Essen. Der BVB und Schalke spielen eine wachsende Rolle. Was der Trainerverlust der SGS Essen über den Stand im Frauenfußball aussagt. Ein Kommentar.

Als der FC Schalke 04 Mitte 2020 seine Frauenfußballabteilung wiederbelebte und Borussia Dortmund ein Jahr später nach einer Mitgliederbefragung ebenfalls Frauen- und Mädchenteams ins Rennen schickte, blieben die Verantwortlichen bei der SGS Essen noch gelassen. Die Kultvereine aus der Nachbarschaft starteten in der Kreisliga, weit, weit weg von der Beletage des Fußballs. Schalke zeigte anfangs ohnehin keine Profi-Ambitionen, der BVB wollte die Bundesliga bis 2027 erreichen - 2021 war dies noch leise Zukunftsmusik. Doch nun ist es vorbei mit der Gelassenheit. Die Bedrohung durch Schalke, den BVB und auch durch den lange eher gemächlich dahindümpelnden VfL Bochum ist nun Realität für die Essenerinnen, aus leiser Zukunftsmusik ist dröhnender Heavy Metal geworden.

Musste sich die SGS in der jüngsten Vergangenheit den höher dotierten Angeboten der Ligakonkurrenz beugen, als beispielsweise die Nationalspielerinnen Lena Oberdorf nach Wolfsburg oder Nicole Anyomi nach Frankfurt wechselten, kam der unerwartete Schlag nun aus tieferen Gefilden. Markus Högner wird künftig die BVB-Frauen betreuen, die SGS verliert ihren Rekordtrainer. Derzeit spielen die Dortmunderinnen drei Klassen tiefer in der Westfalenliga. Dass der 57-Jährige diesen Schritt trotzdem geht, lässt erahnen, welchen Stellenwert das Team von Borussia Dortmund im Frauenfußball bereits besitzt. Ganz zu schweigen vom Pozenzial mit Blick auf die künftigen Jahre. Szenekenner tuscheln, dass die Werbeerlöse der Dortmunderinnen schon jetzt Frauen-Bundesliga-Niveau haben.

SGS Essen bedroht durch BVB, Schalke und VfL Bochum

Ab dem Sommer beim BVB: SGS-Trainer Markus Högner.
Ab dem Sommer beim BVB: SGS-Trainer Markus Högner. © Getty Images For DFB | Christof Koepsel

Dagegen steht die SGS Essen. Einer der wenigen noch übrig-geblieben Frauen-Bundesligisten ohne großen Männerklub im Rücken. Mit einem der geringsten Etats der Liga, selbst der einen Platz tiefer als die Essenerinnen in der Tabelle stehende 1. FC Köln hat größere finanzielle Spielräume. Dass Högner in Dortmund weniger verdienen wird als in Essen, darf bezweifelt werden. Er wird den Schritt nicht nur gehen, weil er die sportliche Herausforderung dort so reizvoll findet.

Was bedeutet das für die SGS? Der baldige Trainer-Abschied ist ein herber Schlag, Högner war zwölf Jahre bei den Schönebeckerinnen angestellt, hat viele Talente entdeckt, gefördert und geformt. Auch deshalb gelang es immer wieder, nicht nur in der Liga zu bleiben, sondern auch Erfolge wie den Einzug ins DFB-Pokalfinale 2020 und den vierten Platz in der Saison 2023/24 zu erreichen. Einen solchen Zauberer auf der Trainerposition erneut zu finden, wird schwer. Zudem betreibt auch die Nachbarschaft zunehmend bessere Jugendarbeit. Das Zittern wird stärker, die nationale Konkurrenz auch. Die SGS wird weiter versuchen, eine der letzten reinen Frauen-Bastionen in der Bundesliga zu bleiben, dafür braucht es spielerisches Geschick und wirtschaftlichen Erfindungsreichtum. Einen guten Hörschutz ebenso, wenn der Heavy Metal aus der Nachbarschaft künftig noch lauter dröhnt.