Porto Alegre/Curitiba. Genau wie bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika gelingt es auch vier Jahre später in Brasilien nicht, die Arenen trotz des riesigen Ansturms bis zum Anschlag zu füllen. Viele bezahlte Tickets werden nicht abgeholt oder nicht weiterverkauft. Eine Spurensuche.

Stefan Traumann hatte Glück. Ganz regulär hat der deutsche Generalkonsul aus Porto Alegre im Ticketportal der FIFA sich um WM-Karten bemüht, um die Spiele vor Ort zu verfolgen. So hat der Diplomat bislang nicht nur die Gruppenspiele der Franzosen und Niederländer im Estadio Beira-Rio verfolgt, sondern in seiner Wohnung lagern auch noch Billets fürs Achtelfinale. Wenn alles nach Plan läuft, sieht er am 30. Juni die deutsche Nationalmannschaft. Glück gehabt. Das gilt nicht für alle.

Immer mehr einheimische und ausländische Fans beklagen sich, dass sie in der Bewerbungsphase leer ausgegangen sind, während jetzt aber verwaiste Plätze zu sehen sind. Allein in der ersten Verkaufsrunde lagen aus dem Gastgeberland mehr als sechs Millionen Bestellungen vor. Insgesamt gibt es rund drei Millionen Tickets zu teils recht stolzen Preisen: Für Nicht-Brasilianer liegt die Preisspanne zwischen 67 und 742 Euro – in der Regel ist ein Billet mehr als 100 Euro teuer.

Fifa-Sponsoren und nicht genutzte Hospitality-Plätze sind ein Ärgernis

Das Ticketing war schon zur WM 2006 ein beherrschendes Thema, und nichts hätte dem schönen Sommermärchen mehr geschadet als lückenhaft besetzte Tribünen, wenn eigentlich das halbe Land in die Stadien strömen will. Genau das passiert: Nur zum Eröffnungsspiel Brasilien gegen Kroaten in São Paulo, beim zweiten Auftritt in Fortaleza gegen Mexiko und beim Gruppenspiel Deutschland gegen Portugal in Salvador meldete der Weltverband bislang offiziell ausverkauft. Mal sind einige hundert Plätze, mitunter auch mehrere tausend Stühle leer. Selbst beim Klassiker England gegen Italien in Manaus (39.800 Zuschauer/42.374 Kapazität), obgleich das Interesse von der Insel gewaltig war. Viele scheuten den Abenteuertrip an den Amazons vor der Gefahr, keine Karte zu bekommen. Die weitere Mängelliste führte über Mexiko gegen Japan (39 216/42.086) in Natal, Kolumbien gegen Griechenland in Belo Horizonte (57 174 /62.547), Elfenbeinküste gegen Japan in Recife (40 267/42.849), Frankreich gegen Honduras in Porto Alegre (43 012/48.849) bis hin zu Iran gegen Nigeria in Curitiba (41.456). Ein Problem: Fast 400.000 Karten sind laut Fifa zur Abholung hinterlegt – viele bleiben offenbar einfach liegen. Lokale Organisationskomitees sprechen von „einigen Problemen“ bei der Internet-Distribution.

Ein weiteres Ärgernis bleiben die mit überbordenden Kontingenten bedachten Fifa-Sponsoren und die nicht genutzten Hospitality-Plätze. Wer mancherorts einen Blick in jene Zeltstädte warf, die als VIP-Areale dienen, erspähte teils gespenstische Leere. Auch in den Logen der Arenen weilten oft mehr Hostessen als Kunden. Die Fifa spielt die Angelegenheit herunter. Auf Anfrage wird mitgeteilt, 97 Prozent Auslastung seien eine erstklassige Quote. Darin werden indes nur die verkauften, nicht die tatsächlichen belegten Plätze berechnet. Und die Frage muss zudem erlaubt sein, ob die Arenen so absurd weiträumig abgesperrt werden müssen, dass sich sogar Taxifahrer verirren. Wer nicht Stunden vorher aufbricht, ist aufgeschmissen.

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Der Teufel steckt wie so oft im Detail. Ein Beispiel: Monica Steward aus Phönix/Arizona hatte für ihre Familie Tickets à 90 Dollar für vier Spiele bestellt, bei denen über das Ticketportal eine zufällige Zuteilung erfolgte: Dummerweise waren dabei zwei Spiele an einem Tag: Niederlande gegen Australien in Porto Alegre und Russland gegen Südkorea in Cuaiba. Die US-Amerikaner entschieden sich für die Partie in Porto Alegre, die anderen Karten haben sie mit Mühe für den halben Preis losbekommen, „sonst wären sie wohl verfallen.“

Ebenso treffen Rückläufer von Sponsoren, Verbänden und Funktionären oft zu spät ein. Oder bleiben ungenutzt. Bei den Journalisten ist längst ein strenges Bestrafungssystem für so genannte „No Shows“ eingerichtet, so dass jedes nicht benötigte Media Ticket abgemeldet werden muss – bei seinen Partnern mag die Fifa solch eine Möglichkeit nicht durchdrücken. In Deutschland waren damals die so genannten Optionstickets die Rettung, bei der die Kundschaft in Vorkasse gehen musste, ohne die Gewissheit zu erhalten, wirklich zum Zuge zu kommen. Viele erhielten auf diesem Weg kurzfristig eine Karte – die anderen das Geld zurück.

Manchmal gibt es WM-Tickets sogar geschenkt

Das Gute für die Fans: Fast überall tauchen vor Ort jetzt noch Tickets auf – auf der Straße, in Kneipen oder Hotels. Mitunter gibt es die bedruckten gelben Kartons sogar geschenkt. „Ich war in Cuaiba bei unserem ersten Spiel gegen Chile und hatten einige Tickets übrig“, erzählt der australische Anhänger Andrew Jenkins, „die haben wir Einheimischen angeboten, aber die haben uns nicht verstanden und wollten nicht glauben, dass es etwas, das vorher so teuer war, nun auf einmal umsonst gibt.“