Bottrop. Kopfbälle im Jugendbereich erhöhen das Risiko, später an Demenz zu erkranken. Die Bottroper Fußballvereine finden daher teils kreative Lösungen.

Eine Studie der Universität Glasgow ergab, dass Kopfbälle das Risiko erhöhen, im Verlaufe des Lebens an Demenz zu erkranken. Vor allem Verteidiger – die als Konsequenz ihrer Position häufiger Kopfbälle spielen müssen – würden fünf Mal häufiger an der Beeinträchtigung des Gedächtnisses leiden als der Durchschnitt, bei Feldspielern sei das Risiko vier Mal so hoch, bei Torhütern hingegen nicht signifikant erhöht.

In Großbritannien wurden Kopfbälle für Unter-Elfjährige im Training mittlerweile durch den englischen Fußballverband komplett verboten. Im älteren Bereich sollen maximal zehn Kopfbälle mit höherer Kraft – also nach langen Pässen von 35 Metern oder mehr – in einer Trainingswoche ausgeführt werden. Sowohl im Amateur- als auch im Profibereich.

Zum Umdenken führte dort der Fakt, dass fünf Spieler aus dem englischen Weltmeister-Team von 1966 an Demenz erkrankt sind.

Der Deutsche Fußball-Bund möchte eine Reduzierung des Kopfballspiels im Kinderbereich

Auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat sich dem Thema Anfang des Jahres 2021 angenommen und auf die neuesten Studien reagiert. Das DFB-Präsidium beschloss, den Empfehlungen der medizinischen Kommission des DFB zu folgen und sich den UEFA-Empfehlungen anzuschließen – auch wenn das Thema sicherlich für Nachwuchsleistungszentren, in denen die Jugendlichen jeden Tag trainieren, noch relevanter ist als für den Amateurbereich.

Demnach ist das Kopfballspiel nicht grundsätzlich verboten, es soll im Kinder- und Jugendbereich allerdings deutlich reduziert werden. Zum Beispiel durch die Verkleinerung der Spielfelder, die Verringerung der Spieleranzahl oder durch niedrige Tore. Zudem soll auf die richtige Größe, das passende Gewicht und möglichst wenig Luftdruck in den Bällen geachtet werden und es soll gezielt die Nackenmuskulatur gestärkt werden, da wissenschaftliche Studien belegen, dass mit einer starken Nackenmuskulatur die wirkenden Kräfte des Balles auf das Gehirn verringert werden.

Bei Fortuna Bottrop ist Kopfballspiel im Kinderbereich in No-Go

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In Bottrop gibt es aktuell bei acht Vereinen Jugendmannschaften: FC Bottrop, Welheimer Löwen, Fortuna, Rhenania, VfB Bottrop, VfB Kirchhellen, BW Fuhlenbrock und VfL Grafenwald. Beim Thema Kopfball herrscht in den Jugendabteilungen sehr viel Einigkeit.

„Uns wurde gelehrt, dass Kopfballspiel im Kinderbereich aus zwei Gründen nicht sinnvoll ist. Der erste ist die Gesundheit. Weil der Schädel noch sehr weich ist. Deswegen ist es eigentlich bis zur E-Jugend untersagt. Aber das Traurige ist, dass man manchmal bei Gastmannschaften sieht, dass Kinder beim Warmmachen köpfen. Das ist ein absolutes No-Go und geht gar nicht“, sagt Dirk Regul, der Jugendleiter bei Fortuna Bottrop.

Der zweite Grund sei, dass der Kopfball „nicht zu den Techniken gehört, die ich im Spiel häufig benötige. Wir versuchen, in den Trainingseinheiten eher Techniken mit dem Fuß zu trainieren wie den Vollspann oder den Innenseiten-Stoß. Ab der D-Jugend kann man Kopfbälle in Parcours oder auch mal Wettkämpfe reinpacken, aber niemals bei den Bambinis oder der F-Jugend“, so Regul.

Training mit Luftballons bei Blau-Weiß Fuhlenbrock

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Ähnlich sehen dies Steffen Ludwig von BW Fuhlenbrock und Dirk Hillenbrand, der Jugendleiter der Welheimer Löwen. „Wir haben kein Verbot ausgesprochen. Wir haben in unseren Trainingsleitlinien aber festgelegt, dass gerade in den jüngeren Mannschaften die Kopfballtechnik nur mit Luftballons trainiert werden soll. Denn es gibt sowieso wichtigere Techniken in dem Alter zu trainieren“, sagt Ludwig.

Im jungen Alter schützen sich die Fußballer und Fußballerinnen oft selbst vor Kopfbällen. Es wird teilweise aber trainiert.
Im jungen Alter schützen sich die Fußballer und Fußballerinnen oft selbst vor Kopfbällen. Es wird teilweise aber trainiert. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Bei den Welheimer Löwen wird das Kopfballtraining im kompletten Jugendbereich sogar komplett vermieden, „weil ich damit nur schlechte Erfahrungen gemacht habe. Ich mache mittlerweile seit 35 Jahren Jugendarbeit und ich weiß, wie viele Spieler danach mit Kopfschmerzen oder Schwindel zu tun hatten“, sagt Hillenbrand und ist damit auch mit Özay Kaymakci von Rhenania Bottrop auf einer Linie.

Bei den älteren Jahrgängen kommt Kopfballtraining vor

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Er sagt, dass das Thema im Verein aufgenommen wurde und darüber geredet wird, wie man es umsetzen kann. „Es ist aber auch nicht mehr so wie früher, als man einmal in der Woche am Kopfballpendel war. Bei uns werden im unteren Bereich, also von der D-Jugend abwärts, so gut wie keine Kopfbälle gespielt. Da schützen sich die Kinder ja selbst auch noch häufig und drehen sich vom Ball eher weg. Spezielles Kopfballtraining fällt da flach. Ab der D-Jugend aufwärts wird vereinzelt Kopfball-Training gemacht. Aber ich habe in den letzten drei Jahren maximal eine Handvoll davon hier gesehen“, so Kaymakci, der aber auch sagt, dass sich das fehlende Training im älteren Bereich durchaus bemerkbar machen würde, weil dort viele Spieler nicht wissen würden, wie man richtig zum Kopfball gehe.

Bei den U19-Mannschaften – hier ein Testspiel zwischen dem SV Rhenania und dem VfB Kirchhellen – kommt es deutlich häufiger als im jungen Juniorenbereich zu Kopfbällen.
Bei den U19-Mannschaften – hier ein Testspiel zwischen dem SV Rhenania und dem VfB Kirchhellen – kommt es deutlich häufiger als im jungen Juniorenbereich zu Kopfbällen. © FUNKE Foto Services | Franz Naskrent

Das sieht auch Uwe Bromkamp, der Vorsitzende des VfL Grafenwald so. Beim Umbau der Anlage in Grafenwald sei absichtlich kein neues Kopfballpendel mehr installiert worden, im Training käme es bei den jungen Spielern auch nicht vor. Bei den älteren aber schon. „Wenn du im Sturm bist, musst du auch mal ein Kopfballtor machen. Und in der Verteidigung einen rausköpfen. Damit kann man nicht erst in die A-Jugend mit anfangen. Wir legen da aber keinen extra Schwerpunkt drauf“, so Bromkamp.

Einen Blick über den Tellerrand des Fußballs hinaus wirft Mevlüt Ata vom FC Bottrop. Auch er merkt an, dass die Zeiten des Kopfballpendels vorbei sind und Kopfbälle im Training vereinzelt erst ab der C, oder D-Jugend stattfinden würden. Ein komplettes Verbot sieht er aber nicht als sinnvoll an. Ata: „Ich selbst halte nicht so viel von dem Thema, sehe es nicht so dramatisch. Dann dürfte man ja auch andere Sportarten wie Boxen gar nicht mehr machen.“

Info: Vom VfB Kirchhellen und vom VfB Bottrop kam keine Stellungnahme zu dem Thema.

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