Lyon. Angeführt von Spielführerin Megan Rapinoe haben die Fußballerinnen aus den USA am Sonntag zum vierten Mal die Weltmeisterschaft gewonnen.

Als die spontanen Umarmungen getätigt und der ersehnte Goldpokal übergeben war, hat sich Megan Rapinoe mit den Mitspielerinnen einfach mal fallen lassen. Für einen Moment streckten die umjubelten Heldinnen der US-amerikanischen Nationalmannschaft hinter dem Podium der Siegerehrung Arme und Beine aus – und badeten im Konfettiregen, der zuvor zu Donnerschlägen und Feuerwerk auf den Rasen des Stade de Lyon herabgeregnet war. Die Mission war erfüllt: Mit einem 2:0 (0:0)-Erfolg in einem spannenden, aber nicht hochklassigen WM-Finale gegen die Niederlande hat die Führungsmacht im Frauenfußball den Titel nach 1991, 1999 und 2015 gewonnen.

Viele Stars gingen mit feuchten Augen auf die Ehrenrunde. Powerfrau Rapinoe, die sich mit ihrem sechsten Turniertor zur Matchwinnerin und auch Torschützenkönigin der WM 2019 aufschwang, schien nach dem letzten Statement fast sprachlos: „Ich glaube nicht, dass ich das in Worte fassen kann. Wir haben alle unsere Familien und Freunde hier. Es ist surreal. Ich weiß nicht, wie ich mich jetzt fühlen soll.“ Die 34 Jahre alte Aktivistin vom linken Flügel hatte am Vortag bekräftigt, dass sie einer Einladung ins Weiße Haus nicht folgen werde; und weil das Team sich sehr nahe sei, würden auch die Mitspielerinnen nicht dem ungeliebten US-Präsident Donald Trump die Hände schütteln.

Spätestens zur Übergabe der Trophäe durch den ausgebuhten Fifa-Präsidenten Gianni Infantino war klar, dass ihre vielen übergreifenden Botschaften die vergangenen Wochen im Kampf um mehr Anerkennung, Wertschätzung und Respekt angekommen waren. „Equal pay“ (gleiche Bezahlung), brüllten im Stakkato mehr als 25.000 amerikanische Fans, die zwar einerseits die Fußballerinnen feierten, die sich das Sternenbanner ums Nationaltrikot gewickelt hatten, aber dem obersten Dienstherren des Weltverbandes lautstark auf den Weg gaben, die frappierend ungleiche Entlohnung zwischen Frauen und Männern zu beenden.

Gerade in der Soccer-Nation sind Alex Morgan und Co. ja auch das starke Geschlecht: Idole, die für erfolgreichen und schönen Fußball stehen, auch wenn das gestrige Endspiel – anders als vor vier Jahren beim 5:2 gegen Japan in Vancouver – nicht als fußballerisches Glanzstück in Erinnerung bleiben wird. Neben der überragenden Athletik sticht die enorme Mentalität heraus. „Sie sind eine erstaunliche Gruppe von Spielern und eine noch bessere Gruppe von Menschen“, lobte die US-Trainerin Jill Ellis ihre Protagonisten. Genau wie die vier Türme der Basilika Notre-Dame de Fourvière auf dem gleichnamigen Hügel unweit des amerikanischen Teamhotels die drittgrößte Metropole Frankreichs überstrahlen, erhebt sich ihr Team über der Konkurrenz.

Elfmeter bringt USA auf die Siegerstraße

In dem anfangs zähen Abnutzungskampf gegen den körperbetont spielenden Europameister fiel die Entscheidung allerdings erst in der zweiten Halbzeit, als die niederländische Abwehrspielerin Anouk Dekker mit einem gestreckten Bein gegen Alex Morgan zu Werke ging, so dass Schiedsrichterin Stephanie Frappart (Frankreich) nach Intervention des Videoassistenten auf den Elfmeterpunkt zeigte. Rapinoe verwandelte sicher (61.). Kurz darauf brachte ein beherztes Solo von Rose Lavelle die Entscheidung (69.). Dass die „Oranje Leeuwinnen“ am Ende nicht arg unter die Räder kamen, war ihrer herausragenden Torhüterin Sari van Veenendaal zu verdanken, die sich bis zum Schluss besonders tapfer gegen die Niederlage wehrte. In der ersten Halbzeit parierte die Kapitänin bereits stark gegen Julie Ertz (28.), Samantha Mewis (37.) und Morgan (38./40.), als der Abwehrblock allmählich bröckelte. „Wow! Sari van Veenendaal“, lobte die ehemalige US-Startorhüterin Hope Solo bereits zur Pause anerkennend über die sozialen Netzwerke.

Aber letztlich schickten die US-Girls vor den Augen des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron und dem König der Niederlande, Willem-Alexander auch den letzten europäischen Gegner auf die Bretter. Es sind Siege mit System, sagt die ehemalige deutsche Nationalspielerin Nadine Keßler als Leiterin der Uefa-Abteilung Frauenfußball: „Die USA ruhen sich nie aus, sie sind in einem laufenden Prozess.“

„Dass wir so lange oben stehen“, erklärte Rapinoe, sei dem Leitmotiv „play hard, work hard“ zu verdanken. Die Basis bilden fast zwei Millionen Mädchen im amerikanischen Soccer-Betrieb. „Wenn wir Titel gewinnen, sind wir deren Vorbilder und schaffen es, dass wieder neue Spielerinnen nachkommen“, erklärte die Vorkämpferin. Wenn dieser Kreislauf weiter so gut funktioniert, dann wird es für andere Nationen schwierig, die amerikanische Vormachtstellung zu brechen.