Essen. Der FC Kray empfängt den großen Stadtrivalen Rot-Weiss Essen - der Heimvorteil dürfte sich an der Hafenstraße allerdings in Grenzen halten. Dennoch ist der Aufsteiger auf mehr als Schadensbegrenzung aus. Die Rot-Weissen nehmen indes ihre Favoritenrolle an. Kray-Coach Wißel: “Haben bewiesen, dass wir Favoriten mehr als nur ärgern können.“
Die bildreiche Sprache von Dirk Wißel, Trainer des Fußball-Regionalligisten FC Kray, ist mittlerweile wohl über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Und natürlich hatte Wißel auch vor dem mit Spannung erwarteten Heimderby gegen RWE am Samstagabend (18 Uhr) an der Hafenstraße etwas Launiges vorbereitet: „Es ist das Duell einer Maus gegen einen Löwen“, philosophierte der Coach. „Erschwerend kommt noch hinzu, dass wir uns nicht in unserem Mauseloch duellieren, sondern in die Höhle des Löwen müssen.“
Damit sind Tatsachen wie Kräfteverhältnisse klar wiedergegeben. Der FC Kray trägt sein Heimspiel an der Essener Hafenstraße aus, bekanntermaßen Heimstätte der Rot-Weißen. Und der FC Kray ist krasser Außenseiter gegen ein Team, das sich noch zu Beginn der Woche zaghaft Hoffnungen im Aufstiegskampf gemacht hatte. Die sind zwar nach dem 0:1 gegen Fortuna Köln am vergangenen Dienstag wohl endgültig zerplatzt (wir berichteten), was an der Ausgangssituation für das Derby freilich nichts ändert. „Am Dienstag waren wir der Außenseiter, am Samstag sind wir der Favorit“, fasste es RWE-Coach Waldemar Wrobel zusammen. „Diese Rolle werden wir an- und ernst nehmen. Denn wer die Historie solcher Spiele kennt, der weiß, was in so Derbys alles passieren kann.“
Wrobel warnt vor dem kleinen Nachbarn
Wrobel ist fest gewillt, seiner Mannschaft überaus deutlich zu veranschaulichen, was da auf RWE zukommt. „Lotte ist gegen Kray in große Schwierigkeiten geraten. Und wenn Lotte das passieren kann, müssen wir erst recht auf der Hut sein.“
Es sind die typischen Befürchtungen eines Favoriten, doch auch der Außenseiter hat noch an seinen Erfahrungswerten zu knabbern: Nicht, weil der FC Kray im Hinspiel unter die Räder geraten wäre. Im Gegenteil, das 1:3 war mindestens im Rahmen. Nur wäre mehr drin gewesen, wie Dirk Wißel zerknirscht zu Protokoll gegeben hatte. Groß war der Frust und der Ärger nach einem Spiel, in dem die Krayer in Ehrfurcht und Demut in sich zusammengesackt waren, ihr Glück, an der legendären Hafenstraße spielen zu dürfen, eifrigst in Bildern festgehalten hatten. „Ich habe sämtliche Handys und Kameras beim Training in dieser Woche eingesammelt“, witzelte Wißel. Und schob aber grantig hinterher: „Ich glaube nicht, dass den Jungs das zweimal passiert. Wenn doch, dann möchte ich ihre Angst vor mir wirklich nicht haben.“
Wißel sieht die vierte Liga als Abenteuer
Wißel hofft eher auf die echte Motivation, die – richtig kanalisiert – Kräfte freisetzen kann. Nur eigentlich stelle sich die Frage nach der Motivation gar nicht so recht, Derby hin oder her: „Für uns ist diese Vierte Liga ein Abenteuer und jeder Gegner ist etwas Besonderes.“
Trotzdem: Dieses Spiel schafft es, die Abstiegssorgen, die eigentlich kaum mehr zu bewältigen sind, in den Hintergrund zu rücken. Die Frage nach dem Klassenerhalt und wie realistisch selbiger noch ist, stellt sich in diesen Tagen kaum. Es ist einfach das Stadtderby des Sensationsaufsteigers mit dem großen Traditionsverein. Bis zu 10 000 Essener Fußballfans werden erwartet, für RWE mehr oder weniger Liga-Alltag, für Kray als Ausrichter dieses Fußballspiels der Höhepunkt der Vereinsgeschichte. Zumindest der vorläufige: „Einmal als FC Kray im Camp Nou des FC Barcelona wäre doch auch eine riesige Nummer“, so Dirk Wißel augenzwinkernd.
Kray will nicht nur Schadensbegrenzung
Kray gegen RWE – David gegen Goliath. Ein Spiel, „in dem es für uns nicht darum geht, nicht zu hoch zu verlieren“, stellt Dirk Wißel klar. „Wir wollen was holen, haben bewiesen, dass wir Favoriten mehr als nur ärgern können. Aber natürlich wird es eine sehr schwere Aufgabe.“ Sein Ansatz: Die Mannschaftsteile müssen so harmonieren, dass das Team besser ist als die Summe der einzelnen Spieler. Darauf verweist auch RWE-Coach Waldemar Wrobel: „Kray wird sich zerreißen. Darauf werden wir uns einstellen. Wir sind der Favorit, aber wenn wir unsere Leistung abrufen, dann werden wir dieser Rolle gerecht werden.“ Damit der Löwe Herr in seinem Haus bleibt, in dem er aber an diesem Samstag nur zu Gast ist.