Bottrop. Die Vorbereitung ist für jeden Spieler hart. Nur der Trainer hat Spaß an den Übungen, die auch mal an ein Weight Watchers Treffen erinnern

„Wir fangen heute wieder mit unserem beliebten Parcours an!“, beginnt Coach Carter seine Trainingsansprache. Ein Raunen geht durch die Reihen seiner Schützlinge. „Schon wieder? Der spinnt doch!“, hört man den einen oder anderen Spieler motzen.

Erste panische Blicke wandern innerhalb der Mannschaft umher. Parcours. Was sich nach witzigen Übungen mit abwechslungsreichen Hindernissen anhört, ist für jeden Ballsportler eher eine Tortur. Der Parcours besteht aus vier Übungen. In keiner davon kommt das geliebte Spielgerät - ein Ball - zum Einsatz. Der Kenner spricht hier auch von Laufübungen.

Bei Übung 1 müssen die Ascheathleten in einem großen Viereck die jeweils gegenüberliegenden Bahnen abwechselnd langsam joggen und dann im Vollsprint hinter sich bringen. Vollsprint. Für viele der Kreisligaakteure ein Synonym für Kreislaufkollaps.

In der zweiten Übung müssen Hütchen und liegende Leitern umlaufen und überwunden werden. Auch hier gilt: Tempo! Daran erinnert der Übungsleiter seine Krieger nur allzu gern. „Wenigstens den Torwart wirst du ja wohl überlaufen können!“, wirkt dabei überraschenderweise wenig motivierend.

Die dritte Übung findet natürlich auch im schnellen Tempo statt. Vom Startpunkt zum ersten Hütchen, von da wieder zum Startpunkt und dann direkt zum zweiten Hütchen und so weiter. Wenigstens auf dem Rückweg nach dem letzten Hütchen darf man das Tempo drosseln und langsam zurückjoggen. „Joggen, nicht Gehen!“, ermahnt das Trainergespann.

„Hittis“ lautet die vierte und letzte Übung dieses Parcours. 20 Sekunden Sprinten, 10 Sekunden Joggen. So einfach lässt sich die Lieblingsübung vom Kreisligatrainer erklären. Jede Übung wird eine gewisse Zeit absolviert, ehe man dann zur nächsten Übung wechselt. Natürlich gibt es aber mehrere Durchgänge, sodass jeder der „1911 Freunde“ mehrfach den Übungen einen Besuch abstatten darf.

Abschlussspiel: zwischen Fluch und Segen

„So, fertig! Paar Minuten Pause, geht was trinken und dann ziehen die Torhüter ihre Handschuhe an!“, ruft Coach Carter über den Ascheplatz. „Jetzt dürft ihr wenigstens nochmal 60 Minuten 11 gegen 11 spielen.“ Was der Trainer hier wie eine Belohnung formuliert und normalerweise auch der absolute Traum eines jeden Amateurfußballers ist, kommt nach so einem Parcours fast einer Bestrafung gleich.

Viele der Kreisligakicker sind froh, sich überhaupt noch auf den Beinen halten zu können. Dennoch stellen sich alle auf ihre zugewiesenen Positionen auf, damit das Trainingsspiel beginnen kann. Dieses wird allerdings von einem Stöhnen und Schnauben begleitet, welches man eher von Buffeteröffnungen bei „Weight Watchers“-Treffen kennt.

Leicht vorstellbar, dass sich das auch auf die Qualität des folgenden Spielgeschehens auswirkt. Mangelhafte Ballannahmen, ungenaue Abschlüsse - falls diese überhaupt bis zum Tor gelangen - und Befreiungsschläge, die maximal acht Meter weit kommen und auf Kniehöhe geschlagen werden. Lange Bälle in die Räume sind noch unbeliebter als Radler in der Bierkiste nach jedem Training oder Spiel.

Trotzdem. Die harte Arbeit zahlt sich aus. Von Spiel zu Spiel sieht alles leichter und besser aus. Auch die Parcourseinheiten zehren mit der Zeit nicht mehr so extrem an den Kraftreserven jedes Einzelnen. Vorbereitung halt.

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Lukas Schneider ist Bottroper und leidenschaftlicher Amateurfußballer. Der 24-Jährige ist Torhüter des SV 1911 Bottrop und teilt mit uns in seiner Kolumne „1911 Freunde“ den Blick auf das nicht selten skurril komische Innenleben des kleinsten Bottroper Kreisliga-Vereins.