehr viel von dem zu wissen, was sie im fast 7200 Kilometer entfernten Cleveland, 90 Meilen nordöstlich von Atlanta, so alles erwarten wird.
Der Saarbrücken-Auftritt wird live in die USA übertragen
Die Qualität des Bären-Teams war im Endeffekt auch das entscheidende Kriterium für Merle Neuhaus, das Stipendium an der Truett McConnell University und nicht etwa in Ohio oder Kalifornien anzutreten – was wegen ihres überzeugenden Auftritts in Saarbrücken auch möglich gewesen wäre. „Da haben wir klassisch elf gegen elf gespielt, und alles ist live in die USA übertragen worden“, erzählt sie. „100 Coaches haben zugeschaut.“ Gewonnen hat David McDowell, der Bears-Headcoach. „Ich glaube, dass das Niveau dort am höchsten ist und ich mich vor allem fußballerisch sehr gut weiterentwickeln kann. Ich habe auch schon einen Trainingsplan bekommen, was ich hier alles machen kann“, sagt sie.
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An den Colleges in den USA finden die jungen Fußballerinnen Bedingungen vor, die in Deutschland unvorstellbar sind. „Die Uni setzt alles auf den Sport, es geht darum, dass es mit dem Fußball nach vorne geht“, sagt Merle Neuhaus, die einen Master-Studiengang in Psychologie absolvieren wird, weil, klar, Deutsch und Pädagogik auf Lehramt dort nicht möglich sind. „Nebensächlich“, wie sie erzählt. „Ich habe sechs Wochenstunden. Das ist total anders als hier.“
Merle Neuhaus ist Schalke-Fan durch und durch
Viel mehr Zeit zum Studieren bleibt allerdings auch nicht. „Wir haben mehrere Trainings pro Tag, manchmal schon ab 6.15 Uhr im Fitness-Studio, und zwei Spiele pro Woche“, sagt Merle Neuhaus, die für den SuS Concordia Flaesheim in der Juniorinnen-Bundesliga gespielt hat, als Papa Raimund nicht nur einmal mit einer Decke und Thermoskanne im Auto auf seine trainierende Tochter gewartet hat. Sie hat auch Einheiten beim VfL Bochum absolviert, ist mit den Frauen der SSV Buer in die Landesliga aufgestiegen und hat bis zu dessen Rückzug für den Westfalenligisten SV Höntrop gespielt.
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Ein bisschen hat sie zuletzt auch noch beim Rest des SV Höntrop gekickt, der den Startplatz der Reserve in der Kreisliga behalten hat. „Das ist mir aber ein bisschen zu wenig“, sagt Merle Neuhaus, die möglicherweise beim Regionalligisten 1. FFC Recklinghausen gelandet wäre – wenn jetzt nicht das Stipendium anstünde, das sie sozusagen als zweite Chance erhalten hat.
Eine E-Mail von Alicia Gudorf, die für den 1. FC Köln in der Bundesliga spielt
Kurz nach dem Abitur 2018 wollte es Merle Neuhaus schon einmal machen, „aber ich habe mich irgendwie noch nicht reif gefühlt“, sagt sie. Als dann jedoch jetzt die E-Mail von Alicia Gudorf kam, die für den 1. FC Köln in der Bundesliga spielt, „bin ich direkt nach Hause gefahren und habe mit Papa gequatscht“, erzählt sie.
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Und spätestens nach dem Arschtritt von Mama Ilga sowie dem Showcase war alles klar. Zumal die Betreuung durch die Agentur Scholarbook ausgezeichnet sei. „Die kümmern sich um alles“, sagt Merle Neuhaus, die Schalke-Fan durch und durch ist.
Ein kleines Reich mit der Mannschaft in einem Haus am Rande des Campus
In den USA will die Rechtsaußen ihre intensive Liebe zum Fußball noch weiter vertiefen. „Ich bin ohne Ball nie aus der Tür gegangen: nicht zum Einkaufen, nicht zu Familienfeiern, nicht in schöne Restaurants“, erzählt Merle Neuhaus, die davon überzeugt ist, dass ihr ihre vergangenen Bochum-Monate dabei helfen werden. „Zu Hause war’s schon ziemlich gut, immer sehr bequem“, sagt sie. „Aber das Studenten-Leben hat sich sehr gelohnt.“
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Im Studentenwohnheim Grimberg, um genau zu sein. „Das ist eine total schöne Gemeinschaft. Du bist nie allein, hast aber trotzdem dein Ruheeckchen.“ So wird’s voraussichtlich auch in Atlanta sein. Logisch: Merle Neuhaus weiß schon fast alles. „Da werden wir in einem Haus am Rande des Campus ein kleines Reich mit der Mannschaft haben“, sagt sie. Sie wird dort in einem Zweier-Appartement leben. Zwei Jahre lang.
Merle Neuhaus: „Bayern, Wolfsburg, Frankfurt, das wäre schon ein Traum“
Und dann? „Wenn ich wiederkomme, möchte ich in einer höheren Liga spielen“, antwortet Merle Neuhaus, deren Unnaer BVB-Freund Patrick Sacher (24), der für den Landesliga-Fünften SV Brackel 06 kickt und in dieser Saison schon elfmal getroffen hat, beim Frankfurt-Showcase ebenfalls überzeugt hat und voraussichtlich im August Richtung USA starten wird. „Das ist eine schöne Gemeinsamkeit für die Zeit danach. Schon witzig“, sagt Merle Neuhaus. Aber wovon träumt sie nun? „Bayern, Wolfsburg, Frankfurt, das wäre schon ein Traum. Aber ich glaube nicht, dass ich das schaffe.“
Warten wir’s mal ab.