Essen. Essener bleiben ungeschlagen und arbeiten weiter an imposanter Serie. Für RWE-Trainer Christian Neidhart ist der Erfolg nicht selbstverständlich.

Als der Schlusspfiff durchs Stadion hallte, blieb der Jubelsturm aus. Vielleicht waren die Sieger ja zu müde nach dem schweren Arbeitstag zum Ende einer Englischen Woche. Und Fans waren ja auch nicht vor Ort, mit denen man hätte feiern können. Rot-Weiss Essen hat mit dem 2:0-Erfolg bei den Sportfreunden Lotte die Pflicht erfüllt und die inzwischen gestiegenen Erwartungen ebenfalls bedient.

Die Essener klatschten sich ab und konnten zufrieden sein. Und die Fans daheim sind verzückt und begeistert von dieser Spielzeit, in der RWE noch nicht einmal Trauer tragen musste. 19 Spiele lang gab es keine Niederlage, das weckt das Anspruchsdenken: So trumpfen Meister auf. Weil der ärgste Verfolger Borussia Dortmund II beim VfB Homberg nicht über ein 0:0 hinauskam, hat RWE den Vorsprung an der Spitze auf acht Punkte ausgebaut, allerdings hat der BVB drei Spiele weniger absolviert.

So haben sie gespielt

SF Lotte - Rot-Weiss Essen 0:2 (0:2)

RWE: Davari - Plechaty, Heber, Hahn, Grund - Grote (76. Neuwirt) - Young (79. Endres), Harenbrock (58. Condé), Kehl-Gomez, Kefkir - Engelmann (71. Platzek).

Schiedsrichter: Erk (Herne)

Tore: 0:1 Heber (20.), 0.2 Harenbrock (39.).

Gastspiel in Lotte war nicht einfach

Doch ein lockeres Lustspiel war es auch am Lotter Autobahnkreuz nicht für den Primus, was RWE-Trainer Christian Neidhart eingestehen musste: „Es war nicht einfach, die Platzverhältnisse waren nicht einfach, dazu ein Gegner, der früh presst, das haben wir aber auch so erwartet.“

Wer eine solche Serie wie die Roten hinlegt, der braucht sich um das Selbstvertrauen nicht zu sorgen. Anders als die Gastgeber, die bislang eine enttäuschende Saison gespielt haben und auf einem Abstiegsplatz stehen. Einziger Hoffnungsschimmer vor dem Anpfiff: Lotte hatte die 13 Punkte allesamt im eigenen Stadion geholt.

Gäste versuchen gleich, die Kontrolle zu übernehmen

Christian Neidhart schickte zum dritten Mal in Folge trotz Englischer Wochen die gleiche Startelf ins Rennen. Die Jungs hatten souverän gegen den 1. FC Köln II (3:1) und unter der Woche gegen SV Straelen (4:1) gewonnen und sich damit das Vertrauen verdient. Der Spitzenreiter versuchte gleich, das Geschehen zu kontrollieren. Spieltechnisch hatten die Essener klare Vorteile. Aber die Gastgeber gingen ebenfalls engagiert in die Zweikämpfe und lauffreudig ans Werk, sodass die Roten auf der Hut sein mussten, vor allem vor den Kontern.

RWE fand eine gute Balance zwischen defensiver Sicherheit und offensivem Drang. Torchancen ergaben sich allerdings keine in den ersten 20 Minuten. Die erste richtige Möglichkeit brachte aber die Führung. Diesmal bereitete Torjäger Simon Engelmann vor, flankte ins Zentrum, wo Daniel Heber entschlossen zum 1:0 (20.) einköpfte.

RWE-Kapitän Marco Kehl-Gomez im Zweikampf  mit Lottes Conrad Azong.
RWE-Kapitän Marco Kehl-Gomez im Zweikampf mit Lottes Conrad Azong. © Thorsten Tillmann

Gastgeber steht kompakt in der Deckung

Die Gäste setzten auf Ballbesitz und suchten geduldig weitere Lücke in der kompakten Deckung des Gegners. Und ließen auch nicht ab, als Oguzhan Kefkir in Höhe der Mittellinie nach einem Zweikampf liegen blieb. Möglicherweise hatte auch Lotte erwartet, dass RWE den Ball ins Aus schießen würde. Die Deckung wirkte etwas unsortiert, als Marco Kehl-Gomez nach außen auf Cedric Harenbrock passte, der den Ball von links sehenswert ins lange Eck zum 2:0 (39.) beförderte.

Lotte wehrte sich weiterhin mit viel Aufwand und Energie. Demaj (50.) prüfte RWE-Keeper Daniel Davari, und Timo Brauer, der ehemalige Rot-Weisse, verpasste das Ziel nur knapp (56.). Wenig später kam Sandro Plechaty über rechts, doch sein Pass in die Mitte rollte ins Leere – da wäre mehr möglich gewesen (53.).

Individuelle Qualität siegt am Ende des Tages

Die Sportfreunde aus Lotte ließen nicht locker, beschäftigten die Essener Defensive, die in manchen Szenen nicht so ruhig und abgeklärt wirkte, wie man es von der besten Defensive der Liga erwarten könnte. Doch in manchen Situationen war zu spüren, dass es der relativ unerfahrenen Lotter Mannschaft an Klasse und Durchschlagskraft mangelte. Es blieb bei gefährlichen Ansätzen. Mehr bekam RWE in Hälfte zwei aber auch nicht zustande.

Gerät immer wehr unter Druck: Lottes Trainerin Imke Wübbenhorst
Gerät immer wehr unter Druck: Lottes Trainerin Imke Wübbenhorst © Thorsten Tillmann

„Du brauchst mal so ein Spiel, bei dem nicht alles so rosig und super läuft, aber das du trotzdem gewinnst. Die individuelle Qualität hat am Ende des Tages gesiegt“, meinte Neidhart. „Und es muss ja auch nicht immer schön aussehen, solange am Ende die Punkte stehen.“

Lottes Trainerin gerät nach Heimniederlage immer mehr unter Druck

Lob hatte der RWE-Trainer auch noch für die Gastgeber, die schon vor dem Anpfiff fehlendes Spielglück beklagten. Man habe gesehen, warum sich in Lotte schon so manche höher eingeschätzte Mannschaft schwergetan oder sogar verloren habe. „Da muss man auch mal ein Kompliment machen“, sagte Neidhart und ergriff im gleichen Atemzug Partei für seine Kollegin Imke Wübbenhorst, die in den eigenen Reihen in die Kritik geraten ist: „Es verwundert mich, wenn man die Möglichkeiten sieht und wie die Mannschaft auftritt, das ist sicherlich nicht so, dass die Trainerin infrage gestellt werden muss.“

Neidhart wiederum gilt bereits als Erfolgstrainer. Und nach Spielende beim obligatorischen Kreis hüpften die Spieler dann doch miteinander zu einem schmissigen „Hey, hey...“. Wahrscheinlich war’s die Vorfreude auf den freien Tag und eine relativ stressfreie Woche, denn die nächste Aufgabe steht erst wieder am kommenden Samstag zu Hause gegen FC Wegberg-Beeck an.