Wattenscheid. Tatjana Pinto trainiert mit einer Sprint-Ikone, will zu den Olympischen Spielen. Die Paris-Kandidaten des TVW: der Stand, der Ausblick.
Es ist ein Hammerjahr für die Leichtathletik: Gleich fünf Großevents stehen an, die Olympischen Spiele in Paris im Sommer überstrahlen dabei alles. Der TV 01 plant im Olympia-Zyklus, das entscheidende Jahr hat begonnen, und der deutsche Spitzenklub blickt optimistisch auf 2024. „Wir hoffen, dass wir vier bis sechs Athletinnen und Athleten von uns in Paris sehen“, sagt Manager Michael Huke – und setzt auf „ein bis zwei Finalteilnahmen“. Bescheiden? Eher nicht. Der Deutsche Leichtathletik-Verband ging bei der WM in Budapest im Vorjahr baden, holte gar keine Medaille. In Paris kämpfen die Leichtathleten vom 1. bis 11. August um die Medaillen.
Vor Olympia heißt es, in Form zu kommen, sich über erfüllte Normen und/oder das internationale Punktesystem die Tickets zu sichern. In der Halle finden die DM in Leipzig (17./18. Februar) und die WM in Glasgow (1. bis 3. März) statt sowie unter freiem Himmel die Europameisterschaft in Rom (7. bis 12. Juni) und die DM in Braunschweig (29./30. Juni) als letzte Paris-Chance. Hinzu kommen unter anderem die Winterwurf-DM (24./25. Februar) und die Staffel-WM auf den Bahamas (4./5. Mai). Ein „prall gefüllter“ Terminkalender, weiß Huke: „Die Wettkampfplanung und Trainingssteuerung sind in diesem Jahr besonders herausfordernd.“
Bitterer Abgang: Dreispringerin Maduka startet für Köln - Perspektiv-Athleten neu in Wattenscheid
Die Topathletinnen und -Athleten wollen, so das Ziel, möglichst alle Topevents mitnehmen. Huke sieht den Klub gut aufgestellt, auch wenn es neben Hürdensprinterin Isabell Mayer (Paderborn) einen bitteren Abgang gab. Dreispringerin Jessie Maduka, im Vorjahr lange verletzt und nun wieder auf gutem Weg, startet seit Januar für Cologne Athletics, weil ihr Trainer Ralf Jaros von den Kölnern fest verpflichtet wurde. „Das tut weh, aber wir haben weiterhin einen starken Kader“, sagt Huke. Neu verpflichtet hat der Klub junge U23-Athleten mit Perspektive, die Spiele kommen etwa für Hürdensprinterin Fabiane Mayer, Sprinter Julien-Kelvin Klär und Florian Zittel (3000 m Hindernis) noch zu früh. Fernziel: Olympia 2028.
Bei der WM 23 in Budapest stellte der Klub vier Aktive: Hochspringerin Christina Honsel schaffte es überraschend ins Finale, wurde starke Achte. Diskuswerfer Daniel Jasinski schied mit solider Leistung nach dem Vorkampf aus, Julia Ritter sammelte im Kugelstoßen wertvolle Erfahrungen, und Nils Voigt, geschwächt von einer Krankheit zuvor, kämpfte sich über 10.000 Meter ins Ziel. Alle vier haben nun Olympia im Blick, hinzu kommen vor allem Sprinterin Tatjana Pinto, 400-Meter-Mann Patrick Schneider (beide Staffel) sowie 1500-Meter-Ass Marius Probst.
Hochspringerin Christina Honsel startet so gut wie noch nie ins Jahr
Honsel legte gleich den besten Saisoneinstieg ihrer Karriere hin, übersprang zu Jahresbeginn 1,89 Meter. Ihre starken Leistungen der letzten Monate schlagen sich bereits im internationalen Ranking des Weltverbandes nieder, über das man sich für Paris qualifizieren kann. Für Platzierungen und Leistungen bei hochkarätigen Wettkämpfen wie etwa der EM gibt es Punkte. Auch dank ihrer Leistung bei der WM 2023, bei der es bereits Punkte fürs Olympia-Ranking gab, liegt Honsel bestens im Rennen, ist derzeit Nummer 16 weltweit.
Drei Hochspringerinnen stellt der DLV maximal. „Wenn sie gesund bleibt, kann sie im Ranking kaum noch jemand verdrängen“, sagt Huke. Die A-Norm des DLV muss die Wattenscheiderin im Sommer aber einmal bestätigen, sie liegt bei 1,91 Meter, Honsels Bestmarke bei 1,98 Metern. „Das wird sie packen“, so der Manager. Auch für die Hallen-WM in Glasgow ist die 26-Jährige bereits qualifiziert.
Nach Bronze 2016: Diskusriese Daniel Jasinski setzt auf seine dritten Olympischen Spiele
Seine dritten Olympischen Spiele im Visier hat Diskus-Riese Daniel Jasinski, der 2016 sensationell Bronze gewann in Rio de Janeiro. In Tokio 2021 enttäuschte der Routinier mit Rang zehn, nach vielen Verletzungssorgen in seiner langen Karriere greift der 34-Jährige nochmal an. Dabei warf den gebürtigen Wattenscheider eine Erkrankung durch Legionellen zurück, die er sich im Trainingslager auf den Kanarischen Inseln eingefangen hatte im November. „Das hat viel Substanz gekostet, aber er ist jetzt auf einem guten Weg“, so Huke.
Ein erstes Zeichen will Jasinski, der gegen starke nationale Konkurrenz um einen der drei Olympia-Plätze kämpft, bei der Winterwurf-DM in Halle/Saale setzen. Im Vorjahr holte er den Titel, im Sommer 2023 warf ihn ein Bänderriss zwischenzeitlich zurück. „Ein gesunder Daniel ist immer für ein Finale gut“, ist Huke mit Blick auf Paris optimistisch.
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Tatjana Pinto: Übers Training in Jamaica zu alter Form und zur Staffel-WM
Eine Medaillenchance könnte Tatjana Pinto haben, wenn sie es ins Staffel-Team schafft und alle deutschen Asse um Gina Lückenkemper in Bestform sind. Die Sprint-Staffel rannte 2022 mit Pinto zu WM-Bronze und EM-Gold, 2023 musste die Wattenscheiderin dagegen die Saison verletzt früh abbrechen. Derzeit trainiert die 31-Jährige in Jamaica mit Weltstars um die dreimalige Olympiasiegerin Shelly-Ann Fraser-Pryce. „Von der starken Trainingsgruppe profitiert sie, aktuell ist sie topfit“, erklärt Huke. Im Februar soll Pinto in Deutschland landen, sich Wettkampfhärte zunächst in der Halle holen.
400 Meter: Patrick Schneider hat zwei Staffeln im Blick
Wichtig wird die Staffel-WM auf den Bahamas, wo es um die direkte Qualifikation der deutschen Teams für Olympia geht. Die besten zwölf Teams sind sicher dabei, hinzu kommen vier Zeitschnellste. Das gilt auch für die 4x400-Meter-Staffeln, im Männer- und Mixed-Team will Patrick Schneider diesmal dabei sein, nachdem er die WM im Vorjahr kurzfristig wegen einer Erkrankung absagen musste.
Julia Ritter hat die Olympianorm mit Bestweite im Visier, aber starke Konkurrenz
Julia Ritter muss sich mit der Kugel gegen starke Konkurrenz durchsetzen. Steigert sie ihre Bestweite (18,64 Meter), ist die Olympianorm aber in Sichtweite (18,80 Meter). Ritter, auch mit dem Diskus national gut unterwegs, setzt einen noch stärkeren Fokus aufs Kugelstoßen.
Nils Voigt mit guten Karten - Marius Probst holt schon seinen ersten Sieg
10.000-Meter-Mann Nils Voigt hofft, sorgenfrei durch die Saison zu kommen – dann sollte ein Start in Paris über die DLV-Norm (28:05 Minuten) und das Ranking drin sein. Das gilt auch für Marius Probst, der am vergangenen Sonntag beim Meeting in Dortmund souverän zum Sieg lief. 3:36:00 ist die Norm des DLV. Die hat der Herner schonmal geknackt, die Bestzeit des Deutschen Meisters liegt bei 3:35,35 Minuten.
Überraschung nicht ausgeschlossen: Zapalska und Ugo wollen zumindest zur EM in Rom
Außenseiterchancen haben die Hürdensprinterinnen Monika Zapalska und Anne Weigold, die nach zwei Jahren Verletzungspech „jetzt wieder topfit ist“, wie Huke sagt. Für sie könnte aber auch die EM in Rom der Höhepunkt des Jahres werden, ebenso wie für Kevin Ugo über 200 Meter. Der ehemalige Deutsche Abo-Meister Robin Erewa indes muss sich nach langwierigen Knieproblemen erst wieder herankämpfen.
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