Bottrop. Vom Versammlungsverbot lassen sich die Kicker des SV 1911 Bottrop nicht bremsen. Die Chronologie eines ungewöhnlichen Mannschaftsabends.

Der Fernseher und die Playstation laufen. Das helle Ambilight des Fernsehgeräts lässt die Wand in einem sehr kräftigen Blauton erleuchten. Fast so schön wie der blaue Himmel an diesem Freitagnachmittag.

Normalerweise würde ich gerade meine Sporttasche packen und mich in Richtung Sportplatz begeben. Obwohl nein, heute stand doch eigentlich der Besuch beim Lieblingsgriechen an. Gyros, Bier und nette Gespräche mit den besten Fußballkumpels. Auch der ein oder andere Ouzo würde dort über die Theke gehen. Die perfekte Abwechslung zum klassischen Trainingsalltag.

Kleidergrößen und Gesichtsbehaarung

Doch auch hier macht das Coronavirus einen Strich durch die Rechnung. Mittlerweile weiß man gar nicht mehr, wie der Großteil der einzelnen Spieler aussieht. Trägt Tristan mittlerweile ein knackiges L? Hat Dennis vielleicht seine ersten Barthaare bekommen? Ist Peddas Hautfarbe immer noch edelweiß?

Nein, nein und ja. Denn zum Glück konnte ich mich davon beim Alternativprogramm am Abend überzeugen. Das nennt sich „Videokonferenz“ und wurde kostenfrei über einen der diversen Anbieter ins Leben gerufen. „19:11 Uhr Beginn“, heißt es da traditionsbewusst im Kreise des SV 1911 Bottrop. Marcel stellt den passenden Link in die WhatsApp-Gruppe, sodass sich jeder pünktlich, mit seinem Smartphone, Tablet oder Laptop bewaffnet, einloggen kann.

Die große Sorge, dass Mallorca ausfallen könnte

Natürlich darf auch hier die Verpflegung in flüssiger Form nicht fehlen, denn auf dem Papier ist es ja immer noch ein ganz normaler Mannschaftsabend. Während einige Spieler ihre Abendgestaltung normal fortsetzen und den Videochat vor allem als Nebengeräusch wahrnehmen, fantasieren viele andere über die Zeit nach dem Coronavirus.

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„Hoffentlich fällt Malle nicht aus“, dürfte dabei den größten Zuspruch aus den Reihen der Ascheathleten erhalten haben. Überraschend zurückhaltend verhielt sich der Coach in diesem virtuellen Treffen. Er hatte es sich mit seiner Verlobten auf der Couch gemütlich gemacht und zusätzlich ein Schachbrett auf den Couchtisch gestellt. Doch anstelle der üblichen Schachfiguren sind dort verschiedenste Gläser mit einer Auswahl an Getränken aufgebaut. Die Webcam wurde dabei perfekt auf das feuchtfröhliche Geschehen ausgerichtet, sodass alle anderen der fesselnden Schachpartie folgen konnten.

Um kurz vor Mitternacht wurden dann die letzten Kameras ausgeschaltet und der letzte Schluck Bier zu sich genommen. Ungewohnt früh war dieser Mannschaftsabend beendet. Es war zwar schön, mal wieder im Kreise der Mannschaft zu sein, aber ein Treffen im „echten“ Leben ist dann doch was ganz anderes.

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Lukas Schneider ist Bottroper und leidenschaftlicher Amateurfußballer. Der 24-Jährige ist Torhüter des SV 1911 Bottrop und teilt mit uns in seiner Kolumne „1911 Freunde“ den Blick auf das nicht selten skurril komische Innenleben des kleinsten Bottroper Kreisliga-Vereins. Einmal wöchentlich nach den Spieltagen (wenn nicht gerade Coronapause ist).