Belo Horizonte. Im Halbfinale gegen Deutschland kommt Brasiliens dritter Innenverteidiger Dante zu seinem WM-Debüt, auch Luiz Gustavos Einsatz ist sicher. Offen bleibt, wie Trainer Scolari Neymars Ausfall auffangen will. Gustavo sagt: „Die Seleção ist darauf vorbereitet.“

Der Tag ist gekommen. Der Tag, auf den Dante seit fünf Jahren gewartet hat. Er hat diese kleine Geschichte zu Beginn der WM erzählt, noch vor dem ersten Anstoß, aber bereits im Quartier „Granja Comary“ in Teresópolis im bergigen Hinterland von Rio de Janeiro.

Die kleine Geschichte ging so: Als der Innenverteidiger 2009 bei Borussia Mönchengladbach spielte, lud ihn Dick Advocaat zu einem Gespräch ein. Der trainierte damals Belgiens Nationalelf, und er wollte Dante eine neue Fußball-Identität geben. Der Brasilianer war schon von 2006 bis 2008 bei Sporting Charleroi und Standard Lüttich aufgefallen. Alle Papiere seien bereits vorbereitet gewesen, erzählte Dante nun also, „und als wir dieses Gespräch hatten, hat mein Herz gepocht. Aber ich habe immer daran geglaubt, das brasilianische Trikot zu tragen. Ich hatte damals nicht den Mut, meinen Traum so frühzeitig aufzugeben.“

Dantes WM-Einsatz könnte schon der Letzte sein

Belgien ist gerade abgereist von der WM, und nun wird der 30 Jahre alte Dante im Halbfinale für die Seleção auflaufen, an diesem Dienstag im Estádio Mineirão von Belo Horizonte (ab 22 Uhr live in unserem WM-Center). Aus seiner kleinen Geschichte ist plötzlich eine ziemlich große geworden. Nicht nur, weil er Brasiliens Trikot seit seinem Debüt am 6. Februar 2013 zwar schon zwölf Mal getragen hat, nun aber seine WM-Premiere erlebt, die ihm schon 2009 vorgeschwebte, als er Belgien absagte. Sondern auch, weil es gegen Deutschland geht. Gegen jenes Land, in dem er zum Nationalspieler wurde, als Kicker des FC Bayern.

Auch interessant

Dieses Halbfinale ist Dantes Spiel, und es könnte sogar sein einziges der Karriere bleiben bei einer WM, weil Kapitän Thiago Silva nach seiner Gelbsperre im Finale oder um Platz drei wieder auflaufen dürfte. 2018 wäre Dante 34. Es hat sich für den Münchner beinahe schon kitschig gefügt. „Das ist das Beste, was es gibt. Ich spiele zu Hause eine WM, und mein Leben ist in Deutschland“, sagte Dante erwartungsfroh.

Dass sich Luiz Felipe Scolari neben David Luiz für Dante entscheidet, darf als gesichert gelten. Der Trainer ist nicht als Freund von Experimenten bekannt, er wird dem mehrfach erprobten Dante nach vertrauen, der Nummer drei unter den Innenverteidigern. Und auch dessen Kenntnisse des deutschen Fußballs, der Kollegen aus München und die letzten Trainingseindrücke sprechen für ihn.

Auch Deutschland-Experte Gustavo im Aufgebot

Konkurrent Henrique vom SSC Neapel ist die Kaderüberraschung der Brasilianer gewesen und erst im letzten Moment zur WM eingeladen worden. Sechs Länderspiele hat er bisher vorzuweisen, sein erstes liegt bereits sechs Jahre zurück. Scolari hat sich an einen universellen Vergessenen erinnert, für alle Fälle. Aber der 65-Jährige hat auch schon anklingen lassen, dass seine Wahl auf „Dantschi“ fallen wird, wie die Brasilianer sagen. „Wir sind in einer Situation, dass sich das jetzt alles ändert gegen Deutschland. Aber wir haben große Spieler wie Dante“, erklärte Felipão, der große Felipe.

Auch seinen zweiten Deutschland-Experten Luiz Gustavo vom VfL Wolfsburg wird er aufbieten, als zentrale Ordnungskraft vor der Viererkette. Er schätzt den soliden und mannschaftsdienlichen 26-Jährigen außerordentlich. So weit, so prognostizierbar. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass sich Scolari nach Neymars WM-Aus auch eine kleine Finte gegönnt hat.

Brasilien geschockt nach Neymar-Aus

picturegallery-416750_1545008.jpg
© Getty Images
picturegallery-416750_1545009.jpg
© imago/Xinhua
picturegallery-416750_1545010.jpg
© imago/Xinhua
picturegallery-416750_1545013.jpg
© dpa
picturegallery-416750_1545011.jpg
© imago/Xinhua
picturegallery-416750_1545012.jpg
© imago/ZUMA Press
picturegallery-416750_1545014.jpg
© Getty Images
picturegallery-416750_1545007.jpg
© Getty Images
picturegallery-416750_1544999.jpg
© imago/ZUMA Press
picturegallery-416750_1545000.jpg
© imago/ZUMA Press
picturegallery-416750_1545001.jpg
© imago/ZUMA Press
picturegallery-416750_1545015.jpg
© imago/ZUMA Press
picturegallery-416750_1545016.jpg
© imago/ZUMA Press
picturegallery-416750_1545002.jpg
© imago/Xinhua
picturegallery-416750_1545003.jpg
© Getty Images
picturegallery-416750_1545004.jpg
© Getty Images
picturegallery-416750_1545017.jpg
© dpa
picturegallery-416750_1545005.jpg
© Getty Images
picturegallery-416750_1545006.jpg
© Getty Images
1/19

Die Ersatzkandidaten Willian und Bernard schickte er zum letzten Medientermin in Teresópolis. Doch ob einer der beiden wirklich in der Startelf steht? Mit Fernandinho und Paulinho war Scolari sehr zufrieden beim 2:1 gegen Kolumbien. Vielleicht setzt er gegen Deutschland auf einen brasilianischen Betonblock im zentralen Mittelfeld mit Luiz Gustavo, Fernandinho und Paulinho. Oscar könnte dafür auf Neymars linke Seite ausweichen. Oder baut er anders um? Es darf spekuliert werden.

Selecao ist auf Neymar-Ausfall vorbereitet

Luiz Gustavo hat sich ähnlich wie Dante kurz vor dem WM-Beginn übrigens auch schon mit einer Situation beschäftigt, die nun eingetreten ist. Er bezog sich dabei auf einen möglichen Ausfall Neymars. Luiz Gustavo sagte: „Die Seleção ist darauf vorbereitet, mit oder ohne ihn zu spielen. Vielleicht ändert sich unser Stil, aber wir werden deshalb nicht besser oder schlechter spielen.“ Wenn es tatsächlich klappen sollte mit dem Finaleinzug, wäre es vor allem Dantes großer Tag gewesen.

Júlio César

Der 34-Jährige spielt seine dritte WM, obwohl er zuletzt Mühe hatte, überhaupt noch einen Klub zu finden: Aktuell spielt er für den FC Toronto. Der Elfmeter-Held vom Chile-Spiel hat das Trauma von seinem Patzer beim WM-Aus gegen die Niederlande in Südafrika wettgemacht.

Maicon

Der Profi vom AS Rom hat Dani Alves während der WM aus der Startelf verdrängt. Der 32-Jährige gilt als deutlich robuster und kopfballstärker als der Verteidiger vom FC Barcelona, der eher den Vorwärts- als den Rückwärtsgang findet.

Dante

Der deutsche Meister vom FC Bayern München steht vor seiner WM-Premiere und soll den gelb-gesperrten Kapitän Thiago Silva in der Innenverteidigung ersetzen. Er ist die Stimmungskanone im Team mit Sinn für Musik. Trifft auf seine Klubkollegen Müller & Co.

David Luiz

Der 27-Jährige vom FC Chelsea läuft erstmals bei der WM mit der Kapitänsbinde am Arm auf, weil Thiago Silva fehlt. Er ist auch sonst der heimliche Leader im Team. Der teuerste Abwehrspieler der Welt gilt bei seinen Kollegen als Autoritäts- und Respektsperson.

Marcelo

Marcelo: Kämpft bei Real Madrid um seinen Stammplatz, ist bei Nationaltrainer Luiz Felipe Scolari aber gesetzt. Der 26-Jährige hat wie Dani Alves leichte Schwächen im Defensivverhalten, will lieber stürmen als verteidigen. Gilt als Typ "bissiger Wirbelwind".

Luiz Gustavo

Für Scolari "einer meiner wichtigsten Spieler". Der Profi vom VfL Wolfsburg kehrt nach seiner Gelb-Sperre zurück. In der Seleção eine absolut feste Größe und unumstritten. Ruhiger Typ außerhalb des Platzes, auf dem Feld gnadenlos in den Zweikämpfen.

Paulinho

Der 25-Jährige von Tottenham Hotspur war zum Ende der Vorrunde aus der Mannschaft geflogen. Hat nicht überzeugt und blieb vor allem im Spiel nach vorne (zu) blass. Kehrte gegen Kolumbien wegen Gustavos Gelb-Sperre zurück - und nutzte seine Chance.

Willian

Auf den 25-Jährigen aus Chelsea kommt die schier unlösbare Aufgabe zu, den verletzten Neymar zu ersetzen. Dabei hat er jedoch bessere Karten als Bernard, weil er neben seinem Vereinskollegen Oscar auflaufen kann. Sieht sich im Gegensatz zu Neymar mehr als Mittelfeldspieler.

Oscar

So ein bisschen der Toni Kroos der Brasilianer. Einer der unauffälligsten, aber talentiertesten Profis im Aufgebot. Dem 22-Jährigen fehlen noch etwas Ausstrahlung und der letzte Biss. Aber Scolari hält eisern an dem Jeans-Model fest.

Hulk

Das Kraftpaket von Zenit St. Petersburg gilt als Publikumsliebling, genießt fast schon Kultstatus. Benannt nach der grünen Comicfigur. Der 27-Jährige vergab bisher die meisten Chancen der Brasilianer. Kraftvoll und schnell, aber spielerisch mit Defiziten.

Fred

Immer kritisiert, immer infrage gestellt, aber für Scolari ein "Leader" und gesetzt. Der 30-Jährige von Fluminense Rio de Janeiro gilt als einer der intellektuellen Köpfe im Team. Bisher nur ein Tor; traf bei der WM erst, als er sich einen Schnauzer wachsen ließ.

1/11