Wattenscheid. SG-Wattenscheid-Vorstand Pozo y Tamayo im Interview über die sportliche Misere, die Rolle des Trainers, unzufriedene Spieler und Wintertransfers.
Die SG Wattenscheid 09 ist Tabellenletzter der Regionalliga West und seit sieben Spielen sieglos. Die Zuschauerzahlen sinken, in der Mannschaft wächst die Unruhe. Sportvorstand Christian Pozo y Tamayo spricht im ausführlichen WAZ-Interview über die Gründe für die sportliche Misere, mögliche Änderungen im Kader, die Rolle von Trainer Christian Britscho und die langfristige Perspektive des Vereins.
Herr Pozo y Tamayo, was macht Wattenscheid 09 derzeit Hoffnung?
Christian Pozo y Tamayo Wir sind wirtschaftlich besser aufgestellt als in den Zeiten zuvor. Da ist ausnahmsweise alles gut. Sportlich sieht es natürlich ganz anders aus. Uns allen war das Risiko bewusst, dass das in die Buchse gehen kann. Was mich aber ärgert, ist die Art und Weise, wie es passiert. Es ist kein Zufall, dass wir jede Woche vor den gleichen Problemen stehen und die Spiele nicht gewinnen. (überlegt kurz) Da war jetzt keine Aussage bei, die Hoffnung macht, oder?
SG Wattenscheid 09: Pozo hält Mannschaft für entwicklungsfähig
Sportlich nicht.
Okay: Dass wir eine entwicklungsfähige Mannschaft haben, macht mir Mut. Noch ist die Messe nicht gelesen und ich glaube nicht, dass unsere sportliche Situation einzig an der Qualität des Kaders liegt.
Woran denn?
Es sind die Begleitumstände. Derzeit schauen alle gespannt auf die Entscheidungen des Trainers, das ist mir schon klar. Ich weiß aber genau, dass er derjenige ist, dem besonders daran gelegen wäre, mal zwei Spiele mit der gleichen Aufstellung zu spielen.
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Er hat aber auch Wechsel vorgenommen, die nicht nachvollziehbar waren. Zum Beispiel der im Tor.
Bruno Staudt hat uns gegen Straelen gefehlt, Kilian Neufeld hat uns kurzfristig geholfen und ein gutes Spiel gemacht.
Ist das nicht auch eine Frage der Kaderplanung, wenn ein Torhüter noch so kurzfristig verpflichtet werden muss?
Wir hatten vier Torhüter vor diesem Spiel, haben für zwei von Ihnen aber bis heute keine Spielberechtigung bekommen. Da lag die Verantwortung aber bei Behörden.
Ist der Zeitpunkt für klare Worte allmählich überschritten?
Ja, wir brauchen jetzt dringend ein Erfolgserlebnis.
Gegen Lippstadt waren die ersten 45 Minuten ordentlich, danach hat sich die Mannschaft ergeben. Was war da los?
Insgesamt ist genau das einfach zu oft passiert. Wir haben schon so häufig Rückschläge gedreht, was in dieser Liga noch viel schwieriger ist. Diese ständigen Nackenschläge – so viele steckt man davon nicht weg. Unser Ziel sollte es aber sein, dass wir die nicht mehr bekommen. Und da sollten sich unsere Führungspersönlichkeiten hinterfragen und überlegen, wo sie in diesen Momenten waren. Ich wünsche mir, dass auf dem Platz spürbar ist, dass wir unsere Situation aktiv verändern wollen.
Pozo y Tamayo bittet Fans um Geduld
Einige Fans wenden sich langsam ab. Spielt Wattenscheid jetzt das Stadion leer?
Ich hoffe nicht. Die Kulisse gegen Lippstadt war positiv. Ich hoffe das war nicht das letzte Mal so.
Wie wollen Sie das verhindern?
Wir sind in der Bringschuld, das weiß ich. Ich kann nur um Geduld bitten. Gegen Schalke sollte das schon der Fall sein. Vielleicht können wir dann vor einer ordentlichen Kulisse den Bock zu Hause umstoßen.
Bei der Zuschauerfrage geht’s ja nicht nur um eine wirtschaftliche Kalkulation. Fußball soll auch Spaß machen.
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Phasenweise macht er das bei uns auch, aber die Ergebnisse eben nicht.
Der Wattenscheider Weg bedeutet weniger Geld, dafür aber mehr Kampf. Davon war aber nicht viel zu sehen.
Nach dem 0:1 gebe ich Ihnen Recht. Davor, und auch auswärts in Köln habe ich das anders empfunden.
Aber es gehört doch zum Gedankengut eines Sportlers, motiviert zu sein und kämpfen zu wollen.
Ja, schon. Aber es ist die Frage, wie oft es passiert, dass wir Rückschläge bekommen. Dann stehen wir da und fragen uns, wo es herkommt. Das ist zermürbend.
Die Liga wird sich nicht aus Rücksicht auf die Mannschaft ändern. Die Stellschrauben sind beim Verein zu suchen. Woher sollen Impulse kommen?
Eventuell werden wir in der Winterpause den Kader noch mal umstrukturieren. Natürlich ohne riskante Spielchen. Aber erst einmal gilt es, die Zeit bis dahin zu überbrücken und noch ein paar Punkte einzufahren.
Volle Rückendeckung für Trainer Christian Britscho
Reden wir über den Trainer Christian Britscho.
Nur zu.
Ein möglicher Impuls wäre auf dieser Position zu setzen. War es rückblickend etwas zu früh, im September den Vertrag mit dem Trainerteam bis 2024 zu verlängern?
Die Entscheidung, mit ihm zu verlängern, haben wir schon kurz nach dem Aufstieg getroffen. Aber ich frage mich, was der Trainer in der jetzigen Situation anders machen soll.
Steht die Mannschaft denn voll hinter dem Trainer?
Ja. Würde ich sagen. Alles, was er macht, ist in meinen Augen fundiert. Vielleicht sehen das aber nicht alle so wie ich, aber es spielen auch nicht immer alle. Bevor jemand den Trainer für die jetzige Situation verantwortlich macht, ziehe ich mir lieber den Schuh an. In Wattenscheid reden viele darüber, dass wir Unterschiedsspieler brauchen. Dass wir die in der Regionalliga nicht haben, fällt in meine Zuständigkeit.
Spieler müssen ihre Aufgaben erfüllen
Die Situationsbeschreibung aus der Mannschaft deckt sich mit unseren Informationen. Aber es betrifft auch Spieler, die zum Stamm gehören.
Das mag sein. Wir alle haben lange kein Erfolgserlebnis mehr gehabt und sind unzufrieden. Vielleicht gibt es welche, die Fehler lieber bei anderen suchen. Wer sich beschwert, bekommt auch Antworten. Wir hatten neulich eine Videoanalyse, bei der es eine Diskussion über die Art und Weise der Verteidigung gab. Dann konnte Christian Britscho sehr sachlich aufzeigen, dass die Fehler nicht in der Spielphilosophie zu suchen sind, sondern darin, dass einzelne Spieler ihre zugeteilte Aufgabe nicht erfüllt haben. Da kann sich mittlerweile fast jeder mal an die eigene Nase fassen.
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Halten Sie also an Christian Britscho fest?
Solange ich das entscheiden kann, sehe ich keinen Grund, das nicht zu tun. Es ist ja kein Zufall, dass er zweimal in Folge aus der Oberliga aufgestiegen ist. Wenn wir in der Lage wären, ihm eine erfahrene, fertige Regionalliga-Mannschaft hinzustellen, wären wir glücklich und wohl auch gespannt, welchen Erfolg er damit hätte. Mit der aktuellen Mannschaft kann er nicht von Sieg zu Sieg eilen, die muss er selbst erst entwickeln.
Kleiner Etat ist in der Profiliga ein Problem
Was muss passieren, damit sich Ihre Einstellung ändert?
Wir als Verein müssen uns eher die Frage stellen, wo wir eigentlich hingehören. Mit diesem Etat werden wir immer, egal unter welchem Trainer, Probleme in einer Profiliga haben, das ist doch völlig normal. Wir spielen zum Teil gegen Spieler, die haben mehr auf dem Lohnzettel als unsere gesamte erste Mannschaft. Und ich sehe es nicht ein, dass wir sehenden Auges in ein Szenario laufen, in dem wir im Sommer wieder vor dem Nichts stehen würden und einen kompletten sportlichen Neuanfang starten müssten.
Solche Entscheidungen gehören zur Dynamik des Geschäfts.
Ja, dort wo Druck herrscht. Bei uns ist es aber nicht so, dass jemand seine Familie nicht ernähren kann, wenn Wattenscheid nicht mehr in der Regionalliga spielt. Das könnte in der kommenden Saison schon so sein. Wir werden weiterhin alles daran setzen, das zu verhindern.
Wo kann man den Hebel ansetzen?
Wir müssen weiter, so wie wir es bisher auch gemacht haben, die Dinge analysieren. Vielleicht haben wir auch mal Glück und gehen in Führung, statt wieder einem Rückstand hinterherzulaufen. Die teuren, erfahrenen Unterschiedsspieler werden wir unter normalen Umständen nicht holen können. Die müssen wir uns selber bauen.
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