Wattenscheid. Christian Fischer, Vorstand von Wattenscheid 09, nennt im Interview Wirtschaftszahlen und Transferbilanz - und erklärt, warum die Oberliga passt.
Am Sonntag (15 Uhr) ist die SG Wattenscheid 09 beim Tabellenführer ASC 09 in Dortmund zu Gast. Während der Spitzeneiter Richtung Regionalliga blickt, kämpft der ehemalige Biundesligist in der Oberliga um den Klassenerhalt. Vor dem Spiel hat diese Redaktion mit Wattenscheids Finanzvorstand Christian Fischer gesprochen.
Herr Fischer, Sonntag geht‘s zum ASC 09. Wie weit ist die SGW von diesem Gegner entfernt - sportlich wie finanziell?
(lacht) Das war klar, dass diese Frage kommt.
Dann haben Sie doch sicher auch eine Antwort.
Na klar. Der sportliche Abstand ist für mich schwer einzuschätzen. Mein Thema sind ja die Finanzen.
Aber ich nehme eine veränderte Stimmung wahr und hatte in den ersten beiden Pflichtspielen in diesem Jahr das Gefühl,
dass da eine ganz andere Mannschaft auf dem Platz steht.
Und finanziell?
Sagen wir es so: Bei Wattenscheid 09 haben wir pro Saison Personalkosten in Höhe von rund 250.000 Euro. Um auf den Etat von so einem Gegner zu kommen, müssten wir unseren Wert multiplizieren. Vielleicht mit zwei, eher noch mit drei. Also liegen Welten dazwischen.
Hinter solchen Vereinen stecken zahlungskräftige Sponsoren. Wie sind die Einnahmen Ihres Vereins derzeit strukturiert?
Zuschauer und Sponsoring machen jeweils knapp 30 Prozent aus, das Catering kommt auf rund 24 Prozent. Auch das Merchandising steht bei über zehn Prozent. Die Gelder, die wir durch Zuschauende einnehmen, haben also einen enormen Anteil. Das ist super. Allerdings musste ich als Nicht-Fußballer erst lernen, dass ein Orga-Apparat einen Verein finanziell echt auffressen kann.
Sie sprechen von der Regionalliga.
Genau, ich gebe Ihnen ein Beispiel. Im Mai hatten wir ein Heimspiel gegen Düren. Pro Besucher hatten wir einen Brutto-Umsatz von 14 Euro. Das ist grundsätzlich gar nicht schlecht. Dagegen standen aber Organisations-Kosten für Sicherheit, Rettungsdienst und Sonstiges von 14,66 Euro. Um zu erkennen, dass das alles andere als wirtschaftlich ist, muss man nicht erst Finanzvorstand sein.
Sind Sie als Finanzvorstand also etwas glücklicher in der Oberliga?
Aktuell sehe ich unseren Verein vor allem vom Entwicklungsstand dort richtig positioniert. Daraus könnten Sie natürlich machen, dass wir also Luft nach oben sehen, und das ist auch nicht falsch. Aber nicht jetzt, nicht gleich und nicht übermorgen. Die Regionalliga haben wir durchaus weiter im Blick, sie ist ein Fern-Ziel des Vereins, aber auch gleichzeitig eine besondere Herausforderung. Vielleicht wird uns eines Tages die Rückkehr gelingen, das wäre schön. Aber dann bitte nur mit einem gesicherten Zahlengerüst und nicht auf Grundlage von Wünschen, Träumen und Visionen.
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Wie steht es momentan um die Finanzen der SG Wattenscheid 09? Daumen hoch oder runter?
Eher Daumen quer. Konkret bedeutet das: Wir erfüllen solide unsere Zahlungsverpflichtungen, unser oberstes Gebot bleibt, dass wir die Spielergehälter pünktlich bezahlen. Es ist derzeit aber unmöglich, große Polster aufzubauen. Einen kleinen Puffer haben wir immer, aber wir müssen laufend für unser Geld arbeiten.
Im vergangenen Jahr wechselte Kerem Demirbay von Leverkusen zu Galatasaray Istanbul. Ist das Geld, das Wattenscheid 09 zusteht, schon da?
Nein, wir warten noch, dass es kommt. Deshalb sind wir im ständigen Austausch mit der Fifa (Fußball-Weltverband, Anm.d.Red.). Die Summe würde uns zum Teil einen schönen Puffer verpassen, das kann man so sagen. Gleichwohl ist für unsere tagesaktuelle beziehungsweise kurzfristige Tagesabwicklung nicht relevant, wann es kommt und wie hoch die Summe genau ist.
Es wurden verschiedene Summen kolportiert. Wie hoch ist der Betrag denn nun?
Wir wissen nur, dass uns 1,5 Prozent von einer Summe zustehen. Über die Berechnungsgrundlage dieser Summe könnte man aber eine Doktorarbeit schreiben. Das ist so kompliziert und da spielen so viele Dinge mit rein. Man verliert schnell die Übersicht. Die Fifa wird uns eine Summe präsentieren, und die werden wir dann prüfen. Um Ihnen eine Zahl zu nennen: Irgendwas zwischen 50.000 und 60.000 Euro werden es sein.
Wie werden Sie diesen Betrag investieren?
Mit Sicherheit wird er nicht verprasst, da habe ich den Finger drauf. Wenn das Geld ankommt, heißt es sicher nicht „Hinein in die Vollen, jetzt haben wir’s ja.“
Bleiben wir bei Transfers: Im Winter gab es viele Spielerwechsel. Wie wirkt sich das auf die Vereinskasse aus?
Im Verein waren sich alle einig, dass die Mannschaft Verstärkungen braucht. Aber dann kam Christian Fischer wieder ums Eck und hat mahnend den Zeigefinger erhoben. Machen wir’s kurz: Wir hatten mehr wirtschaftlich markante Abgänge als wirtschaftlich markante Zugänge. Die Transferphase endete aus finanzieller Sicht pari.
Gab es irgendwann Gedanken, den bisherigen Weg zu verlassen und im sportlichen Sinne zu handeln, also die Schatulle zu öffnen?
Um Gottes Willen, nein. Sollte sowas mal gelaufen sein, habe ich das nicht mitbekommen.
War das sozusagen die erste Zerreißprobe?
Auch nicht, nein. Unser Weg ist und bleibt der, den Wattenscheid gehen kann.
Wie hat sich sich sportliche Misere auf die Finanzen ausgewirkt? Etwa durch weniger Bierabsatz oder schlechtere Zuschauerzahlen?
Zwischendurch haben wir es finanziell deutlich gespürt, wenn es sportlich nicht lief. Komisch war nur, dass trotz sinkender Zuschauerzahlen die Catering- und Merchandising-Einnahmen leicht gestiegen sind. Seit dem Jahreswechsel ist wieder mehr Bewegung drin. Es kommen mehr Zuschauer, und auch die Stimmung ist besser. Wenn ein Spiel Spaß macht, dann trinkt man auch mal ein Bierchen mehr, oder auch zwei. Darüber freut sich auch die Vereinskasse.
Gerade wird im Stadion gebaut. Ein Nebeneffekt ist, dass die Fans nicht mehr vom Bierstand aus Fußball gucken können.
Eine Sache lassen Sie dabei außer Acht: Die Ehrenamtlichen, die am Bierstand arbeiten, können das Spiel jetzt nicht mehr sehen, weil sie während des Spiels unter der Tribüne sind und vom Verkaufsstand auf den Parkplatz gucken. Nur: Es geht nicht anders. Wir sind ja froh, dass wir diese Einnahmen überhaupt generieren könnten. Stellen Sie sich vor, wir hätten diese Buden nicht mehr…
Das neue Stadion wird wohl teurer, bleibt es dann bei der Nutzungsgebühr wie bisher?
Aus vorsichtiger Sicht - die Position muss ich innehaben - rechne ich mit einer Erhöhung. Aber mit einer, die für uns machbar sein wird.
Wie laufen diesbezüglich die Gespräche mit der Stadt?
Wir sitzen alle drei Monate mit Vertretern der Stadt zusammen. Bei diesen Treffen können wir unsere Belange vortragen und bekommen Antworten. Das ist ein sehr enger Austausch, dadurch fühlen wir uns als Verein von der Stadt sehr ernst genommen. Und selbstverständlich ist das Thema Nutzungsgebühr ein ständiges.
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Sie wollen die Berliner Straße oberligatauglich machen. Wo müssen Sie sportlich sein, um in der Lohrheide spielen zu können?
Die Oberliga ist, wenn alle Rahmendaten passen, eine Klasse, in der sich die SGW wiederfinden kann. Wie schon gesagt: Auch die Regionalliga ist immer ein latentes Thema für uns. Aber die Anlage an der Berliner Straße möchte ich unabhängig von den sportlichen Ambitionen unserer Herren-Mannschaft betrachten. Es soll kein Ersatz für das Lohrheidestadion sein, sondern auch eine gute Option für unsere Jugend. Unter Berücksichtigung der potenziellen Einnahmen sehen wir deshalb Handlungsbedarf. Bei Regen gibt es schließlich weniger Einnahmen.
Also wünschen Sie sich eine kleine Tribüne?
Genau. Am besten eine, auf der auch Fan-Trennung möglich ist. Das müssen wir nämlich auch in der Oberliga machen. Aber auch da gilt: Wir setzen es nur um, wenn es machbar ist.
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