Bochum. Kuntz, Fischer, Stöger? Butscher! Zum vierten Mal springt er beim VfL Bochum ein, Wunschlösung war er nicht. Hintergründe der Trainersuche.

Am Sonntagnachmittag war Heiko Butscher an der Hordeler Heide. Etwas überspitzt gesagt zeigte er einmal mehr, dass „Multitasking“ kein Fremdwort für ihn ist. Der A-Jugend-Trainer des VfL Bochum fuhr direkt nach dem 2:4 seiner U19 beim BVB zur DJK TuS Hordel, beobachtete das Jugendspiel seines Sohnes und auch das Westfalenliga-Duell der DJK - um Spieler zu sichten, die für die neue U23 des VfL Bochum in Frage kommen. Die startet 2024/25 in der Oberliga. Butscher soll ihr Trainer werden.

Vielleicht coacht er dann aber noch die Profis. In der Bundesliga.

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Am Sonntag wusste Butscher noch nicht, dass er am Dienstagnachmittag das erste Training der Profis leiten wird, plötzlich zum Hoffnungsträger des Klubs aufsteigt und für die restlichen sechs Saisonspiele Trainer des Bundesligisten ist. Ihm zur Seite stehen die Co-Trainer Markus Feldhoff, Frank Heinemann und Marc-Andre Kruska.

Butscher von Beginn an ein Kandidat - aber nicht die Wunschlösung

Die VfL-Spitze - Geschäftsführung, Präsidium, Sportdirektor - beschloss am Sonntagnachmittag einstimmig, so Vorstandsvorsitzender Hans-Peter Villis, die Trennung von Trainer Thomas Letsch und seinem Co-Trainer und Vertrauten Jan Fießer. Mehrere Kandidaten standen als Nachfolger auf dem Zettel, darunter auch Butscher - der Mann aus dem eigenen Haus aber stand nicht ganz oben auf der Liste.

Heiko Butscher und Stürmer Philipp Hofmann beim 1:1 gegen Köln im September 2022. Danach übernahm Thomas Letsch, jetzt springt Butscher erneut als Trainer des VfL Bochum ein.
Heiko Butscher und Stürmer Philipp Hofmann beim 1:1 gegen Köln im September 2022. Danach übernahm Thomas Letsch, jetzt springt Butscher erneut als Trainer des VfL Bochum ein. © Ralf Ibing /firo Sportphoto | Ralf Ibing

Eine Einigung mit ihm hätte der Klub spätestens am Montag erzielen können. Stattdessen klopfte man ab Sonntag externe Kandidaten ab, Sport-Geschäftsführer Patrick Fabian bestätigte am Dienstag bei der Pressekonferenz mehrere Gespräche.

Mit Stefan Kuntz gab es nach unseren Informationen Kontakt. Der ehemalige Bochumer Spieler und Manager aber sieht nach Informationen dieser Redaktion seine Zukunft nicht als Klubtrainer, sondern als Nationaltrainer spätestens nach dieser Saison. Ein kurzfristiges Engagement beim VfL wäre möglich gewesen, kam letztlich aber nicht zustande.

Heiko Butscher bei seiner ersten Trainingseinheit nach seiner Beförderung zum neuen Cheftrainer des VfL Bochum mit den Profis am Dienstag.
Heiko Butscher bei seiner ersten Trainingseinheit nach seiner Beförderung zum neuen Cheftrainer des VfL Bochum mit den Profis am Dienstag. © Ralf Ibing /firo Sportphoto | Ralf Ibing

Stöger-Absage: Der VfL Bochum sieht in der Außendarstellung äußerst schlecht aus

Auch bei Urs Fischer und Hermann Gerland fragte Bochum an, handelte sich aber Absagen ein. Am weitesten fortgeschritten waren dann die Gespräche mit Peter Stöger. Der ehemalige Trainer des 1. FC Köln und von Borussia Dortmund ist derzeit Sportdirektor bei Admira Wacker Mödling in der 2. Liga Österreichs. Die Ablöseverhandlungen mit Admira standen kurz vor dem Abschluss, Stöger sollte der Vereinsspitze des VfL samt Präsidiumsmitgliedern seine Pläne noch einmal erklären. Doch Stöger sagte dann doch ab und kommunizierte dies in einem Interview mit „heute.at“.

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„Ich habe überlegt, den Job anzunehmen, um mich wieder ins Gespräch zu bringen. Aber die Kurzfristigkeit hat am Ende dagegen gesprochen. Auch wegen der Vertragssituation bei der Admira“, sagte er - und brachte sich damit tatsächlich auf fragwürdige Art wieder ins Gespräch für die Zukunft. Für Fabian ein Unding, ein „skurriles“ Verhalten Stögers.

Allerdings gab es auch in Bochum mindestens einen „Maulwurf“ in den eigenen Reihen, der die Verhandlungen mit Stöger, der zuvor und danach weiteres Insider-Wissen seit Sonntag an Medien durchgesteckt hat. Die Folge: Bochum stand und steht in der Außendarstellung rund um die Trainersuche äußerst schlecht da.

VfL Bochum: Letsch-Trennung ohne Alternative in der Hinterhand

Das auch medial gespielte Trainer-Wirrwarr zeigt auch, dass vor der Trennung von Letsch, vor dem 1:2 beim 1. FC Köln keine Trainersuche stattfand, man noch keine Alternative parat hatte. Die letzten beiden Spiele gegen Darmstadt (2:2) und vor allem das Last-Minute-Drama in Köln wurden Letsch zum Verhängnis. Es kam zu einer Trennung ohne Alternative in der Hinterhand - an diesem Dienstag aber, das hatte oberste Prämisse, sollte ein neuer Mann das Training übernehmen, um die Mannschaft auf das wichtige Heimspiel gegen den FC Heidenheim am Samstag (15.30 Uhr, Sky) vorzubereiten.

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Die externe Trainersuche wurde daher auch aus Zeitnot gestoppt. Fabian erklärte die Gespräche mit meheren Kandidaten, dass man nur so wisse, welche Option auch die beste sei. Jedenfalls kletterte Butscher im Verlauf des Montags ganz oben auf die Kandidatenliste, man war sich schnell einig. Zunächst erhält Butscher das Vertrauen bis zum Saisonende. In den sechs Spielen gegen Heidenheim, in Wolfsburg, gegen Hoffenheim, bei Union Berlin, gegen Leverkusen und in Bremen, soll der Mann aus dem eigenen Haus den VfL zum Klassenerhalt verhelfen. Hat er Erfolg, ist es möglich, dass er Cheftrainer bleibt.

Engagiert, beredt und ein echter VfL-Bochum-Kenner: Das spricht für Butscher

Als Wunschlösung kann der Klub ihn aber nicht mehr präsentieren, auch wenn er von Beginn an ein Kandidat war, auch wenn sich der VfL natürlich genau darum bemüht. „Wir haben uns bewusst und mit voller Überzeugung für Heiko Butscher entschieden und somit eine interne Lösung gewählt. Heiko hat sich sofort bereit erklärt, sich dieser Herausforderung zu stellen. Er kennt den VfL, er kennt die Situation beim VfL und hat bewiesen, sofort eine Mannschaft inhaltlich und emotional zu erreichen. Gemeinsam sind wir davon überzeugt, den Klassenerhalt zu packen“, sagte Patrick Fabian.

Es gab und gibt ja Argumente, die dafür sprechen, dass der 43-Jährige mit dem Team das Ruder herumreißen kann. Butscher ist kommunikativ, kann mitreißen, auch die Fans mitnehmen, ist hoch engagiert - und kennt den VfL, das Umfeld, die Trainer, die Vereinsführung und nicht zuletzt die Spieler bestens. Dass der Fußball-Lehrer auch die kostengünstigste Variante ist, ist ein Nebeneffekt, der aber bei der Trainersuche keine wesentliche Rolle spielte.

Am 9. Februar 2018 war Heiko Butscher erstmals Interimstrainer beim VfL Bochum, führte den VfL zum 2:1-Heimsieg gegen Darmstat in der 2. Liga.
Am 9. Februar 2018 war Heiko Butscher erstmals Interimstrainer beim VfL Bochum, führte den VfL zum 2:1-Heimsieg gegen Darmstat in der 2. Liga. © imago/Team 2 | Team2

Dreimal Interimstrainer: Wichtiger Zweitliga-Sieg nach vier Niederlagen am Stück

Seit 2013 ist der beredte Allgäuer bereits in Bochum. Von 2005 bis 2007 sowie von 2013 bis 2015 war er Spieler des VfL, bestritt mit Kapitän Anthony Losilla sogar noch eine Saison zusammen, ehe er seine aktive Karriere beendete und im Nachwuchsbereich des VfL als Trainer einstieg. Zudem war er lange Co-Trainer der Profis - und dreimal Interimstrainer für eine Partie.

Nach der Trennung von Jens Rasiejewski übernahm er am 7. Februar 2018 interimistisch die erste Mannschaft des VfL. Nach nur einem Spiel. Nach vier Niederlagen in Folge kehrte der Erfolg zurück, gewann Bochum unter Butscher mit 2:1 gegen Darmstadt 98. Butscher wurde dann Co-Trainer unter dem neuen Cheftrainer Robin Dutt (52 Spiele).

Co-Trainer, Jugendtrainer, Gesamtleiter Sport des Talentwerks: Butschers Job-Vielfalt

Als Dutt freigestellt wurde im September 2019, nach einem wilden 3:3 gegen Wehen Wiesbaden, übernahm Butscher erneut für ein Spiel. Der VfL verlor mit 1:2 beim VfB Stuttgart. Butscher wurde danach Co-Trainer von Thomas Reis (105 Spiele), konzentrierte sich nach dem erfolgreichen Lehrgang zum Fußball-Lehrer in der Saison 2019/20 dann ab 2020/21 vor allem auf seinen Job als U19-Trainer. Er übernahm nach ersten Co-Trainer-Stationen auch in der Jugend in den Jahren zuvor dann 2020/21 die U19 als Cheftrainer, konzentrierte sich vor allem auf das Talentwerk - Markus Gellhaus war der Reis-Spezi als Co-Trainer.

Reis musste im September 2022 gehen, nach sechs Niederlagen zum Start der Vorsaison übernahm Butscher die Profis wieder für eine Partie. Damals war vom gerade erst zum Sport-Geschäftsführer beförderten Patrick Fabian klar kommuniziert worden, dass der VfL nach der Partie gegen den 1. FC Köln einen neuen Mann präsentieren wollte. Es wurde Thomas Letsch.

1:1 gegen Köln im September 2022: Tim Oermann gibt unter Butscher Profi-Debüt

Butscher bescherte ihm zum Einstand eine Mannschaft, die immerhin ihren ersten Punkt geholt hatte mit einem 1:1 gegen den 1. FC Köln. Butscher verhalf damals Tim Oermann zu seinem Profidebüt in der Startelf - auf den 20-Jährigen, den er bereits in der Jugend coachte, hält er große Stücke.

Seit 2020 war Butscher vor allem Coach der U19 und seit Oktober 2022 nach einer Neustrukturierung der Führungsebene im Nachwuchs Gesamtleiter Sport des Talentwerks. In dieser Saison enttäuschte sein Team in der A-Jugend Bundesliga West, Bochums ältester Nachwuchs ist Drittletzter. Immer wieder kritisierte Butscher in dieser Spielzeit auch die fehlende Einstellung seiner Jungs.

Jetzt soll er die Profis wieder in die Spur bringen nach zuletzt fünf Niederlagen und einem 2:2 gegen Darmstadt. Und gab sich am Dienstag überzeugt davon, mit dem VfL die Klasse zu halten.