Bottrop. Trotz Pause: Der schräge Alltag der Amateurfußballer. Heute: Warum das gegnerische Team an einem Sonntag nicht die einzige Herausforderung ist.
Der Wecker klingelt und beendet fünf gefühlte Stunden Schlaf. Und das an einem Sonntag. Die Uhr auf dem Display strahlt viel zu grell und provokant: „10:30 Uhr“. Es sind offenbar nicht nur gefühlt fünf Stunden Schlaf gewesen. Der 30. Geburtstag gestern ging doch etwas länger als geplant. Die Kopfschmerzen bestätigen die Vermutung.
Für 11:30 Uhr hatte Coach Carter den Treffpunkt heute angesetzt. Das wird also wieder sehr knapp, fast schon unmöglich, um pünktlich am Platz an den Weywiesen zu erscheinen. Hoffentlich haben Benne oder Tadda als Obstwarte wieder ausreichen Birnen, Äpfel und Bananen besorgt, da das heutige Frühstück in den eigenen vier Wänden aufgrund von Zeitmangel ausfallen muss.
Der hektische Zweikampf mit der eigenen Sporttasche
Das Taschepacken sieht genauso hektisch aus, wie die Keeper, nachdem Gassen mal wieder einen kniehohen Rückpass in ihren Strafraum gespielt hat. Die Schienbeinschoner, Duschutensilien und Wechselklamotten finden sich schnell. Aber wo sind die Fußballschuhe?
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Natürlich hat die nach dem letzten regenreichen Training niemand aus der Sporttasche geholt. Nichts erheitert das eigene Gemüt mehr, als ein Kreisligaspiel mit klitschnassen Schuhen. „11:32 Uhr“, raunt Coach Carter durch die Katakomben am Platz des SV 1911 Bottrop, wo gewohntermaßen die Aufstellung und Taktik vor jedem Spiel besprochen werden. „Kostet“, ergänzt er mürrisch.
Du kannst zu spät kommen, aber ein iPhone vergisst nie
Kassenwart Henne tippt den Namen des Sünders in sein iPhone, damit die Strafe, die für ein Zuspätkommen am Spieltag angedacht ist, angerechnet werden kann. Nachdem Ruhe eingekehrt ist, erhebt der Coach seine Stimme, um mit der Ansprache und der damit verbundenen Präsentation der Aufstellung zu beginnen.
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„Wir haben eine sehr schlagfertige Truppe heute auf dem Platz“, motiviert er seine Fußballrecken. Schwer zu glauben, wo er gestern noch in die Gruppe geschrieben hat, dass doch jeder, der sich nur irgendwie bewegen kann, mit Sporttasche am Platz erscheinen soll.
Der Übungsleiter schreibt mit seinem non-permanent Marker die Namen und Trikotnummern der Startformation an sein Whiteboard. Er gibt jedem Spieler individuelle Anweisungen und Tipps für das später folgende wilde Geschehen auf der heimischen Asche. Die kleinen Magnete, die für die 22 Spieler auf dem Platz stehen, unterstützen ihn dabei.
Drei Punkte und ein kühles Getränk sind das Ziel
Tatsächlich sind gerade alle Anwesenden vollkommen fokussiert. Gleich - nachdem das Trikot übergestreift, die Sporthose zugeschnürt und die Schienbeinschoner unter den Stutzen angebracht wurden - verfolgen alle 11er dasselbe Ziel.
Alles geben für drei Punkte, um im Anschluss bei dem ein oder anderen gekühlten Getränk das Spiel Revue passieren zu lassen und diesen anstrengenden Sonntag zu einem angenehmen Ende zu bringen. „Und die Elfmeter schießt der, der sich gerade am besten fühlt“, beendet Coach Carter sein Plädoyer. Jetzt kann ja nichts mehr schiefgehen.
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Lukas Schneider ist Bottroper und leidenschaftlicher Amateurfußballer. Der 24-Jährige ist Torhüter des SV 1911 Bottrop und teilt mit uns in seiner Kolumne „1911 Freunde“ den Blick auf das nicht selten skurril komische Innenleben des kleinsten Bottroper Kreisliga-Vereins. Einmal wöchentlich nach den Spieltagen.