Porto Alegre. . Die Torlinientechnologie feiert eine erfolgreiche Premiere, doch die Umsetzung wirkt für die Beteiligten im Stadion von Porto Alegre wenig glücklich. Erst hieß es kein Tor, kurz danach wurde dann doch ein Treffer angezeigt. Schuld daran war aber nicht die Technik.
Das Wort von Noel Valladares hat im Nationalteam von Honduras viel Gewicht. Er ist Keeper und Kapitän, Leitfigur und Meinungsmacher. Ein zurückhaltender Charakter, den mit 37 Jahren nicht mehr viel aus der Ruhe bringt. Doch als der Tormann von Olimpia Tegucigalpa sich nun im Bauch des Estadio Beira-Rio von Porto Alegre nach der 0:3-Niederlage gegen Frankreich durch die Mixed Zone schlängelte, sprach aus seinen traurigen Augen eine tiefe Enttäuschung.
Seine persönliche Empfindung überstimmt von einer technischen Entscheidung – ein von seinem linken Arm abgelenkter Pfostenschuss von Karim Benzema erforderte den Einsatz der erstmals eingesetzten Torlinientechnologie.
"GoalControl" heißt das in Würselen bei Aachen entwickelte Computersystem, um zu ermitteln, ob ein Ball mit vollem Durchmesser hinter der Linie ist. Valladares behauptete steif und fest das Gegenteil. „Ich bin mir sicher, dass es kein Tor war.“ Technik hin oder her – die Debatte verstummt nicht.
Deutsche Firma für Technik verantwortlich
Seit 2010 war die FIFA nach den Vorkommnissen von Bloemfontein, als im WM-Achtelfinale Deutschland gegen England der Ball nach einem Schuss von Frank Lampard klar hinter die Linie prallte, mit dem Gedanken schwanger gegangen, sich Hilfe ins Haus zu holen. Und womit könnte der Regent Sepp Blatter besser seine Fortschrittlichkeit demonstrieren?
Den Zuschlag vom Weltverband erhielt bekanntlich die deutsche Firma, dessen Geschäftsführer Dirk Broichhausen bei einer Pressekonferenz vor dieser WM „keinerlei Probleme“ versprach. Und doch war es vielleicht für den Fernsehzuschauer eine halbwegs perfekte Premiere – gewiss nicht für den Stadionbesucher.
Die Crux: Die erste Einstellung war noch mit dem Signal „No Goal“ versehen, unmittelbar danach leuchtete zweite Sequenz mit dem Hinweis „Goal“ auf. „Für das zweite Tor von Frankreich trat eine besondere Situation ein, in der der Ball den Innenpfosten des Tores traf, dann ins Feld zurücksprang, bevor er den Torwart traf, zum Tor rollte und die Linie überquerte“, hieß es erklärend in einer FIFA-Mitteilung.
Also: Das erste Bild entstand beim Pfostenschuss vom Doppeltorschützen Benzema, die zweite Aufnahme nach dem Abpraller von Valladares, dem letztlich in der ominösen 48. Minute offiziell ein Eigentor angekreidet wurde.
Für die 43.000 Stadionbesucher am Rio Guaíba fehlte allerdings diese Einordnung. Das Wirrwarr an den Videotafeln ließ die Anhänger aufstöhnen und die Trainer die Schultern zucken. Und so brauchte auch der brasilianische Schiedsrichter Sandro Ricci lange, um letztlich auf Tor zu entscheiden, nachdem ihm auf seiner Uhr das Signal „Goal“ blinkte.
Mit der Verwirrung vor Ort führte zuvorderst der Verlierer seine Klage. „Die erste Entscheidung lautete ‚No Goal‘. Ich weiß nicht, was ich denken soll. Wenn das System eine klare Meinung hat, muss eine klare Message her“, brachte Honduras-Trainer Luis Suarez seinen Unmut hervor. Und weiter: „Erst ‚No Goal‘, dann ‚Goal‘ – wo ist die Wahrheit?“ Dabei blies der Kolumbianer kräftig die Backen auf.
Auch Frankreichs Trainer mit Unbehagen
Selbst Kollege Didier Deschamps, der mit den Franzosen einst Weltmeister wurde, als die Torlinientechnologie noch so weit weg war wie die Erde vom Mond, konnte sein Unbehagen ebenfalls nicht verbergen: „Wir waren alle nervös, weil wir die erste Einblendung ‚No Goal‘ gesehen haben.“ Pragmatisch betrachtete es der Matchwinner Benzema: „Für mich ist es das Wichtigste, dass es gezählt hat. Fußball ist manchmal so, dass man gewisse Sachen nicht sieht.“
Dafür sind ja seit diesem Turnier in dem Dutzend brasilianischer Arenen allerorten 14 Hochgeschwindigkeitskameras unter dem Stadiondach installiert, die angeblich die Position des Balles mit über 500 Bildern pro Sekunde erfassen.
Wichtig wäre, dass anschließend allen ein eindeutiges Bild präsentiert wird – wie der Weltverband jetzt auch erkannt hat. Bisher zeige "GoalControl" alle strittigen Fälle innerhalb der Torlinie an – wenn zwei Szenen kurz hintereinander ablaufen, komme der Widerspruch zustande. Daher wolle man die Prozedur nun überdenken und nur das Signal „Goal“ einblenden. Besser wäre es.
Die schönsten WM-Outfits
Weitere Pannen im Stadion
Im südlichsten Spielort Brasiliens hatte es noch eine andere peinliche Panne gegeben, bei der die FIFA umgehend um Entschuldigung bat. Weil in der Spielstätte vom Sport Club Internacional viele technische Einrichtungen (und nebenbei auch die Toiletten) auf den allerletzten Drücker eingebaut wurden, blieb kaum Zeit für Generalproben.
Prompt versagte bei der Premiere die Audio-Anlage ihren Dienst, so dass die Begegnung ohne Nationalhymnen, Stadionmusik und Durchsagen begann. Immerhin ist die Torlinientechnologie nicht gleich noch mit ausgefallen.